Die Lobensteiner reisen nach Böhmen: Zwölf Novellen und Geschichten. Alfred Doblin

Die Lobensteiner reisen nach Böhmen: Zwölf Novellen und Geschichten - Alfred  Doblin


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an Armand schmiegt. Sie sind in eine Lichtung getreten, ein Reiter kommt aus einem Seitenweg im Galopp auf sie zu, ein Feldgendarm. Sie stäuben auseinander; beim Weglaufen winkt Nini Armand zu, weist, wo sie sich versteckt. Nach einer Viertelstunde knackt es im Buschwerk neben Armand; Nini zieht ihn am Arm: „Tippel, tappel, tippel, tappel,“ kichert sie; sie kommandiert, als sie sich, die Hände voraus, vorsichtig durch das Dickicht drängen: „‚Mann, wie heißen Sie? Wo stehen Sie im Quartier? Wie können Sie sich hier mit einer Weibsperson herumtreiben!‘ Hab’ ich gehört; mit George. Der Unterleutnant hat gesagt: ‚Daß mir keiner eine „Sie“ bei sich hat. Ein Soldat mit ’ner Ziege saust rin.‘ Armand, glauben Sie, daß ich Mut habe?“

      Sie blickte ihn erwartend an.

      „Doch, Nini.“

      Ihr Gesicht leuchtet auf: „Oh! Aber pfui, das reißt ja. Ich war bei George im Schützengraben. Es waren noch andere Fräuleins da. Als der Wachhabende es merkt und mich sucht, versteckt mich George; er will mich verstecken, aber er hat nur eine Kiste da, vorn an der Brustwehr, eine Brotkiste, wissen Sie, so ein langes hohes Ding. In die Kiste bin ich reingesprungen, wie ich war; er hat mich hochgehoben; lieber mich von den Preußen totschießen, als von dem groben Kerl anfassen lassen. Oh, der ist grob. Der weiß gar nicht, was er tut, so wütend ist er immer. Und auf mich hatte er es immer abgesehen, der schlechte Mensch. Denken Sie, Armand — Sie sind mir nicht böse, wenn ich Sie Armand nenne? Sie sind doch heute so nett zu mir. Da bin ich oben zwischen den Steinhaufen in der Kiste gesessen, die hatte vorn ein großes Loch, fast wie ein Kopf groß, von einem Stück Granate, und ich sitze da oben und höre den Wachhabenden schreien und tuen und brüllen, er sucht mich im ganzen Graben. Und George hat immerzu geschossen, oh, der kann schießen, ein Mal hinter dem andern, am fleißigsten von allen; ich hab’ nicht gesehen, wo er hingeschossen hat. Die Preußen haben nichts dazu getan. Ich habe mich auch gar nicht gefürchtet; ich habe immer zugehört, wie George geschossen hat. Er hat mir gesagt, er hätte keinen Preußen an mich herangelassen; zwanzig oder dreißig hat er totgeschossen in einer Stunde, bums, bums, immerzu. Nachher war ich ganz glücklich. Ich geh’ bald wieder zu ihm. Oh, mir gefällt der Krieg.“

      Lichtschein zwischen den Stämmen vor ihnen; er arbeitet sich mit ihr gedankenlos drauf zu; frieren beide nicht. Plötzlich zehn Schritt vor ihnen grell bestrahlter Boden; geöffnete Blendlaterne im Moos, erzählende Männerstimmen. Zwei Posten in weißen Pelzen, Gewehre hingelegt, lachen, treten von Bein auf Bein, schlucken, kauen, was sie aus großem, dampfendem Blechtopf neben der Laterne mit Fingern fischen.

      „Der merkt nichts. Der weiß nicht mal genau, ob er seinen Topf noch hat.“

      „Ein Schaf. Ich kenn’ ihn dafür.“

      „Wer sollte das kriegen?“

      „Na, wer wohl? Na, rat mal! Wer kann wohl ein Huhn kriegen?“

      „Na.“

      „Na, rat mal. Immer derselbe. Immer derselbe dicke Vize; aus dem Lazarett stiehlt er hintenrum, wo er’s kann. Nebenbei schickt er das Schaf auf Suche. Abends sitzt ihm eine gewisse auf dem Schoß.“

      „Pass’ auf, heut kontrolliert er Lazarettposten. Von mir findet er nichts.“

      „Von mir nicht mal ein Knöchelchen; fress’ alles reinweg runter. Er kann schnüffeln.“

      Hocken hinter der Laterne, gießen sich gegenseitig Suppe in zusammengelegte Handteller.

      Jenseits der Lazarettlichter hinten flackert es auf einmal, erlischt oft, es ist Stroh, Männer schütten von einer Erhöhung Bettsäcke ins Feuer. Armand kann sich nicht rühren; langsam hat sich Nini, während er hockt, über seine Knie an seine Brust gedrückt, atmet tief und gleichmäßig.

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