Entdeckertouren Allgäu. Gerald Schwabe
Süden bilden die Berge die ständig präsente, beeindruckende Kulisse. Eine sehr abwechslungsreiche Region mit einem reichhaltigen Angebot für Radler, Naturliebhaber und Wanderer.
Kleinwalsertal
Kaum ein Allgäu-Wanderführer kommt ohne das Kleinwalsertal aus, das direkt vor den Toren von Oberstdorf beginnt. Denn obwohl es zu Österreich gehört, bildet es geografisch und touristisch eher eine Einheit mit dem Allgäu. Da die hohen Gipfel ringsherum eine Verkehrserschließung nach Österreich unmöglich machen, ist das Tal nur über das Allgäu zu erreichen. Mit einer Länge von ca. 16 Kilometern und einer Breite von bis zu 7 Kilometern ist es sehr viel offener und siedlungsfreundlicher als seine Nachbarn Stillach- und Trettachtal. Im 13. Jahrhundert durch die namensgebenden Einwanderer aus dem Schweizer Wallis besiedelt, finden sich im Tal heute vier kleine Siedlungen, die den Lebensraum für etwa 5000 Menschen bilden. Das Kleinwalsertal lebt fast ausschließlich vom Fremdenverkehr und ist Österreichs drittgrößte Touristendestination mit schier unbegrenzten Wandermöglichkeiten auf engstem Raum: Markante Gipfel wie Widderstein und Hoher Ifen, die Karsthochfläche des Gottesackerplateaus, aussichtsreiche Grate am Fellhorn und Walmendinger Horn sowie eine Handvoll weiterer, kleiner Nebentäler zum Entdecken.
Das Tannheimer Tal
Auch das Tannheimer Tal darf nicht fehlen: Seine hohen Gipfel sind für Ostallgäu-Besucher ständig präsent, und von Pfronten – wie auch vom Oberallgäuer Bad Hindelang – sind es nur wenige Kilometer hinein ins Tal mit seinem großartigen Wanderangebot. Das Tannheimer Tal gehört zu Tirol, ist etwa 15 Kilometer lang und verläuft in rund 1100 Metern Meereshöhe in Ost-West-Richtung zwischen dem Gaichtpass (hinüber zum Lechtal), dem Oberjoch (zum Ostrachtal im Oberallgäu) und dem Ostallgäu im Norden. Gespickt mit einigen kleineren Orten hat sich das Tal voll und ganz dem Tourismus verschrieben und bietet auf engstem Raum fast alles, was Urlauberherzen höherschlagen lässt. Dominiert wird es von den mächtigen Gipfeln der Tannheimer Berge, helle Kalkgipfel mit unzähligen Touren sowohl für Wanderer als auch für Kletterer. Problemlos kann man hier eine ganze Wanderwoche verbringen, so vielfältig sind die Touren: großartige Panoramawege, fantastische Aussichtsgipfel, aussichtsreiche Kammwege oder entspannte Touren durch die weiten Wiesen im Tal und entlang der Ufer eines der vielen Bergseen …
Almwirtschaft
Skeptische Milchtrinker und Joghurtesser werden sicherlich schon längst den Verdacht haben, dass die auf den Lebensmittelverpackungen abgedruckten Bilder von glücklichen Kühen auf unendlichen, grünen Wiesen wenig mit der tatsächlichen Viehwirtschaft in Deutschland gemein haben – bis man Urlaub im Allgäu macht und sich auf der Terrasse einer urigen Almhütte wiederfindet, umgeben von bunten Blumenwiesen und begleitet vom Glockengeläut einer nebenan genüsslich saftiges Gras mampfenden Viehherde! Manch vermeintlich kitschige Almidylle ist hier Realität, und zwar nicht als Touristenattraktion, sondern als gelebte, bäuerliche Wirklichkeit.
Trotzdem hat sich natürlich auch im Allgäu die Landwirtschaft im Lauf der letzten Jahrzehnte stark verändert, viele Landwirte haben ihren Hof aufgegeben, andere haben aus ihren kleinen Familienbetrieben moderne Unternehmen mit Hunderten von Rindern gemacht. Und die meisten Rinder stehen auch im Allgäu im Stall und nicht auf einem Berggipfel. Tatsache ist allerdings auch, dass die Almwirtschaft noch immer sehr lebendig und aus dem Allgäu nicht wegzudenken ist. Diese Form der Landnutzung hat seit ihren Ursprüngen, die bis weit ins Mittelalter zurückreichen, im Alpenraum eine der ältesten Kulturlandschaften Deutschlands geschaffen. Und vielen Wanderern mag beim Genuss der weiten Ausblicke und freien Wiesen oben auf den Gipfeln und den Höhenwegen gar nicht bewusst sein, dass die meisten Berge bis zur natürlichen Waldgrenze, die mancherorts bis über 1800 Höhenmeter reicht, komplett mit dichtem Wald bedeckt wären, hätten die Bauern nicht in mühevoller Arbeit den Wald in Weideflächen umgewandelt; und quasi nebenbei eine für uns heute so ansprechende offene und abwechslungsreiche Urlaubslandschaft geschaffen.
