Die Kraft der Pferd-Mensch-Beziehung. Peter Daxer

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      In der heutigen Zeit darf das Pferd einfach nur Freizeitpartner des Menschen sein.

      „ Nur wer sich auf den Weg macht, wird neues Land entdecken.

       (Hugo von Hofmannsthal)

      Die Beziehung von Pferd und Mensch besteht seit Jahrtausenden. Und sie hat unsere Geschichte, ja fast alle Lebensbereiche geprägt wie keine andere Mensch-Tier-Beziehung. Profitiert hat davon in erster Linie jedoch der Mensch. Das Pferd gab ihm Kraft für die Arbeit auf dem Feld, zog für ihn große Lasten, es machte ihn schnell und es machte ihn mächtig, es inspirierte ihn zu sportlichen und künstlerischen Höchstleistungen. Im Gegenzug gewährte der Mensch seinem vierbeinigen Begleiter Obdach, Nahrung und Fürsorge – und auch das nicht immer im ausreichenden Maß. Und der Preis dafür war für das Pferd hoch: Seine Zähmung und die Einpassung in die Lebenswelt des Menschen bedeutete nicht nur den Verlust der Freiheit. Für viele Pferde hieß das auch ein Leben in Mühsal und Qual, das oft genug mit einem grausamen Tod endete, etwa als Kriegspferd auf dem Schlachtfeld.

      Diese Zeiten sind gottlob vorbei. Heute ist das Pferd ein Freizeitpartner, ein Kamerad, der uns durch unser Leben begleitet. Erstmals in der langen Beziehungsgeschichte von Mensch und Pferd muss sich dieses sein Dasein an unserer Seite nicht durch harte Arbeit verdienen – es darf einfach nur Pferd sein. Das ist eine ungeahnte Möglichkeit, die Beziehung von Mensch und Pferd neu zu gestalten, fairer, gemeinschaftlicher und so, dass beide als Partner aneinander wachsen, gemeinsam stark werden. Es ist gewissermaßen ein Weg zur beidseitigen Heilung. Dadurch, dass wir das Pferd wieder mehr Pferd sein lassen, geben wir ihm einen Teil seiner Freiheit zurück, die ihm unsere Vorfahren nahmen, als sie es zähmten. Indem wir lernen, die individuellen Eigenheiten unserer Pferde zu akzeptieren, sie zu deuten und mit ihnen umzugehen, kommen wir zu einem faireren Umgang mit dem Pferd. Und helfen uns damit letztlich selbst. Denn die Reaktionen des Pferdes sind Spiegel unserer inneren Befindlichkeiten. Es zeigt uns glasklar auf, wie es um uns steht – ob wir gestresst sind, ob wir uns im Berufsalltag nicht durchsetzen können, Probleme haben, Bindungen mit anderen Menschen einzugehen, und vieles mehr. Was für eine Chance! Denn das Pferd zeigt uns, wo wir klarer werden müssen, wo weniger Druck nötig ist und wo wir uns ganz entspannt zurücklehnen dürfen. Davon profitiert nicht nur die Beziehung zum Pferd, sondern auch unsere eigene Persönlichkeit. Wir werden gemeinsam stark.

      Pferd und Mensch

      kurze Geschichte einer langen Beziehung

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      Im steilen Gelände, wo Maschinen nicht eingesetzt werden können, ist das Pferd noch immer der Partner bei der Arbeit, so wie hier beim Holzrücken.

      „ Der Atem ist das Pferd, der Gedanke der Reiter.

       (Sprichwort aus Tibet)

      Diese Beziehung prägte die Lebenswelt des Menschen noch bis vor wenigen Generationen, ja teilweise bis vor wenigen Jahrzehnten. Das Pferd war in vielerlei Hinsicht das Maß aller Dinge.

      Pferd und Mensch waren seit der Domestizierung des Pferdes eng miteinander verbunden. Es diente dem Menschen von der Funktion als Zug- und Lasttier bis zur Versorgung mit Pferdefleisch als wertvoller Begleiter. Erst im vorigen Jahrhundert rückte die Bedeutung des Pferdes als Freizeitpartner in den Vordergrund.

       Es versorgte die Menschen:

      1. mit Energie in Form von Arbeitskraft (als Zug- und Lasttier)4 und – auch das gehört zu dieser bemerkenswerten Beziehung zwischen dem Jäger Mensch und dem Fluchttier Pferd – in Form von Pferdefleisch;

      2. mit Geschwindigkeit. Als „Tempomaschine“, so Raulff, war es unübertroffen, bis die Eisenbahn es im 19. Jahrhundert Stück für Stück überrundete.

      Das Pferd als Lieferant von Mobilität und Geschwindigkeit änderte den gesamten Verlauf der Menschheitsgeschichte. Es machte aus Fußgängern Reiter, und wer einer war, stand lange Zeit als Krieger über allen anderen an der Spitze einer Gesellschaftspyramide, die es so vorher gar nicht gegeben hatte. Die mittelalterliche Feudalordnung mit ihren gepanzerten Rittern an der Spitze und der Masse der Bauern, wer wen versorgen musste, wäre ohne das Pferd gar nicht denkbar. Ebenso wenig der Aufstieg nomadischer Völker aus den zentralasiatischen Steppen zu bestimmenden Faktoren der Weltgeschichte: Seit der Antike brachen sie als hochmobile Reitervölker in immer neuen Wellen über lange bestehende Staaten sesshafter Völker in Asien, Indien und Europa herein. Manche wurden selbst sesshaft wie die Ungarn. Andere klaubten Riesenreiche zusammen, die noch Jahrhunderte später bestehen sollten, wie die Mongolen, wieder andere verschwanden so schnell im Dunkel der Geschichte, wie sie gekommen waren, wie etwa die Hunnen.


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