Geschichte der Englischen Sprache und Literatur. Ottomar Behnsch

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Essex zu gründen, welches nebst Middlesex nur dadurch bedeutung erhielt, dass die alte römische hauptstadt Camulodunum (Colchester) und die aufblühende handelsstadt London in dessen bereiche lagen. Wahrscheinlich ist es, dass die Herrschaft der Sachsen an diesem theile der brittischen küste, welche schon längst als litus saxonicum bekannt war, nur durch frische ankömmlinge vom festlande neu gekräftigt wurde.

      Von den ersten niederlassungen der Angeln erfahren wir durch die sächsische chronik nur wenig, weil sie wahrscheinlich schon längst vor der gründung der späteren sächsischen königreiche bestanden. Die chronik erzählt nur, dass im jahre 547 Ida in Northumberland zu regieren begann und eine stadt baute, welche er zu ehren seiner frau Bebba Bebbanbyrig (Bamborough) nannte. So viel steht nach dieser quelle fest, dass die küste nördlich von Essex mit Angeln besetzt war, welche sich nach ihrer lage in das Northfolk und Southfolk schieden. Die macht dieser Angeln, von denen Nennius sagt, dass sie ihr heimathsland gänzlich (absque habitatore) verlassen hätten, was Beda (I, 15) bekräftigt, dehnte sich über Cambridgeshire und Lincolnshire aus und umfasste bald das herz von England bis an die grenze von Wales, wo sie die Westsachsen nach süden zurückdrängten. In Mittelengland nahmen die Angeln den namen Mercier an, und ihr königreich erhielt den namen Mercia.32

      Weil die Angeln die frühesten und zahlreichsten germanischen ansiedler waren, welche den grössten theil Britannien’s besetzten, wurde dieses land fremden schriftstellern als Anglorum terra, oder Anglia bekannt, ja die Sachsen selbst im süden Britannien’s hiessen das gesammte land nicht Seaxe-land, sondern Engla-land (England), und Athelbert von Kent, als er die ersten christlichen sendboten im jahre 597 empfing, sagte ihnen, er könne die alte weise der gottesverehrung, „welche wir lange zeit mit allem Angelvolk hielten, the we langere tide mid ealle Angel theode heoldan“ (Alfred’s übersetzung des Beda) nicht verlassen. Die sprache aller germanischen bewohner der insel empfing den namen Englisc (Englisch), so wie diese selbst nach dem verschwinden der alten stammbenennungen sich Englishmen nennen.

      Trotzdem aber die stämme der Angeln die zahlreicheren und eine zeit lang die mächtigeren waren, erkämpften doch die Sachsen und unter diesen wiederum die Westsachsen allmälig die herrschaft über das gesammte England, welche 827 unter Egbert mit der Unterwerfung von Mercia und Northumberland und der 828 erfolgenden besiegung von Wales gesichert zu sein schien, als ein neuer feind, die Dänen, die kaum erworbene macht wieder zu zersplittern drohte. Egbert, welcher 836 starb, sein sohn Athelwolf und nachfolger Athelbald, Athelbert, Athelred und Alfred der grosse mussten gegen die Dänen kämpfen, welche seit 787 an den englischen küsten erschienen und besonders den nördlichen theil des landes, wo sich die Angeln angesiedelt hatten, zu ihrem ablagerungsplatze erwählten und von hier aus mit abwechselndem glücke herrschten, bis Alfred der grosse sie besiegte.

      Es ist nicht anzunehmen, dass die Dänen bedeutenden einfluss auf die angelsächsische sprache ausgeübt haben, indem damals ihre sprache nicht sehr von der ihrer ehemaligen nachbarn, der Angeln, verschieden gewesen sein mag. Alfred befindet sich nach der alten legende als harfner unerkannt im dänischen lager. In dem heutigen Englisch, namentlich in dem dialekte der nördlichen grafschaften, finden sich jedoch noch mehrere spuren skandinavischer wörter. Der name der Stadt Whitby (hwitbye, weissstadt), welche angelsächsisch Streoneshalh hiess, ist dänisch. Skandinavischen ursprungs sind wörter wie braid, elding, force (Wasserfall), gar, gill, greit (weinen), lag, etc.

      Nach Alfred’s tode im jahre 901 herrschten die Westsachsen besonders glücklich unter Athelstan 924 bis 941, welcher eine zeit lang herr von ganz Britannien war, noch bis 1016, wo Cnut, ein Däne, könig von England wurde. Er und seine zwei söhne Harold und Hardicnut regierten 26 jahre bis 1042, we die Sachsen unter Eduard dem bekenner die herrschaft wieder erlangten und sie bis zum jahre 1066 behaupteten, bis Harold II. von Wilhelm, dem herzoge der Normandie, unter dem namen des eroberers bekannt, besiegt wurde und in der schlacht bei Hastings die krone zugleich mit dem leben verlor.