Gemütliche Einkehr am Sonthofer Hof, TOUR 14
Dabei war ein Überleben der Almwirtschaft im deutschen Alpenraum durchaus nicht gesichert, denn bei allem Klischee handelt es sich um harte Arbeit. Zwar gab es regionale Unterschiede, doch bis in die 1970er-Jahre nahm die Zahl der Almen – bzw. Alpen, wie sie im Allgäu heißen – stetig ab. Und noch immer trifft man gelegentlich beim Wandern auf einsame Lichtungen mit kläglichen Mauerresten ehemaliger, vor langer Zeit aufgegebener Alphütten. Die Wende brachten großzügige finanzielle Unterstützungen für Hirten und Almbauern sowie ein massiver Ausbau des Wegenetzes, sodass heute praktisch jede Hütte – von wenigen Ausnahmen abgesehen – auf einer Fahrstraße erreichbar ist. Zudem ist die Zahl der Sennalpen, also Hütten mit Milchvieh und Käseherstellung, stark zurückgegangen zugunsten von pflegeleichterem Jungvieh. Und ein gesteigertes ökologisches Bewusstsein tat ein Übriges. In den letzten 40 Jahren hat sich der Bestand stabilisiert, sodass es heute im gesamten Allgäu wieder fast 700 Alphütten mit gut 30.000 vierbeinigen Sommergästen gibt. Fast die Hälfte der Allgäuer Gebirgsflächen wird almwirtschaftlich genutzt, im Extremfall bis in Höhen von 2300 Meter wie am Linkerskopf oder Rauheck mit den steilen Wiesenhängen. Das Oberallgäu ist zahlenmäßig bayernweit führend, auch dank der vielen etwas niedrigeren und sehr almfreundlichen Berge am Alpenrand. Allein im Gemeindegebiet von Oberstaufen befinden sich 155 Alpen.
Weit über die Grenzen des Allgäus hinaus bekannt sind auch die Viehscheide, die im September in vielen Orten stattfinden. Nach gut 100 Tagen auf den Bergen werden die herausgeputzten Rinder unter großem Getöse unzähliger Schellen von nicht weniger herausgeputzten Hirten ins Tal gebracht und auf den »Viehscheidplätzen« an ihre Besitzer verteilt. Zwar hat auch hier der (Massen-)Tourismus Einzug gehalten und aus dieser Tradition in einigen Orten ein fast partyähnliches Event gemacht, zu dem Besucher aus großer Entfernung in zahllosen Bussen herangekarrt werden, aber nichtsdestotrotz ist dieser Tag für alle beteiligten Einheimischen seit jeher ein großes Dorffest. Bleibt abschließend festzustellen: Die Almwirtschaft gehört zum Allgäu, und so wie es aussieht, bleibt sie der Region auch auf absehbare Zeit erhalten. Und sorgt weiterhin nicht nur für viele entspannte, freie Bergwiesen genießende Rinder, sondern auch für den Erhalt der Allgäuer Berg- und Erholungslandschaft mit ihrem attraktiven Mosaik aus Alpwiesen und Bergwäldern.
Das Naturfreundehaus am Gschwender Horn, TOUR 7
Anreise
… mit dem Auto Aus dem Norden ist das Allgäu per Auto gut erreichbar. Die A7 führt direkt bis Füssen im Ostallgäu, im Oberallgäu schließt sich an die A7 bis Kempten die vierspurig ausgebaute B19 bis Sonthofen an. Auf den 12 Kilometern von dort bis Oberstdorf sowie weiter ins Kleinwalsertal kann es – insbesondere an schönen Wochenenden, wenn sich zu den quartierwechselnden Urlaubsgästen noch unzählige Tagesgäste gesellen – durchaus mal etwas zäher zugehen. Und aus allen anderen Richtungen (Bodenseeregion oder Oberbayern) sind die Straßen etwas kurviger.
… mit der Bahn Oberstdorf bzw. Füssen werden in der Regel stündl. angefahren. Ab München dauert es ca. 2 Stunden (Oberstdorf) bzw. 2.30 Stunden (Füssen), ab Stuttgart 3 Stunden (Oberstdorf) bzw. 4 Stunden (Füssen). Die Bahn bietet fast täglich je eine direkte IC-Verbindung von Hamburg sowie Köln/Dortmund an.
Mobil vor Ort
ÖPNV Das Nahverkehrsnetz in der Region ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. Die Verbindungen im Kleinwalsertal sind perfekt (Busse von Oberstdorf bis Baad alle 10 bis 20 Min.), auch vom Ferienstandort