Ach, das liebe Geld!. Franziska zu Reventlow

Ach, das liebe Geld! - Franziska zu Reventlow


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versäumten wir irgendwelche abendlichen Duschen und der Professor bemerkte am nächsten Morgen etwas ironisch, meine Menschenscheu scheine sich ja auffallend zu bessern. Trotzdem setzen wir unsere Spaziergänge fort und ich sehe, dass es dem Jungen gut anschlägt. Dann ist da ein blonder Landwirt, der behauptet, er sei schon von Jugend an Melancholiker – in lichten Momenten schwärmt er von einer Reise um die Welt, die ihn vielleicht auf frohere Gedanken bringen könne, unter andrem möchte er gerne die kalifornische Schweinezucht aus eigener Anschauung kennen lernen. – Ferner eine dicke Baumeisterswitwe, die nervenkrank geworden ist, weil ihr Mann Bankerott gemacht und sich dann erschossen hat. Sie hat uns die Geschichte gewiss schon fünf-, sechsmal mit allen Details vorgetragen, und man hat aufrichtiges Mitgefühl. Mehr als alles andere, mehr als Tod und Bankerott ist es ihr nachgegangen, dass in einer Zeitung gesagt wurde, ihr Mann sei ein »unverbesserlicher Baulöwe« gewesen und habe sich damit zugrunde gerichtet. Über diese Beschimpfung kann sie absolut nicht wegkommen.

      Ja und so weiter. Du siehst, es ist keine besonders lustige Umgebung – aber wenn man so dazwischen sitzt, gibt sie einem doch allerhand zu denken.

      Nach meinem Gefühl wären fast alle Psychosen in erster Linie mit Geld zu heilen. Hätte der rebellische Pfarrerssohn Geld, so brauchte er weder zu seiner Familie zurück noch eine neue Weltanschauung, sondern würde sich nach Herzenslust amüsieren und, da schon ein Glas Wein und ein bisschen Geschwätz ihn wieder aufleben lässt, bald geheilt sein. – Der Landmann könnte um die Welt reisen und über den Wundern der kalifornischen Schweinezucht seinen Trübsinn vergessen. Auch die Witwe möchte sich sicher über den unverbesserlichen Baulöwen trösten, wenn er ihr ein anständiges Vermögen hinterlassen hätte. Aber das sieht wohl kein Nervenarzt ein, und es nützt ja auch nichts, wenn er es einsähe. Man kann nicht von ihm verlangen, dass er seine Patienten auch noch finanziert.

      Mein Tischnachbar, der Privatdozent Lukas, ist Gott sei Dank nur überarbeitet. Ich unterhalte mich gern mit ihm, nur ist er mir zu sehr Reformmann und hat extravagante Ideen über die Erwerbsfähigkeit der Frau – er ist Nationalökonom. Gegenüber sitzt eine Medizinstudentin, die ihm natürlich sekundiert, ihr Steckenpferd ist das weibliche Gehirn, das trotz irgendwelcher Unterschiede ebenso brauchbar sein soll wie das männliche. Über dieses Gehirn wären wir neulich beinah hart aneinandergekommen. Das verblendete Mädchen trat aufs Lebhafteste dafür ein, dass möglichst viele Frauen sich den wissenschaftlichen Berufen zuwenden sollten und dabei bessere Chancen hätten als in anderen. Dr. Lukas hielt das Erwerbsleben für noch geeigneter, und ich meinte aus tiefster Überzeugung, dass wir überhaupt zu keiner ernstlichen Tätigkeit taugten, nicht einmal zum Schneidern und Kochen, denn jeder Schneider oder Koch macht es immer noch besser. Und die so genannte geistige Arbeit ist vollends ruinös und schrecklich. (Ich war den Tag gerade schlechter Laune, und es tat mir wohl, meinen Empfindungen freien Lauf zu lassen, um so mehr, wenn ich jemanden damit ärgern konnte.) Die Medizinerin setzte ihren Zwicker auf und sah mich fast erschrocken an:

      »Aber Sie sind doch selbst Schriftstellerin ...«

      Ach Barmherzigkeit, wie kommt sie zu dieser Kenntnis? Du weißt ja, Maria, ich kann das nun einmal nicht vertragen und habe gegen das bloße Wort eine förmliche Idiosynkrasie. So fuhr ich denn auch diesmal auf wie von sechs Taranteln gestochen und sagte: Nein, ich sei gar nichts. Aber ich müsse hier und da Geld verdienen, und dann schriebe ich eben, weil ich nichts anderes gelernt hätte. Gerade wie die Arbeitslosen im Winter Schnee schaufeln – sie sollte nur einen davon fragen, ob er sich mit dieser Tätigkeit identifizieren und sein Leben lang mit: »Ah, Sie sind Schneeschaufler« angeödet werden möchte.

      Das verstand sie nicht und sagte etwas von der Befriedigung, die alles geistige Schaffen gewähre.

