Voller Geilheit und 12 andere erotische Erzählungen. B. J. Hermansson
Ich bin nicht gewillt, als jemand anderes zu leben als der, zu dem ich geboren bin.
Ich bin der Gott der Erotik.
Ein Gesandter auf Erden.
Ich bin gerade volljährig geworden, als ich meine Kraft entdecke. Mein Kopf ruht entspannt auf einer Sommerwiese und in den Wolken begegne ich der Schöpfung des Lebens. Ich weiß nicht, was ich will, weder mit dem Leben, noch mit mir selbst. Ich weiß nicht, wer ich bin. Nicht bis jetzt. Nicht vor diesem Tag. Es ist, als ob die Kraft des Universums nach mir ruft, mit einer Selbstverständlichkeit im Ton und mit Leichtigkeit in ihrer Überzeugung. Als ob alles seinen selbstverständlichen Platz einnimmt. Mein Sinn. Ich finde ihn in diesem Moment.
Ich erkenne meine Berufung: zu ficken.
Ich erkenne mein Ziel: Menschen zu verführen, einen nach dem anderen.
Und selbst verführt zu werden.
Meine Erziehung war genau das Gegenteil. Man hat mich auf einen anderen Gott hören lassen, einen, der sich von meinem neuentdeckten, wahren Gott unterscheidet. Man hat mir eingeredet, zu lieben sei der Inbegriff der Sünde. Das größte denkbare Vergehen eines Menschen sei es, Haut zu lieben, die nicht in vor einem Altar getraut wurde. Sex sei verboten, wenn er nicht zwischen Mann und Frau in einer vor Gott gepriesenen Ehe geschehe. Alles andere sei unheilig und falsch. Man hat gesagt, der Ungehorsam dagegen sei dasselbe, wie den Teufel zu umarmen und seine Füße zu küssen.
Ich wurde zu einem Zeugen einer kleinen Gruppe Menschen mit eigenen Vorstellungen und Wünschen, meist zum Vorteil für sie selbst erschaffen. Es ging um Dinge, die andere falsch machen, unheilig und entehrend. Lange höre ich auf diese Worte. Ich klopfe an Türen und verbreite die Botschaft, die mir als die absolut einzige vermittelt wurde. Ich habe zugehört, ohne in Frage zu stellen. Denn das tut man, wenn man dazu erzogen wird, auf niemand anderen zu hören als einige wenige. Ich klopfe an Türen und sage, dass der Herr dich liebt, wenn du auf diese Weise handelst, und dich in die brennenden Höllenfeuer verbannt, wenn du auf eine andere Weise handelst. Im Leben geht es darum, eine Person des anderen Geschlechts zu heiraten und nach Gottes Gesetzen und Grenzen zu leben. Das sage ich. Ich betone auch freimütig und selbstsicher, dass der Sexualakt ein notwendiges Übel ist. Dass Untreue eine Sünde ist. Dass es nicht von dieser Welt ist, jemanden des gleichen Geschlechts zu lieben. Man könnte sagen, dass ich drohe, aber das wäre aus Sicht dieser Gruppe Menschen die falsche Wortwahl. Und die korrekten Worte zu verwenden, darauf basiert ihre ganze Existenzberechtigung.
Ich werde an diesem Sommertag wie aus einem Dämmerschlaf geweckt. Wie durch eine himmlische Gabe erkenne ich, dass das, was ich gewesen bin und auf das ich gehört habe und das ich mein ganzes Leben lang weitergegeben habe – das ist nichts anderes, als die Überzeugungen anderer Menschen. Ein Bluff. Ich erwache wie aus einem Nebel und sehe das Selbstverständliche klar und deutlich. Ich bin an anderer. Ich glaube an etwas anderes. Und jetzt verstehe ich es. Auch wenn dieses Neue, dieses Andere, beinhaltet, dass ich nun an etwas glaube und von etwas überzeugt bin, was ich eben noch verachtet habe, so mache ich in meinen Gedanken und Ansichten dennoch diese Kehrtwende. Die Kraft ist so stark, die an diesem Tag zu mir kommt. Ich glaube an sie, ohne in Frage zu stellen. Denn sie gibt mir ein solches Gefühl der Reinheit. Der Wahrheit. Es ist, als ob das Universum, die Kraft, vielleicht sogar der Herr selbst, mich gesehen hat als der Mensch, der ich bin. Und es ist, als ob sich alle diese Kräfte gesammelt hätten, um mir hier und jetzt zu sagen, ihnen zu folgen. Es ist, als wäre es so vorbestimmt gewesen.
Mein voriges Umfeld distanziert sich natürlich von mir. Sie falten ihre Hände und malen das Zeichen des Teufels an meine Tür. Wollen mich dazu bringen, aufzuhören. Wollen mich bekehren, zum Licht, bevor es zu spät ist. Sie meinen es natürlich gut. Aber ich kann nicht auf sie hören. Nicht einmal, wenn ich es wollen würde (und das will ich nicht). Das hier ist der wirkliche Sinn. Und wenn es der eigentliche Sinn ist, hat es keinen Zweck, etwas zu ändern. Denn so stark ist die Kraft. Das Universum ist so stark, dass wenn es etwas will, dann wird es so. Der Mensch ist nur eine Marionette in dem großen, großen Spiel. Er spielt mit einer Figur, die sein Los ist, seine Stunde, Tage und Jahre auf Erden. Er spielt, so gut er es vermag. Oft beeinflusst er seine Situation durch seine Spielzüge. Aber am Ende, in gleichmäßigen Abständen, ist es etwas Größeres, das über ihn bestimmt. Das endgültig entscheidet.
