Der Teufel sieht rot. Susann Teoman
Erwachsene, der Rest Kinder in verschiedenen Altersstufen, mit Dreirädern, in Kinderwagen oder auf Rollerblades, alle herumwuselnd und schreiend. Neben Leyla in einem der typischen Plexiglasbettchen lag ihr Sohn: ein fetter Junge mit dichten schwarzen Haaren und kristallblauen Augen. Süß war der! Aber echt riesig. Ich schauderte bei dem Gedanken, ein solches Mammut gebären zu müssen.
Vier der sieben Erwachsenen waren Frauen, sie saßen alle laut schnatternd um Leylas Bett herum, während die Männer sich in den hintersten Winkel des Raumes zurückgezogen hatten und dort aussahen, als könnten sie nichts miteinander anfangen.
Ich grüßte höflich in die Runde und wollte das Fenster öffnen.
Entsetztes Rufen aus fünf Mündern hielt mich davon ab.
»Was machst du da?«, fragte mich Leyla scharf.
»Ich will das Fenster öffnen.«
»Aber siehst du denn nicht, dass hier Babys im Zimmer sind?«
Doch, klar sah ich die. Aber waren das nicht auch menschliche Wesen? Brauchten die nicht auch Sauerstoff?
»Draußen scheint die Sonne, und hier sind zu viele Menschen und zu wenig Sauerstoff. Es stinkt hier!«
Leyla schnappte nach Luft und sagte wütend etwas auf Türkisch zu ihren Freundinnen.
Eine sah mich kalt an und spie: »Du sein eine NAZI.«
Was, weil ich ein Fenster aufmachen wollte?
Ich tat es trotzdem.
Sie beobachteten mich böse.
Eine der Frauen war anscheinend um einen Themenwechsel bemüht und packte etwas aus einer Tüte. »Hier, für deine Milch ist das sicher gut. Döner mit Cacik.«
Ja, und Zwiebeln waren auch dabei, das konnte ich genau riechen. Leyla würde davon so todsicher Blähungen bekommen, wie ich eine Teufelin war.
Die Sonne schien auf mein Bett, und ich versuchte zu schlafen.
»Frau Teufel?«
»Hm?« Schlaftrunken richtete ich mich auf.
»Ihre Tochter hat wieder Hunger.« Pfleger Martin stand mit Isa neben meinem Bett.
Ich wollte sie gerade stillen, als ich bemerkte, wie still es wieder geworden war. Alle elf Besucher waren noch da. Sie starrten mich an, die Frauen böse und drohend, die Männer neugierig.
Ich wurde rot. »Ich gehe ins Stillzimmer.«
»Ja, tu das.« Leylas Stimme klang erleichtert.
Im Stillzimmer war die Luft frisch und duftete angenehm süßlich nach Milch. Ich entschied mich für einen Schaukelstuhl, auf den die Sonne schien, nahm Isa in den Arm und gab ihr die Brust. Dann legte ich sie zurück in ihr Wägelchen und schlief, tief in die weichen Polster des Schaukelstuhls gekuschelt, ein.
Als ich die Augen aufschlug, merkte ich, dass es dunkel geworden war.
Gähnend schob ich Isa ins Babyzimmer und taumelte müde in mein Krankenzimmer zurück.
Es war kaum zu fassen, aber Leyla hatte tatsächlich noch immer Besuch. Ja wollten die denn hier übernachten? Gegen elf Uhr waren wir endlich wieder allein. Endlich!
Endlich Ruhe! Endlich ungestört schlafen!
Obwohl ich im Tagesverlauf ein paarmal eingenickt war, konnte man das kaum Schlaf nennen. Hier ein paar Minuten, da eine halbe Stunde. Ich freute mich daher umso mehr auf eine ungestörte Nachtruhe.
In einigermaßen entspannter Atmosphäre aßen Leyla und ich zu Abend, und ich las noch ein paar Zeilen, bevor ich mein Licht löschte und »Gute Nacht!« wünschte.
Gerade hatte ich es mir in meinem Bett gemütlich gemacht, da ertönte Leylas Stimme: »Also, mein Adem hier war wirklich die schwerste Geburt, die ich hatte. Ich dachte, er reißt meine Scheide gleich mit heraus.«
Leylas Vaginalareal interessierte mich nicht im Geringsten. Ich stellte mich schlafend und atmete ruhig ein und aus, was sie aber nicht im Mindesten daran hinderte, ungehemmt über ihr Sexualleben und die Geburten ihrer drei Kinder zu berichten.
Es wurde zwölf, eins, zwei, drei.
Als ich im Begriff war, aus dem Bett geradewegs auf Leylas Brust zu springen, um sie mit meinen Kissen zu ersticken, hielt sie den Mund. Endlich konnte ich schlafen! Und ich war sooooo müde!
Ich brauchte eine weitere Stunde, bis ich meine gestressten und vor Aggression zitternden Nerven so weit unter Kontrolle hatte, dass ich endlich schlafen konnte.
Ein schmaler Lichtstrahl fiel ins Zimmer, als Martin flüsterte: »Frau Teufel, Isabelle hat wieder Hunger.«
Meine Tochter trank bis fünf Uhr, und dann nickten wir beide zu Tode erschöpft ein.
Um sechs Uhr weckte uns die Morgenschwester, die fröhlich verkündete: »Frau Teufel, Ihr Kind hat heute die U2, und Sie haben einen Termin bei der Gynäkologin. Also schnell, schnell aufgestanden!«
Ich hätte ihr am liebsten ein nasses Handtuch gegen die Wange geklatscht.
Aber das wäre zu anstrengend gewesen. Also mühte ich mich aus dem Bett, fuhr Isa ins Babyzimmer und torkelte zum Frühstück, um ohne nennenswerten Appetit ein halbes Brötchen mit irgendetwas drauf, an das ich mich nicht einmal mehr erinnere, das aber sehr wahrscheinlich Nutella war, hinunterzuwürgen.
»Sieht alles wunderbar aus!«, lobte die Gynäkologin mich nach meiner Untersuchung.
Auch der Kinderarzt war mit Isabelle zufrieden.
»Sie hat zwar wenig Gewicht, aber gerade diese Babys holen schnell auf«, beruhigte er mich.
»Haben Sie eine Nachsorgehebamme?«
»Ja, glücklicherweise habe ich mich in letzter Minute noch um eine gekümmert.«
»Sehr gut! Wenn alles gut geht, können wir Sie dann in ein bis zwei Tagen entlassen.«
Ich war zu ausgelaugt, um mich wirklich zu freuen. Ich wollte nur noch ins Bett. Als ich mich jedoch meinem Zimmer näherte, hörte ich fremdländisches Stimmengewirr.
»O nein!« Ich blieb wie angewurzelt stehen.
Bitte bitte nicht schon wieder eine Invasion! Ich hatte wirklich viele sehr nette Freunde, aber keiner von denen nahm eine Hausbesetzung in der gynäkologischen Abteilung eines Krankenhauses vor, wie Leylas Bekannte. Die hätten sich hier glatt einquartiert, wenn das ginge.
Ich öffnete die Tür, und ein atemberaubender Geruch nach abgestandener Luft schlug mir entgegen. Mir wurde schlecht.
Ich fühlte mich beschissen.
Ich kramte mein Handy aus der Tasche meines Bademantels, wählte Toms Nummer und heulte: »Hol mich sofort hier raus!«
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