      »Nein, die kenne ich nicht, aber ich habe manchmal davon gehört«, wagte ich hier zu bemerken, »was mich selbst in solchen Fällen aufrecht erhält, ist ausschließlich der Gedanke an das Honorar.«

      Daraufhin ließ sie mich, nicht aber das weibliche Gehirn fallen und behauptete, immerhin müsse doch auch meines so organisiert sein, dass ich etwas damit leisten könne. »Aber ganz im Gegenteil, es leidet unendlich darunter. Es gibt doch so etwas wie Gehirnwindungen, und ich fühle tatsächlich bei jeder geistigen Anstrengung, wie mein Gehirn sich darunter windet. Nein – ich glaube unbedingt an den Schwachsinn des Weibes, und zwar aus eigener schmerzlicher Erfahrung. Seien wir nur ehrlich, liebes Fräulein Doktor«, fügte ich versöhnlich hinzu, »wenn unsere Gehirne wirklich so viel taugten, wären wir doch alle beide nicht hier.«

      Das aber nahm sie sehr übel und beteuerte, ihr Nervenleiden beruhe nur auf erblicher Belastung.

      4

      Du – ich fange an, wieder an Wunder zu glauben. Lache nur nicht, man findet ja im Lauf der Zeit manchen alten Glauben wieder, zum Beispiel den an ein zweites Leben, in dem man entweder Geld haben oder keines mehr brauchen wird. Ja, ich könnte mich sogar mit dem Tod aussöhnen, der mir früher so unsympathisch war – denn, selbst wenn nichts anderes mehr käme, so wird’s doch wenigstens keine Gläubiger und keine Rechnungen mehr geben. Wie gut, dass man nicht fromm ist, sonst würde ich mir vorstellen, die ewige Verdammnis bestände darin, dass sie einen auch dorthin verfolgen.

      Also eure Gebete sind sichtlich erhört worden, lass dir nur erzählen. Vorgestern ging ich wieder einmal mit dem Atheisten und der Baulöwenwitwe, die sich uns manchmal anschließt, ins Dorf hinunter. Wir haben aus lauter Verzweiflung angefangen dort nachmittags Kegel zu schieben. Alle drei fühlten wir uns etwas unglücklich und jammerten rechtschaffen über unser elendes Dasein und über unsere Nerven. Als wir dann zwischen dem Kegeln eine Erholungspause machten, sah ich im Wirtsgarten einen Herrn sitzen, der mir merkwürdig bekannt vorkam. Ja nun, es war tatsächlich Henry – wir hatten uns jahrelang nicht gesehen und ich war sehr überrascht, ihn so unverändert wiederzufinden. Damals, als er nach drüben ging, dachten alle, er würde Karriere machen, als Millionär im Bauch und Berlocken wiederkommen und uns alle finanzieren. Als er dann nie mehr schrieb, gab man ihn wehmütig auf. Aber er ist wieder da, ist immer noch derselbe, gründet immer noch, es geht auch immer noch schief, und dann hat er gleich wieder eine neue und fabelhafte Chance an der Hand.

      Sein Erstaunen, mich hier mit den beiden beim Kegelschieben zu finden, war ebenso groß wie meines und wuchs noch, als ich ihm erzählte, dass wir droben in das Sanatorium gehörten. Wohl über übel musste ich dann die anderen an den Tisch holen. Es ging auch ganz gut, die Witwe schloss ihn gleich ins Herz und erzählte von ihrem Baulöwen. Henry überlegte sofort, wie man die Gläubiger überlisten und das verkrachte Vermögen retten könne. Später gingen die anderen voran, um ihre Abendbehandlung nicht zu versäumen, ich blieb noch eine Weile und ließ mir erzählen. Er ist hergekommen, um Terrains für eine Fabrik anzukaufen und will noch eine Weile bleiben, weil ihm der Ort gefällt und er dringend etwas Erholung braucht. Im Laufe des Gesprächs fiel mir auf, dass er sich doch verändert hat, er ist schweigsamer geworden, und manchmal schaut er so merkwürdig vor sich hin in die Luft und sein Blick wird ganz starr.

      »Woran denkst du denn, Henry?«

      »Ich rechne.«

      »Immer?«

      »Immer.«

      »Dann hast du auch einen Geldkomplex.«

      »Was hab’ ich ?« – er wusste nur von Häuserkomplexen, Baukomplexen, Terrainkomplexen. Ich erklärte es ihm, so gut ich konnte und fürchtete beinahe, er möchte es übel nehmen, aber er stürzte sich förmlich darauf wie auf eine neue Spekulation. Vielleicht berührte es ihn auch wie ein heimatlicher Klang, eben weil er beständig mit seinen Käufer-, Bau- usw. Komplexen zu tun hat. Aber dieser Mann hat viel mehr Illusionsfähigkeit als ich, er fand die Möglichkeit einer Heilung durch Analyse ganz einleuchtend und will meinen Freudianer unbedingt kennen lernen, sobald er kommt. Das ist mir ganz recht, so kann ich mich vielleicht um die Behandlung drücken, zu der ich schon längst keine Lust mehr habe.

      An dem Abend verspätete ich mich arg, und der Professor machte mir einen richtigen Krach. Er hat von unseren Ausflügen Wind bekommen, warf mir vor, dass ich den Atheisten zum Weintrinken verführt habe, auch die Witwe sei heute Abend ganz außer Rand und Band, und meine eigene Behandlung lasse ich überhaupt völlig außer Acht.

      Ach,


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