      Die germanischen ankömmlinge, welche unter verschiedenen führern in dieser zeit nach England kamen, liessen sich hauptsächlich auf dem lande nieder, wo sie als vasallen und heergefolge in demselben verhältnis zu ihren vielen kleinen häuptlingen und fürsten lebten, als in ihrer ursprünglichen heimath. Sie wurden die herren des bodens, während die alte römisch-brittische bevölkerung des landes als ackerbauer und arbeiter sich in dem verhältniss der unterthanen und leibeigenen befand. Während die Sachsen und Angeln in dieser weise das land besetzten, blieben die städte, obwohl sie den germanischen königen, in deren gebiet sie lagen, abgabenpflichtig wurden und auch eine überwiegend germanische bevölkerung erhielten, im besitz ihrer altrömischen Verfassungen und grösstentheils auch ihrer freiheit und corporativen unabhängigkeit. Die städte vertheidigen noch immer, wie zur römerzeit, ihr eigenes gebiet selbst gegen die sächsischen und gegen die dänischen könige, sie schliessen mit ihnen und sogar später mit dem normannischen eroberer verträge zur sicherstellung ihrer freiheiten und rechte. Vorzüglich aber war es London, dessen bürgerliche macht und selbstständigkeit von den verschiedenen eroberen Britannien’s nicht vernichtet wurde, sondern den mehrmaligen wechsel der macht ertrug. London, welches von den dänischen königen zur residenz gemacht wurde, blieb lange jahre ein kleiner staat im reiche und hat manche alte vorrechte bis auf die heutige zeit durch alle fährlichkeiten hindurchgetragen. Die neueren von den Sachsen erbauten städte, welche theils an den könig, theils an geistliche und weltliche würdenträger abgabenpflichtig wurden, folgten in ihrer verfassung dem beispiele ihrer älteren schwestern und erhielten ähnliche privilegien, so dass auch sie, wie jene, im stande waren, die träger und vermittler der alten kultur während der rohen und blutigen zeit des mittelalters zu werden.

      Das christenthum wurde im jahre 597 auf veranlassung des papstes Gregor von vierzig mönchen unter führung Augustin’s zuerst in Kent öffentlich gepredigt und eingeführt, nachdem der fränkische bischof Liudhard schon vorher Berta, die tochter Charibert’s, des christlichen königs der Franken, zu ihrem gatten Athelbert, dem könige von Kent, begleitet und in der nähe von Canterbury in einer kleinen, dem heiligen Martinus geweihten kapelle die mysterien des christenthums verwaltet hatte. Die römischen mönche zogen in feierlicher procession nach Canterbury, wo sie sich niederliessen, und Augustin später zum ersten bischof erwählt wurde. Papst Gregor sendete mehrere kostbare bücher33 an Augustin, mit denen so wie und mit der gleichzeitigen ausbreitung des christenthums für England eine neue zeit der cultur beginnt, und die grundlage derjenigen religiösen und geistigen bildung gelegt wird, auf welcher die ganze englische literatur, vielleicht nur mit ausnahme eines einzigen grösseren, noch aus der heidnischen zeit stammenden epos im laufe der jahrhunderte aufgerichtet worden ist. Von Kent breitete sich das christenthum allmälig weiter aus, besonders durch die predigt des Paulinus um 625 in Northumberland, wo Edwin, könig von Deira, Athelburga, die tochter des kentischen königs Athelbert geheirathet hatte. Northumberland, damals der mächtigste Staat in England, erhob sich durch die einführuug des evangeliums zugleich zum hauptsitze der gelehrsamkeit der Angelsachsen bis zur mitte des achten jahrhunderts. Das volk von Sussex jedoch hing noch im jahre 681 an seinen alten religionsgebräuchen, und auch in London fanden nach dem tode des von Athelbert zum bischofe bestimmten Melitus rückfälle vom christenthume statt.

       Während die sächsischen und anglischen stämme von osten und süden in Britannien vordrangen und unter dem namen der Sachsen (Sassanach) den Kelten furchtbare feinde wurden, befestigten sich diese im norden und westen und machten versuche zur staatenbildung. Die hauptsächlichsten dieser keltischen stämme waren die Cumbern im norden, die Cymry (von den Sachsen Wealas, Welsche, nicht deutsch sprechende genannt) in Wales und die Cornen (Cornwealas) in Cornwall. Die cumbrischen Kelten, wahrscheinlich die alten Caledonier, besassen zwei alte römische städte: Luguballium in der nähe der mauer Hadrian’s, welches sie Caer- (Castrum) Luel (Caerleol, Carlisle) hiessen, und Tamea oder Theodosia am Clyde, welches von ihnen nach seiner lage Al-cluyd (die höhe am Clyde), von ihren nachbarn, den irischen Scoten aber Dun-Breton (Dumbarton), Brittenburg, genannt wurde. Carlisle ist in der brittischen sage als lieblingsaufenthalt des königs Arthur berühmt. Die Cymren in Wales und die Cornen in Cornwall, welche früher von der römischen stadt Isca (Exanceaster, Exeter) im zaume gehalten wurden, nahmen besitz von den alten, wahrscheinlich von ihnen zertrümmerten städten Maridunum (Caer-Marddyn, Caermarthen), Segontium (Caer-Sciont), Venta (Caer-went), Nidiun (Neath). Dem silurischen Isca, wo lange zeit das hauptquartier der II. legion


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