Liebe in Corona-Zeiten. Dorle Gelbhaar
von Sätzen.
In Sätzen Gedankenfetzen.
In Versen und prosaischen Zeilen ertappt die
Autorin sich bei einer Schwäche.
Einer? Komplett ausgeführte Sätze:
Subjekt, Objekt, Prädikat.
Nicht einmal Artikel und Adjektive fehlen.
Wieso Fetzen?
Denkfetzen?
Dicht Gedanken setzen.
Konzentrieren. Den Moment festhalten.
Im Folgenden wird stetes Persiflieren nicht die
Geduld verlieren,
der Liebe zu liebilieren.
Das Ende
Ein Orgasmus ist ein kleiner Tod.
Das stammt nicht von mir.
Von wem stammt das?
Was bedeutet das?
In diesen Zeiten?
Nichts anderes als in anderen Zeiten.
Nicht?
Das Umfeld ist es, das sich ändert.
Was bedeutet das für das Fühlen?
Für das Loslassen-Können?
Was ändert sich im Denken?
Wie wirkt das Denken auf das Intime?
Sehnsucht
Skype, WhatsApp, Festnetz,
Handy und weiter
erforschen Bahnen,
sich sehen, hören,
miteinander zu
sprechen. Anderes
ersetzen. Träumen von
Körpern, Umarmen.
In Armen halten.
Kosende Gesten.
Stehen voreinander,
tasten mit Blicken,
schauen fort,
schauen sich an,
senken die Augen,
reden Unsinn,
schweigen.
Endlich die Hände.
Sie strecken sich, Halt
gründend einander
entgegen. Halten
inne. Setzen fort,
was vor langer Zeit
begann? Das ist nur
Monate her, mehr
nicht, Monate. Hand.
Hände …
Nicht da
Um mich legtest du
dich, unsichtbar ein
Mantel wärmte mich
wie eine zweite
Haut schützt vor Umher,
tief das Begehren.
Nicht da. Und wie sehr
im Rund zu spüren.
Neue Riten. Sich die Ehre erweisen
Angela Merkel legt die Hände vor der
Brust zusammen
und beugt ihr Staatslenkerinnenoberhaupt.
Sittsam wie ein
Burgfräulein aus Zeiten Walters von der
Vogelweide. Komisch
mutet das an beim ersten Sehen,
beim zweiten hat man sich daran gewöhnt.
Emmanuel Macron, staatspräsidentisch,
Grand Seigneur, legt quer den Arm vor
seine Brust,
erweist der hohen Dame seinen Gruß.
Napoleon könnt‘ es nicht besser.
Außenminister rüpeln Ellenbogen, bevor
sie diplomatisch gegen-vor-mit-einander
reüssieren.
Schul- und Kita-Kinder erproben neue
Umgangsformen.
Sie füßeln, strecken Körperteile sich entgegen,
die fern von Mund und Nase sind
(bis hin zum – beidseits rücklings geführten –
Po).
Gelegentlich hört man sie „Abstand halten!“
rufen.
Wie grüßen sich die Liebenden der Welt,
wenn es an Leiblichem nun fehlt?
Es gibt Masken.
Bitte
Schwer geht dein
Atem. Kommt.
Geht.
Lang erwartet.
Zeichen: Du
lebst.
Eine Absage
Zum Geburtstag komme sie nicht.
Sie wolle sich nicht anstecken.
Alle gesund.
Man könne sich doch nicht einigeln.
Masken-Reminiszenz
Ein längst vergangener Spätherbst. Nasskalt.
Matschwetter. Von den japanischen
Studierenden, die zu einem Schnupperkurs nach
Berlin an die Humboldt-Universität
gekommen sind, haben sich einige erkältet.
Sie tragen Masken.
Ein ungewohnter Anblick.
Seherinnen haben Pech
Kassandra sitzt auf
dem Klo. Das ist ihr
Arbeitsraum. Sie will
den Mann nicht stören
durch Kratzen ihres
Stifts auf dem Papier.
Urlaubsparadies.
Er braucht den Schlaf,
ganz wie zu Hause.
Hier gibt es nur ein
Zimmer für die zwei.
Idyll Arbeitsraum
schaffen, ohne ihn.
Kassandren