Abgerutscht. Marliese Arold

Abgerutscht - Marliese Arold


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      Inhalt

       Kapitel 1 – Hamburg Hauptbahnhof. …

       Kapitel 2 – Fremde Gesichter, fremde …

       Kapitel 3 – Nina kippte den …

       Kapitel 4 – Jemand stolperte über …

       Kapitel 5 – Lichter zuckten, Bässe …

       Kapitel 6 – Als Nina erwachte, …

       Kapitel 7 – „Wie findest du …

       Kapitel 8 – „Hallo.“ …

       Kapitel 9 – Nina wählte erneut …

       Kapitel 10 – „Dein Jonas scheint …

       Kapitel 11 – Ein Wagen hielt …

       Kapitel 12 – Nina eilte von …

       Kapitel 13 – Nina verbrachte mit …

       Kapitel 14 – Nina war so …

       Kapitel 15 – In der Nacht …

       Kapitel 16 – „Du kannst Brigitte …

      1

      Hamburg Hauptbahnhof.

      Nina angelte ihr Gepäck herunter, schnallte den Rucksack auf den Rücken und wollte das Abteil verlassen.

      Fremde Knie waren im Weg.

      „Kann ich mal vorbei?“

      Der dicke Mann, der die ganze Zeit von Hannover bis Hamburg die Börsenseite studiert hatte, machte höchstens zwei Millimeter Platz. Nina musste sich an ihm vorbeiquetschen. Es gab Hautkontakt, natürlich mit Absicht.

      Zum Ausgleich trat sie ihm fest auf den Fuß.

      Eine halbe Minute später stand Nina draußen auf dem erleuchteten Bahnsteig. Kühle Luft schlug ihr entgegen. Sie atmete erleichtert durch.

      Sie war am Ziel.

      Und was jetzt?

      Erst mal einen Happen essen, entschied sie. Ihr Magen knurrte. Seit dem Frühstück hatte sie nichts mehr zu sich genommen. Sie war viel zu aufgeregt gewesen, um Hunger zu spüren.

      Aber niemand hatte sie erkannt.

      Nirgends war die Polizei eingestiegen, um die Zugabteile nach ihr zu durchsuchen.

      Der Zugführer hatte sie auch nicht per Lautsprecherdurchsage aufgefordert, sich vorne beim Personal zu melden.

      Nichts.

      Dabei hatten die Eltern ihr Verschwinden inzwischen sicher bemerkt. Seit Stunden hätte sie zu Hause sein müssen, wenn sie wie an einem ganz normalen Tag zur Schule gegangen wäre.

      Aber sie war nicht in der Schule gewesen.

      Sie hatte bei Sonja die Klamotten gewechselt, war per Anhalter nach Darmstadt gefahren und hatte dort am Bahnhof eine Fahrkarte gekauft.

      Einmal Hamburg Hauptbahnhof, einfach.

      Jetzt war sie da.

      Hier wollte sie untertauchen und ein neues Leben anfangen. Hier wollte sie überhaupt anfangen zu leben.

      Die Vergangenheit einfach zurücklassen. Raus aus der Enge. Weg von Kontrolle und Zwang. Freiheit.

      Hamburg.

      Nina schaute sich um. Links und rechts von den Bahnsteigen führten Rolltreppen zu Ladenpassagen hinauf. Nina zögerte kurz und schloss sich dann dem Hauptstrom der Reisenden an. Sie entschied sich für eines der vielen Imbissrestaurants und bestellte sich an der Theke eine große Pizzastange und eine Cola. Neben dem Eingang war noch ein kleiner runder Tisch frei. Nina balancierte ihr Tablett dorthin. Verdammtes Gepäck! Es war ihr ständig im Weg. Außer dem Rucksack hatte sie noch zwei Taschen. Darin befand sich alles, was sie zum Leben brauchte. Zusammengerollt und eingeschnürt. Bloß nicht dran denken, was sie hatte zurücklassen müssen, ihren Computer, ihre CDs, den Hauptteil ihrer Klamotten.

      Nina verdrängte die Erinnerung.

      Hier würde sie ganz neu anfangen.

      Sie biss in die Pizzastange. Sie war heiß und so scharf, dass ihr der Magen brannte, aber nach der Cola fühlte sie sich wieder munter. Nina reckte den Hals. Sie musste aufs Klo. Wo gab es hier eine Gelegenheit?

      Ihr fiel ein blonder Mann auf, ungefähr Mitte zwanzig. Er kam durch die Tür und blieb kurz stehen, um sich umzusehen. Ihre Blicke trafen sich und schon steuerte er auf sie zu.

      „Hast du mal zwei Euro für mich? Ich will nach Berlin, aber ich brauch noch zwei Euro, sonst reicht’s nicht für die Fahrkarte …“ Nina sah auf die Geldscheine in seiner Hand, dann auf sein Gesicht. Er war hager, die Wangen leicht eingefallen, die hellen Augen auffallend groß und glänzend.

      Nina fummelte ein Zweieurostück aus ihrer Jackentasche. „Hier.“ Sie wusste, er würde nicht nach Berlin fahren. Er brauchte Geld für seinen nächsten Trip.

      „Danke.“ Er wollte gehen.

      Nina hielt ihn zurück. „Warte. Hast du ’ne Ahnung, wo man pennen kann? Wenigstens diese Nacht?“

      Er stellte keine Fragen. Ob man es ihr ansah, dass sie von zu Hause abgehauen war?

      „Ich frag mal Hughi“, versprach er. „Vielleicht weiß der was. Ich bin gleich wieder da.“

      Nina sah ihm nach, wie er das Restaurant verließ. Na, ob der tatsächlich wiederkam, war fraglich. Wahrscheinlich konnte sie sich die Sache abschminken.

      Sie aß ihre Stange auf und zog dann mit ihrem ganzen Gepäck auf die Damentoilette.

      Verdammt, sie hatte ihre Periode bekommen, zu früh. Auch das noch. Als wäre nicht schon so alles kompliziert genug. Sie wühlte im Seitenfach ihres Rucksacks. Hatte sie dort nicht noch schnell einen Tampon hineingestopft, für alle Fälle?

      Sie fand ihn. Nachdem Nina die Kabine verlassen hatte, verbrachte sie einige Minuten vor dem Spiegel. Sie musterte sich intensiv.

      Große braune Augen, dunkelblondes langes Haar, das ihr locker über die Schultern fiel. Ein schmales Gesicht, eine kleine Nase, ein geschwungener Mund mit vollen Lippen, dahinter makellose Zähne.

      Mit ihrem Aussehen hatte sie nie Probleme gehabt. Sie brauchte dringend einen guten Friseur. Das würde hier in Hamburg sicher nicht schwer sein. Nina hatte alles Geld von ihrem Konto abgehoben. Zusammen mit dem Geburtstagsgeld von ihrer Oma waren es fast fünfhundert Euro. So viel hatte sie noch nie auf einmal in der Tasche gehabt. Ein Teil davon war allerdings schon für die Fahrkarte draufgegangen. Aber fürs Erste würde sie damit über die Runden kommen.

      Nina


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