Ach, das liebe Geld!. Franziska zu Reventlow

Ach, das liebe Geld! - Franziska zu Reventlow


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nichts fehle und man mich um Gottes willen in Ruhe lassen solle. Es ist wirklich hart genug, sich auf Schlaflosigkeit und dergleichen behandeln zu lassen, wenn man einen so gesunden Schlaf hat wie ich, und überhaupt ...

      Aber seit der letzten wirtschaftlichen Krisis bin ich völlig charakterlos geworden, ich habe nicht mehr den Mut, den Ast abzusägen, auf dem ich sitze ... das wohl bekannte Gefühl, wenn er plötzlich kracht und man drunten liegt ... nein, das kann ich nicht mehr. Jedes Mal, wenn ich aufbegehren möchte, sehe ich wieder wie in einer Vision den Professor als Gläubiger vor mir und werde sanft wie ein Lamm.

      Die Kegelausflüge haben wir also aufgeben müssen, dafür habe ich Henry bewogen, als Neurastheniker ebenfalls in das Sanatorium zu ziehen. Er findet sich ganz gut hinein und man macht sich gegenseitig das Leben so angenehm wie möglich. Jetzt im Sommer ist es überhaupt erträglicher, man hat den großen Speisesaal mit der deprimierenden langen Tafel verlassen und nimmt die Mahlzeiten auf der Terrasse an einzelnen Tischen. Henry, Doktor Lukas, der Knabe Gottfried und ich haben einen Tisch am oberen Ende, wo man alles übersehen kann und doch etwas für sich ist. Die Witwe wollte sich anschließen, aber es war zum Glück kein Platz mehr. So gastiert sie nur bei uns, und damit sie nicht allzu störend wird, erziehen wir sie zu unserer Anschauungsweise. Kurz, wir haben hier mitten in dieser fremden Welt eine Art eigenes Milieu gegründet.

      Du kannst dir denken, dass Henry und ich uns viel zu erzählen haben und endlos von alten Zeiten reden. Wir rechneten aus, wie lange wir uns jetzt schon kennen. Es sind ungefähr acht Jahre, und die Bekanntschaft begann mit einer sehr schönen, sehr langen und sehr kostspieligen Reise, von der wir ohne einen Heller zurückkehrten. Er gab dann seine bisherige wissenschaftliche Tätigkeit auf und verlegte sich auf Unternehmungen. Der erste Anlass dazu war ein Exfreund, dem er ein beträchtliches Kapital ins Geschäft gesteckt hatte und der es nicht wieder herausrücken wollte. Der Exfreund wurde verklagt, gepfändet, jedoch umsonst. Er hatte vorgesorgt und alles rechtzeitig seiner Tante zediert. Aber er hatte irgendeine viel versprechende Erfindung gemacht, das Patent auf diese Erfindung konnte er wohl nicht gut der Tante zedieren, und Henry ließ es beschlagnahmen. Damals lernten wir, seine näheren Bekannten, ihn bewundern; er hatte uns vorher wohl allerlei Pläne entwickelt, aber wir verstanden wenig von solchen Dingen und hielten sie deshalb für phantastisch. Ich sehe ihn noch, wie er dann eines Tages plötzlich auf den Tisch schlug und sagte: »Jetzt hab’ ich’ s.«

      Acht Tage später hatte er auf die Erfindung des Exfreundes eine GmbH gegründet, hatte ein elegantes Büro mit zahllosen Plänen, Grundrissen und Gipsmodellen und telefonierte den ganzen Tag. Wenn ich mich recht erinnere, handelte es sich um einen feuersicheren Kinema-Saal, brach aber doch einmal Feuer aus, so würde wenigstens keine Panik entstehen, weil er in einer halben Minute geräumt werden konnte. Wie die Geschichte ausging, bringe ich nicht mehr zusammen, und es tut auch nichts zur Sache. Jedenfalls begann er damit seine Laufbahn als Gründer. Übrigens hat Henry ebenso wie ich einen rätselhaften Unstern in finanziellen Dingen gehabt, er konnte wohl auch nicht die richtige persönliche Beziehung zum Geld finden. Mich hat es dann schließlich ernst genommen, ihn foppte es auf unqualifizierbare Weise. Böse Zungen behaupten heute noch, es sei bei all seinen Unternehmungen nie etwas herausgekommen, aber das kennt man ja und man soll kein Gewicht darauf legen. Einerlei, er blieb unbeugsam, fragte man ihn, wie steht es denn mit der oder jener Geschichte?, so hieß es: Schlecht, gerade im entscheidenden Moment kam etwas dazwischen, aber ich habe jetzt eine neue Sache an der Hand, und wenn die nicht einschlägt, soll mich der Teufel holen. Manchmal verschwand er auch für eine Weile, und man hatte Angst, er sei verkracht, aber er war nur rasch in Südamerika oder sonst wo gewesen, um irgendein Unternehmen ›in die Wege zu leiten‹. Dann tauchte er wieder auf und mit ihm ein neues Büro, ein imponierendes Türschild, das wieder eine neue GmbH verkündete, Modelle, Telefongespräche und Aktionäre.

      Du siehst, Maria, er ist auch diesmal wiedergekommen und hat sich drunten in unserem Städtchen ein Büro eingerichtet, wo er täglich ein paar Stunden mit seinen Aktionären telefoniert. Wir schwelgen in alten Erinnerungen: wie ich einmal Geld hatte ... wie du einmal Geld hattest ... oder: als es mir damals ernstlich an den Hals ging ...

