Rembrandt. Hermann Knackfuss
Rembrandts mit stieren Augen"/>
Abb. 4. Selbstbildnis Rembrandts mit stieren Augen. Radierung. (Auch unter der Bezeichnung „Der Mann mit dem beschnittenen Barett“ bekannt.)
Abb. 5. Kahlköpfiger Mann. Radierung von 1630.
Die ersten bezeichneten Gemälde des jungen Künstlers tragen die Jahreszahl 1627. Das eine derselben, „der Apostel Paulus im Gefängnis,“ befindet sich im Museum zu Stuttgart, das andere, „der Geldwechsler,“ im Museum zu Berlin. Beide Bilder besitzen keine hervorstechenden Reize; es sind glatt gemalte Jugendwerke, die den unbefangenen Beschauer recht kalt lassen; und dennoch kann man in ihnen schon diejenigen Eigenschaften gleichsam keimen sehen, welche Rembrandt später so groß gemacht haben: der tiefe, gedankenvolle Blick des gefangenen Apostels kündigt den zukünftigen Meister des seelischen Ausdruckes an, das kleine Berliner Bild zieht den Beschauer durch die von einer verdeckten Kerze in der Hand des Wechslers ausgehende malerische Helldunkelwirkung an, obgleich diese Wirkung hier noch mehr an die Bilder des Gerhard Honthorst, als an Rembrandts spätere Meisterwerke erinnert. Zwei kleine Gemälde biblischen Inhalts aus dem Jahr 1628, beide mit R H (Rembrandt Harmensz) und daran gehängtem L (als Hinweis auf des Künstlers Vaterstadt Leiden) bezeichnet, sind durch die zu Berlin im Jahre 1883 zu Ehren der silbernen Hochzeit des damaligen Kronprinzenpaares veranstaltete Ausstellung von im Berliner Privatbesitz befindlichen Werken alter Meister weiteren Kreisen bekannt geworden. Das eine, im Besitz Seiner Majestät des Kaisers, stellt Simsons Verrat durch Delila vor, das andere, im Besitz von Herrn Otto Pein, den Apostel Petrus zwischen den Knechten des Hohenpriesters; das letztere ist ein durch Feuer- und Kerzenlicht wirkungsvoll gemachtes Nachtstück. Noch auf einige andere Bilder ist in jüngster Zeit die Aufmerksamkeit gelenkt worden, in denen man Erstlingsarbeiten des jungen Rembrandt erblicken zu dürfen glaubt, namentlich auf einige malerisch beleuchtete Studienköpfe (in Kassel, Gotha und an anderen Orten), die man für Selbstbildnisse des Künstlers hält. Rembrandt hat nämlich während seines ganzen Lebens sich selbst mit Vorliebe zu einem Gegenstand seines Studiums gemacht; mochte er eine Beleuchtung des menschlichen Antlitzes, einen Ausdruck, eine kleidsame Tracht studieren wollen, so fand er in seiner eigenen Person ein stets bereites und williges Modell, das zugleich wegen seiner kräftigen, offenen und ansprechenden Züge und seiner gesunden Farbe ein sehr dankbarer Gegenstand der Darstellung war. Daher die außerordentlich große Anzahl der gemalten und der in Kupfer geätzten Selbstbildnisse, die Rembrandt hinterlassen hat.
Abb. 6. Der Mann mit dem breitkrempigen Hut.
Radierung von 1630.
