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Mylady, daß das der junge Mann ist, der uns überfallen hat«, sagte Kathy jetzt.
»Natürlich ist er es!« Für Lady Simpson gab es überhaupt keinen Zweifel. »Er ist immer noch hinter der Kapsel her. Schließlich wird er sich ja wohl das Kennzeichen Ihres Schuhkartons gemerkt haben, Kindchen.«
»Er pirscht sich immer näher an die Haustür heran, Mylady.«
»Er wird natürlich einbrechen wollen. Aber wollen wir uns das Türschloß demolieren lassen, Kathy? Man bekommt so schwer die richtigen Handwerker.«
»Daran habe ich gar nicht gedacht, Mylady.« Kathy nickte. »Ich werde ihn holen, Mylady. Einen Moment, bitte.«
Sie verließ das Schlafzimmer der Lady und betrat das Treppenhaus. Sie ging auf einen mächtigen, alten Schrank zu, öffnete eine der beiden Türen und drückte auf einen versteckt angebrachten Knopf. Eine knappe Sekunde später schwang die Rückfront zusammen mit den Einlegefächern nach hinten weg und gab den Weg frei in das Nachbarhaus. Hier stieg Kathy praktisch aus der Wand, da die Holzverkleidung ebenfalls zur Seite geschwenkt war.
Sie brauchte kein Licht. Kathy Porter kannte hier jeden Zentimeter. Sie eilte über die Hintertreppe, die einmal für die Dienstboten gedacht war, nach unten ins Souterrain und erreichte die Eingangstür. Von außen sah sie normal und regulär aus, aber hier, von der Innenseite her, präsentierte sie sich als eine Art Tresortür, so sicher und so solide war sie.
Kathy schlüpfte nach draußen.
Erstaunlicherweise hatte sie keine Waffe mitgenommen. Sie verließ sich ganz auf ihre Geschicklichkeit und auf ihr besonderes Können. Kathy Porter sah zwar aus wie ein scheues Reh, doch das täuschte. In Wirklichkeit war diese attraktive, junge Dame eine erstklassige Judo- und Karatekämpferin.
Natürlich hatte der Mann vorn an Lady Simpsons Haus nichts gehört. Die Türangeln waren bestens geölt und hatten keinen Ton von sich gegeben. Der junge Mann inspizierte gerade das Türschloß an Lady Simpsons Haus. Er war mißtrauisch und vorsichtig, er schaute sich auch immer wieder um, doch er rechnete nicht damit, daß eine große zweibeinige Kathy sich lautlos an ihn heranpirschte. Kathy huschte wie ein Schatten auf den überdachten Hauseingang zu und war dann hinter dem ahnungslosen Einbrecher.
Er probierte gerade einen Dietrich aus. Er sah sich einem sehr einfachen Schloß gegenüber, das normalerweise für einen Fachmann kein Problem darstellen konnte. Dieses Schloß war natürlich nur Tarnung und sollte etwaige Einbrecher hinhalten und beschäftigen. Selbst mit einer mittleren Sprengladung war diese Tür nicht zu knacken. Dies gehörte mit zu den Sicherheitsmaßnahmen, die Parker vorsorglich getroffen hatte.
Kathy ersparte sich jeden Effekt. Sie schlug kurz und knapp mit ihrer rechten Handkante zu. Der Mann seufzte ein wenig auf, blieb noch einen ganz kurzen Moment wie versteinert stehen und kippte dann nach vorn.
Es dauerte nur wenige Minuten, bis Lady Simpson geöffnet hatte. Über die Fernsehkamera hatte sie sich dieses kurze Schauspiel genießerisch angesehen und nickte ihrer Gesellschafterin anerkennend zu.
»Brave Arbeit«, meinte sie, während sie sich ungeniert zu dem ohnmächtigen Mann hinunterbeugte. »Jetzt haben wir doch wenigstens etwas Unterhaltung, bis Parker zurückkommt. Ich werde mir dieses Subjekt in aller Ruhe vornehmen, Kindchen. Er wird diesen Besuch so schnell nicht wieder vergessen.«
*
Die beiden Männer waren wieder auf den Beinen, doch sie fühlten sich hundeelend. Noch waren sie nicht in der Lage, Verwünschungen oder Drohungen auszustoßen. Sie schleppten sich mühsam auf ihren Wagen zu, wobei sie ausgiebig husteten und sich immer wieder die Tränen aus den Augen wischten.
Als sie jedoch entdeckten, daß die beiden Vorderreifen ihres Morris ohne Luft waren, verloren sie einiges von ihrer bisher geübten Zurückhaltung und stießen reichlich unschöne Flüche aus.