Ich entscheide mich, wieder an Türen zu klopfen. Ich weiß, dass das Türenklingeln kontrovers ist, viele finden es unverschämt, bei wildfremden Menschen an der Tür zu klingeln. Aber ich habe nie gelernt, mich auf Normen zu verlassen. Nicht auf andere als die, die in meinem Umfeld galten, und dort war das Türenklingeln nicht falsch.
Viele glauben, ich sei verrückt, wenn ich an ihre Tür klopfe und sage, dass ich sie durch die Liebe erlösen will. Viele schütteln den Kopf, aber die allermeisten schlagen mir einfach die Tür vor der Nase zu. Manche schreien mir nach. Manche ohrfeigen mich. Mehrmals zögere ich und frage mich, was richtig ist, und ob es im Grunde doch ich bin, der falsch handelt. Die Unsicherheit schleicht sich heran, so wie sie es für gewöhnlich tut, wenn es nicht richtig so läuft, wie man es sich vorgestellt hat. Anstatt weiter zu machen, fängt man an, auf das zurück zu blicken, was gewesen ist. Man vergleicht, glorifiziert. Denkt, dass es vielleicht trotz allem nicht so dumm war, was einmal gewesen ist. Wie ich war.
Aber das Universum und das, was wir tun, kommt zurück und erinnert mich. Wie durch eine Berührung an meiner Schulter drehe ich mich um und sehe mich dastehen. Ich sehe mich durch die Augen von anderen und sehe, welchen Weg ich wandern muss.
Den Weg des Sinns, den ganzen Weg bis zum Gottesreich und den erfüllten Räumen der Erotik. Ich muss die Menschen von der einzigen Sünde befreien, die es gibt – die innersten Begehren zurück zu halten.
Griselda trägt ein Kreuz um den Hals. Sie besitzt Kurven, üppige Kurven, und ist wunderschön. Ihre Augen sind braun. Ihr Haarschwall reicht fast bis zu ihren Hüften herunter. Die Lippen sind mit einer hell schimmernden Farbe bemalt, die zwischen rosa und Kastanie wechselt.
Ich werde so hart, sobald ich sie sehe.
Ich erzähle Griselda von meiner Botschaft. Ich frage, ob sie sich in ihrem Dasein gefangen fühlt. Ob sie spürt, dass das Leben ihr nicht alles gibt, was sie sich wünscht. Sie antwortet, dass sie sich einsam fühle. Dass sie nicht zufrieden sei. Die Arbeit sei monoton und die Kollegen täten nichts anderes, als über alle Verpflichtungen zu klagen. Das Leben sei ereignislos und sie selbst sei neugierig. Sie sagt, dass sie eigentlich aus einem anderen Holz geschnitzt sei als die, die sie nun geworden sei.
Griselda weiß nicht, ob ich scherze oder ernst bin. Ich sehe es ihr an. Die Augen sind fragend, sie mustern mich von Kopf bis Fuß. Wahrscheinlich versucht sie festzustellen, ob ich verrückt bin. Ob sie die Tür abschließen oder sogar die Flucht ergreifen sollte. Oder ob sie bleiben soll. Was will sie? Ich gebe ihr auf jeden Fall eine Visitenkarte mit Informationen über mich und was ich teilen will, indem ich mit ihr Liebe mache. Ich sage, dass sie mich gern kontaktieren kann, wenn sie das möchte. Wenn sie möchte, betone ich. Es ist wichtig, dass du deinem eigenen Herzen folgst, deinem eigenen Willen, sage ich abschließend. Sie sagt immer noch nichts. Ich drehe mich um und beginne, die Treppen hinunter zu steigen. Die Treppe ist aus Marmor und meine Schritte hallen wider und erzeugen eine Spirale aus Geräuschen längs der Wände des Treppenhauses.
Plötzlich höre ich, wie jemand mir nachgeeilt kommt, fast rennend. Ich bleibe stehen. Drehe mich um. Und bevor ich es mir versehen kann, treffen ihre Lippen die meinen. Ich werde von dem herrlichsten Gefühl aus Lust und Wonne erfüllt. Sie will. Sie will mich haben. Sie will meinen Körper und mein Geschlechtsorgan. Und ich darf ihr von mir selbst geben.
Dieser großartigen und himmlischen Frau.
Dieser schönen Göttin.
Dieser weiblichen Göttlichkeit.
Hand in Hand geleiten wir uns ins Schlafzimmer und ins Bett. Gottes Altar. Mein Körper ist dabei zu zerspringen. Sie sagt nichts zu mir. Alles, was ich wahrnehme, ist die Wärme in ihrer Hand und die Kaskade von Gefühlen in mir. Wir halten unsere Handflächen fest umklammert. Der Raum ist leise, still. Wir sagen nichts. Wir sehen einander an. Ich will mich gemeinsam mit ihr in Aphrodites Himmelreich stürzen. Und es dauert