Das erste mit einer Jahreszahl bezeichnete Werk der Radiernadel Rembrandts, von 1628, macht uns mit der ehrwürdigen Erscheinung seiner Mutter bekannt. Dieses köstliche kleine Brustbild, so sprechend lebenswahr, so geistreich und zugleich so liebevoll hingezeichnet, ist ein vollendetes Meisterwerk, in der Ausführung ebenso unübertrefflich wie in der Auffassung (Abb. 2). Außer in diesem Brustbildchen hat Rembrandt in den ersten Jahren seines Schaffens für die Öffentlichkeit noch mehrmals die eigentümliche Schönheit seiner betagten Mutter in Radierungen festgehalten. Darunter zeichnet sich besonders eines aus (zubenannt „mit dem schwarzen Schleier“), welches die alte Dame von der Seite, vor einem Tische sitzend, zeigt; man kann nur staunen, wenn man sieht, wie lebensvoll hier wieder, bei weiter durchgebildeter malerischer Ausführung, das von zahllosen Runzeln durchfurchte, ausdrucksvolle Gesicht gezeichnet ist, wie wunderbar die verschrumpfte Haut der alten Hände mit den hervortretenden Adern wiedergegeben, wie meisterhaft die Stoffe behandelt sind (Abb. 3).
Abb. 7. Unbärtiger Alter mit hoher Mütze.
Radierung.
Die Art und Weise kennen zu lernen, wie die Seele des Menschen sich in seinem Antlitz spiegelt und wie das Spiel der Gesichtsmuskeln zum Ausdruck der Empfindungen wird, war für Rembrandt von Anfang an ein Gegenstand der eifrigsten Beobachtung. Um das eingehend studieren zu können, setzte er sich mit der Kupferplatte vor den Spiegel und machte sich selbst irgend einen bestimmten Ausdruck vor, den er dann mit der Radiernadel festhielt. So hat er sich lachend gezeichnet, mit verdrießlichem Gesicht, mit verschlossener, finsterer Miene und mit dem Ausdruck starren Entsetzens (Abb. 4); aber auch in der Ruhe seines natürlichen Ausdruckes hat er das von den Sorgen des Lebens noch nicht belastete, jugendheitere Antlitz mit dem ersten sprossenden Barte der Nachwelt durch die Kupferplatte überliefert (Abb. 1). Personen aus seiner Umgebung, die wohl nicht daran dachten, ein Kupferstichbildnis ihrer Person zu bestellen, die aber dem jungen Künstler gutwillig ein paar Stunden still hielten, waren weitere Gegenstände der Übung von Auge und Hand (Abb. 5 und 6).
Abb. 8. Bettler und Bettlerin. Radierung von 1630.
Abb. 9. Die Frau mit der Kürbisflasche. Radierung.
Eine ganze Anzahl von Radierungen legt ferner Zeugnis davon ab, wie Rembrandt sich mit großem Fleiße übte, zufällig Gesehenes mit der denkbar größten Schnelligkeit in wenigen treffenden Strichen festzuhalten oder auch aus dem Gedächtnis wiederzugeben. Ganz besonders reizten ihn Erscheinungen aus den niedersten Volksschichten, die ihren Charakter am unverhülltesten zur Schau trugen und deren zerlumpte Kleidung ebenso wie ihre Häßlichkeit ihm eine eigentümliche Anregung boten, eben weil sie sich so charakteristisch darstellen ließen. Es war der natürliche Widerwille gegen die kalt und leer und dadurch abstoßend gewordene äußerliche Schönheitssucherei der den Italienern nachtretenden Kunst, der sich in dieser Weise – bei Rembrandt nicht zuerst, aber bei ihm vielleicht am kräftigsten – äußerte. Da fielen ihm die verschmitzten Augen eines alten Bettlers mit lächerlich hoher Mütze auf oder ein auf der Straße in langatmigem Gespräch sich unterhaltendes Bettlerpaar und ähnliche lumpige Gestalten, und er bannte sie auf die Kupferplatte; oder es reizte ihn, die Erscheinung eines Bauern festzuhalten, der seine Verschlagenheit hinter einer unglaublich dummen Miene verbirgt (Abb. 7, 8, 9, 12, 13). – Aber auch zur Niederschrift von Kompositionen, in denen der jugendliche Schaffensdrang sich Luft machte, wurde die Radiernadel benutzt (Abb. 16).
Abb. 10. Der Mann mit der Pelzmütze. Radierung von 1631.
Abb. 11. Bildnis eines alten Mannes, um 1631 gemalter Studienkopf. In der königl. Gemäldegalerie zu Kassel.
(Nach einer Photographie