»Dem Typ dreh’ ich den Hals um«, sagte der schlankere der beiden Männer. »Mann, Hale, wie konnte uns das nur passieren?«
»Weil du Idiot ja unbedingt den Kasten aufmachen mußtest«, regte sich Hale auf. »Ich hatte dich doch gleich gewarnt, Pete.«
»Wer denkt denn an so ’ne Gemeinheit«, entrüstete sich Pete. »So was ist uns noch nie passiert.«
»Wie kommen wir jetzt von hier weg?« Hale schaute sich um und trat dann wütend gegen die unschuldige Karosserie des Morris. »Verdammt, um diese Zeit bekommen wir hier doch niemals ein Taxi.«
»Irrtum, Hale!« Petes Stimmung drückte Hoffnung aus. Er lief ein Stück auf die Fahrbahn und winkte. Er hatte nämlich gerade ein Taxi entdeckt, das um eine Straßenecke kam. Das Taxi kam näher und hielt an. Der Fahrer, ein älterer Mann, der eine Brille trug, beugte sich heraus.
»Mann, Sie schickt uns der Himmel«, sagte Pete erleichtert. »Bringen Sie uns zum Chatham-Hotel.« Während er noch den Namen des Hotels nannte, stieg er bereits nach hinten in den Wagen und warf sich aufatmend ins Polster. Sein Partner Hale folgte und stierte mißmutig nach draußen in die Dunkelheit.
Der Taxifahrer war ein mundfauler Mensch. Er schaltete das Taxameter ein und fuhr los. Das etwas seltsame Aussehen seiner beiden Kunden schien ihn überhaupt nicht zu stören. Nun, das war kein Wunder, denn Josuah Parker hatte ja im vorhinein gewußt, was nach dem Öffnen des Kästchens passieren würde.
Er war es nämlich, der sich mit einfachsten Hilfsmitteln in einen Taxifahrer verwandelt hatte. Etwaiges Mißtrauen wäre allein schon vom echten Taxameter zerstreut worden, das beharrlich schnarrte und tickte. Parker konnte dieses Taxameter ganz nach Belieben ein- und abbauen. Dazu gehörten nur wenige Handgriffe. Da sein Wagen einstmals ein echtes Taxi gewesen war, nutzte er selbstverständlich ganz nach Bedarf diese Tarnung.
Seine beiden Fahrgäste waren und blieben ahnungslos. Sie redeten kein Wort miteinander, standen wahrscheinlich noch zu sehr unter dem Eindruck dessen, was ihnen passiert war. Parker war keineswegs enttäuscht, jetzt nichts zu hören. Die beiden Männer hüteten sich, vor dem vermeintlichen Taxifahrer in irgendwelche Details zu gehen. Obwohl die Trennscheibe zwischen Fahrgastraum und dem Fahrer geschlossen war, wollten sie kein Risiko eingehen.
Butler Parker übrigens auch nicht.
Während er scheinbar das gewünschte Hotel ansteuerte, legte er mit der rechten Hand einen der vielen Kipphebel vorn am Armaturenbrett um. Unhörbar für die beiden Gäste, strömte eine wohltuende Gasmischung in den Fahrgastraum. Im Rückspiegel beobachtete Parker die beiden Männer, die plötzlich zu gähnen anfingen. Sie rieben sich die immer noch leicht tränenden Augen und konnten sich ihr plötzliches Ruhebedürfnis überhaupt nicht erklären. Bevor sie überhaupt Verdacht schöpfen konnten, rutschten sie haltlos gegeneinander und warfen sich in die Arme eines gewissen Morpheus, wie die alten Griechen den Gott des Schlafes nannten.
Parker nickte wohlwollend.
Die Dinge entwickelten sich reibungslos. Er nahm die Brille ab, die alte, speckige Lederkappe, zog sich den grünen Wollschal vom Hals, packte diese Requisiten in ein verstecktes Fach unter dem Armaturenbrett und war wieder der korrekt aussehende Butler. In einer stillen Seitenstraße hielt er kurz an, entfernte das Taxameter und stellte den privaten Charakter seines hochbeinigen Monstrums wieder her.
Eine Viertelstunde später stellte Parker seinen Wagen in einer Seitenstraße des Chatham-Hotels ab und kümmerte sich nicht weiter um seine beiden Fahrgäste. Sie lagen inzwischen auf dem Wagenboden, doch sie brauchten keineswegs zu frieren. Als human eingestellter Mensch hatte Parker eine große Decke über sie gebreitet. Dies hatte zudem noch den Vorteil, daß ein patrouillierender Polizist nicht aufgeschreckt wurde, falls er wirklich einmal in den Wagen hineinschaute.
Parker betrat die Halle des Hotels, ein korrekter Butler wie aus einem Bilderbuch. Das Chatham-Hotel war ein gutes Haus der Mittelklasse, eigentlich kein Quartier für zwei Gangster.
»Ein Einzelzimmer«, verlangte er an der Rezeption. Er tat dies in einem Ton, der überhaupt keine Gegenfrage aufkommen ließ. »Sind die Herren Lorrings und Stepnut bereits in ihren Zimmern?«
Diese beiden Namen hatte Parker den Zimmerpässen entnommen,