Blutläufer 2: Aufstand der Sklaven. Stefan Burban
ihr krank seid, steinigen wir euch. Die letzte Grippewelle hat ein Drittel unserer Gruppe dahingerafft.«
Michael presste die Lippen aufeinander. Das konnte er sich sehr gut vorstellen. Die Beschaffung von Medikamenten gehörte zu den größten Problemen in dieser postapokalyptischen Gesellschaft.
»Wir – sind – nicht – krank«, wiederholte der Blutläufer erneut und betonte jedes einzelne Wort. »Wir wollen mit eurem Boss sprechen. Wir kommen mit einem Angebot für ihn.«
»Unser Boss hat keine Verwendung für ein Angebot«, beharrte Justin. »Wir sind die Stärksten. Wir nehmen uns, was wir wollen.« Das Bandenmitglied grinste hämisch.
»Flesh and Bones! Flesh and Bones! Flesh and Bones!«, skandierte die Menge erneut.
»Legt alles von Wert ab und ihr kommt vielleicht mit dem Leben davon«, drohte Justin nun ganz offen. Er grinste abermals. »Aber garantieren kann ich das natürlich nicht.«
Michael baute sich vor dem Mann auf. »Du begehst einen großen Fehler.« Er klopfte sich mit dem Daumen der rechten Hand gegen den Brustkorb. »Ich bin der düstere Michael. Die Flesh and Bones gehören mir. Auf ewig. Und es ist mir völlig gleich, wer denkt, euch im Augenblick zu führen. Bring uns zu eurem Boss und ich überlege mir, ob du – und er – unter Umständen am Leben bleiben.«
Ein Raunen ging durch die Menge. Justin zog beide Augenbrauen nach oben. »Der düstere Michael ist schon lange fort. Fischköpfe haben ihn sich geholt. Der ist vermutlich seit Jahren tot. Oder er wünscht sich, es zu sein.« Justins Lippen teilten sich zu einem gehässigen Grinsen. Dabei entblößte er zwei Reihen gelber, fleckiger Zähne. »Kommt drauf an, was die Fischköpfe mit ihren Gefangenen anstellen.«
Michael blieb felsenfest. Nur eine Sekunde der Schwäche, und die Konfrontation würde in Gewalt ausarten. Er hatte keinerlei Zweifel daran, dass sie diese bunt zusammengewürfelte Gruppe zerlumpter Bandenmitglieder würden besiegen können, aber er hegte nicht den Wunsch, einen von ihnen zu töten. Mal ganz davon abgesehen, dass sie ihrem Ziel dadurch keinen Millimeter näher kamen.
In seinem Trommelfell knackte es, als das implantierte Kommgerät einen Kanal öffnete. »Team Alpha in Position«, meldete sich der Anführer ihrer Eskorte mit konzentrierter Stimme. »Bereit, auf ihren Befehl hin einzugreifen.«
Michael und Fabian wechselten einen kurzen Blick. Der andere Rebellenoffizier hatte die Meldung mit angehört. Michael nickte ihm zu und dieser öffnete eine Zwei-Wege-Verbindung. »Nicht eingreifen. Auf Anweisung warten. Stand by.«
»Hey, mit wem redet ihr da?«, verlangte Justin zu wissen. Der Kerl hatte verdammt gute Ohren.
»Du wirst uns jetzt zu deinem Boss bringen.« Michael trat dem Anführer der Gruppe provokant entgegen, ohne dessen Frage zu beantworten.
Justin streckte die Hand aus und deutete mit dem Zeigefinger auf sein Gegenüber. »Du gibst mir keine Befehle.«
Michael gab sich gar nicht erst mit einer Erwiderung ab. Er hatte sich schon immer durch körperliche Kraft und Gewandtheit ausgezeichnet. Doch aufgrund seiner Blutläuferausbildung verfügte er über gesteigerte Reflexe und enorme Muskeln. Der Elitesoldat überbrückte die Distanz zu dem Bandenanführer mit einem letzten Satz. Mit einer Hand schlug er dessen selbst gebastelte Axt zur Seite. Sie entglitt den Fingern des Mannes und landete irgendwo hinter ihm auf dem Asphalt. Michael holte mit seinem rechten Arm aus. Er hielt sich absichtlich zurück, denn er wollte Justin keinen dauerhaften Schaden zufügen.
Es genügte aber ein leichter Schwinger, um das Bandenmitglied in hohem Bogen durch die Luft fliegen zu lassen. Justin landete auf der Motorhaube eines Schrottautos und durchbrach dabei klirrend die Windschutzscheibe.
Beim Laut, den der Aufprall des Mannes machte, zuckte selbst Michael erschrocken zusammen. Hinter sich hörte er Fabian die Luft einsaugen. »War das so geplant?«, wollte sein Kamerad wissen.
»Nicht wirklich«, erwiderte Michael, der sich auch sogleich der veränderten Stimmung bewusst wurde. Die Menschen ringsum schwiegen auf unangenehme Weise. Sie hoben drohend ihre Waffen.
»Die Sache gleitet uns aus den Fingern«, sprach Fabian aus, was Michael dachte.
Dieser seufzte. »Na schön. Dann also Plan B.« Mit einem Schlag auf die linke Brustseite aktivierte er seine Rüstung. Fabian folgte nur einen Sekundenbruchteil später. Die einzelnen Scheiben der Panzerung legte sich mit einem klar vernehmlichen Klack-Klack-Klack über den Körper der beiden Soldaten.
Michael aktivierte einen Kanal. »Team Alpha: Zugriff! Nur Warnschüsse. Tödliche Gewalt auf jeden Fall vermeiden.«
Der Teamführer antwortete nicht, aber im nächsten Moment brach die Hölle los. Die fünf versteckten Soldaten kamen aus der Deckung. Energieimpulse fauchten und zischten über die Köpfe der schockierten Bandenmitglieder hinweg. Deren Lust auf Streit zerbrach so schnell, wie er aufgekommen war.
Derartige Rüstungen und Waffen kannten die Banden der Erde nur von den Fischköpfen. Aus bitterer Erfahrung hatten die Menschen gelernt, das Auftauchen derartiger Soldaten zu fürchten. Die zerlumpte Bande verschwand zwischen den Trümmern wie ein aufgeschreckter Vogelschwarm.
Michael gab den Blutläufern mit einem Zeichen zu verstehen, das Feuer einzustellen. Er war erleichtert, dass es keine Toten gegeben hatte. Jeder Tropfen vergossenen Blutes hätte den weiteren Verlauf ihrer Mission gefährdet.
Michael und Fabian traten an das Fahrzeug, durch dessen Windschutzscheibe Justin gedonnert war. Dieser kam gerade wieder zu sich und sah sich sieben in Rüstungen gehüllten Blutläufern gegenüber. Sein Gesicht verlor von einer Sekunde zur nächsten alle Farbe.
»Und jetzt führst du uns zu deinem Boss«, verkündete Michael. Von Justin war kein Einwand mehr zu hören.
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