      Unsere Schicksale hatten immer eine gewisse Ähnlichkeit miteinander, so musste es wohl auch kommen, dass wir uns hier im Sanatorium mit unseren beiderseitigen Geldkomplexen wiederfanden und doch beide nach altem Brauch auf eine günstige Lösung warten ... ich auf meine Erbschaft, er auf einen großen Coup, der seiner Meinung nach dieses Mal nicht fehlschlagen kann.

      Beklag dich, bitte, nicht wieder über meine Briefe, Maria. Aber ich interessiere mich momentan so grenzenlos für meine eigene Existenz, dass nichts anderes übrig bleibt. Auch darin verhext einen die ewige Geldfrage, möchtest du’s nur nie an dir selbst erfahren. Alle schönen Eigenschaften des Herzens, alles Eingehen auf andere geht dabei zum Henker ...

      5

      Ich fürchte, wir haben den armen Privatdozenten angesteckt. Anfangs pflegte er nur friedlich von wirtschaftlichen Fragen zu sprechen, während er sich jetzt auf das Lebhafteste für Gründungen und Spekulationen, kurz für alle direkten und indirekten Geldfragen interessiert. An unserem Tisch ist von nichts anderem mehr die Rede, die Neurosen und Psychosen haben alle Anziehungskraft verloren. Selbst Gottfried denkt nicht mehr über seine Weltanschauung nach, sondern hört andächtig zu. Ich glaube, der Verkehr mit uns wird ihn noch völlig heilen. Heut saß ich längere Zeit mit Doktor Lukas allein. Wir gaben uns alle Mühe, zur Abwechslung einmal ein anderes Thema anzuschlagen ... die Hitze ... die Persönlichkeit des Professors ... wie schön es sein müsste, jetzt für ein paar Wochen an die Nordsee zu fahren ... und wurden dabei aber immer einsilbiger und langweiliger. Dann kam die Witwe einen Augenblick heran und stimmte ihr gewohntes Klagelied an. Tag und Nacht habe ihr verstorbener Mann gearbeitet, bis er ein kleines Vermögen auf der Bank liegen hatte, und all das sauer verdiente Geld sei nun in der Konkursmasse – mein Gott, mein Gott!

      Die gute Dame ist etwas ermüdend, aber ihre Neurose besteht nun einmal in dem beständigen Repetieren ihrer Leidensgeschichte, und als Mitpatient muss man Geduld haben.

      »Eigentlich hat sie ja auch Recht«, sagte Lukas, als sie wieder fort war.

      »Nein, sie ist vollständig auf dem Holzweg, weil sie an dem Geld gerade das sauer Verdiente so schätzt und hervorhebt. Es ist ein widerwärtiger Ausdruck und ein widerwärtiger Begriff. Es kann auch auf sauer verdientem Geld kein Segen ruhen, es muss uns hassen, weil wir es an den Haaren herbeigezogen haben, wo es vielleicht gar nicht hinwollte, und wir müssen es hassen, weil wir uns dafür geschunden haben und im Gedanken an diese Schinderei noch voller Ressentiment sind. Es rächt sich auch immer, denn entweder warten schon andere Leute darauf oder man gibt es in der ersten Reaktion für sinnlose Dinge aus.« »Der Baulöwe hatte es aber anscheinend doch auf die Bank gelegt, um sich später einmal gute Tage zu machen ...« – »Um so schlimmer, dann wird es gar noch zum ›sauer Erspartem‹, was die Leute bekanntlich immer auf tragische Weise einbüßen. Ich begreife auch, dass das Geld sich solche Bezeichnungen nicht gefallen lässt. Sauer erspart ... sagen Sie es sich nur ein paar Mal vor, womöglich mit knarrender Stimme.«

      Er tat es und musste mir Recht geben: »Wie Krähen im Herbst«, sagte er.

      Inzwischen war Henry unbemerkt durch die Gartentür hereingekommen und stand mit einem Mal hinter uns.

      »Was macht ihr denn da?« sagte er aufrichtig erschrocken. »Mein Gott, Herr Doktor, jetzt hat es Sie auch schon ... Kommen Sie lieber mit hinunter in mein Büro, ich möchte Ihnen etwas zeigen.«

      Im Büro war ein Arbeiter damit beschäftigt eine große Holzkiste aufzubrechen, und wir waren sehr neugierig auf den Inhalt. Henry erzählte uns derweil ausführlich die Geschichte der südamerikanischen Goldminen, um derenthalben er damals fortging. Man hatte ihm die Leitung des ganzen Unternehmens übertragen, aber wie gewöhnlich, wenn alles einmal glatt gehen konnte, machte das Geld eine förmliche Verschwörung gegen ihn. Er hatte einfach keines, konnte das aber den Aktionären nicht gut unter die Nase reiben, und die Abreise verzögerte sich, verschob sich bis ins Aschgraue. Wiederum regten sich die bösen Zungen und behaupteten, er sei monatelang mit einem falschen Bart herumgegangen, um zu verbergen, dass er immer noch da war. Ich weiß auch nicht mehr, hat es ein halbes oder ein ganzes Jahr gedauert, bis er endlich an


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