Das Werk des Staatsministers. Bo Balderson
des Registers in vollem Gange. Wir sollen ja dafür sorgen, dass niemand nur wegen seiner politischen Ansichten dort drin steht. Aber die Arbeit ist sehr zeitaufwendig und anspruchsvoll. Und damit sind unsere Etatforderungen nach drei neuen Stellen außerordentlich gut untermauert. Unter anderem fordern wir die Stelle eines Präsidenten.«
Einem aufmerksamen Zuhörer konnte kaum entgehen, wer diesen Posten bekleiden sollte, der Staatsminister aber folgte für eine Minute dem neurotischen Kuckuckspiel eines Eichhörnchens mit sich selbst, während es einen Fichtenstamm erklomm.
»Klingt gut«, sagte er, gewohnheitsgemäß und unverschämt, nachdem Herr Andersson verstummt war, und vertiefte das Dilemma des Eichhörnchens, indem er einen Zapfen nach dem Tier warf. »Wirklich sehr gut. Haben Sie Ihre Badehose dabei?«
Herr Andersson erstaunte mich mit der Antwort, er habe sie an, er habe unmittelbar nach seiner Ankunft ein Bad genommen, und der Staatsminister meinte, sie sollten dann gemeinsam zum Becken gehen, um sich abzukühlen.
Der Staatsminister, der die Wege kannte, ging voraus, und Herr Andersson und ich folgten ihm zu zweien. Der beleibte Beamte bewegte sich leichtfüßig und sicher auch auf schwierigen Abschnitten. Ich verlieh meiner Bewunderung Ausdruck und erfuhr, dass er die meisten Wochenenden im Garten seines Einfamilienhauses in Mariehäll arbeitete.
»Und dabei lernt man, die Füße zwischen den Beeten und Steinen richtig zu setzen. Aber natürlich war auch ein wenig intensivere sportliche Betätigung nötig!«
Das Boxergesicht sprang zu einem wiehernden Gelächter auf, und er deutete auf seinen Bauch und wirkte mit einem Mal gar nicht mehr wie ein Bürovorsteher und war richtig sympathisch.
Der Pool liegt am Rand des Rasens und ist von dichtem Gebüsch umgeben. Das ist notwendig, da das Becken das Zentrum des sommerlichen Lebens auf Lindö bildet. Dort wird von morgens bis abends geschrien, geheult, geplanscht und sich dem Müßiggang hingegeben. Der Staatsminister behauptet, es sei der Kinder wegen gebaut worden, meine Schwester Margareta dagegen, des schmutzigen Meerwassers wegen. Ich hingegen bin überzeugt, der Staatsminister hat es für sich bauen lassen – hier kann der Mann seinen Spieltrieb ausleben: Radau machen, mit Wasser spritzen und mit aufblasbaren Tieren spielen. Und immer ist Publikum da, wenn er sich schreiend und mit verrenkten Armen und Beinen vom Sprungbrett stürzt.
Ich selbst begebe mich nur ungern dorthin.
Doch vor Herrn Andersson wollte ich nicht als Feigling dastehen. Darum biss ich die Zähne zusammen und schritt zwischen den Büschen einher.
Die relative Flaute, die im Wasser herrschte, überraschte mich. Ein Teil der Kleinsten trieb zwar darin herum, aber die etwas Größeren hatten sich am hinteren Beckenende in verhältnismäßig ruhiger Form versammelt.
Ein Tier sollte sich über eine Planke bewegen, die von einem Beckenrand zum anderen übers Wasser gelegt worden war. Das Tier weigerte sich noch, meiner Meinung nach aus guten Gründen.
Ich trat vom Beckenrand zurück. Die hölzernen Fußroste um das Bassin waren nass und offensichtlich glatt, und ich wollte nicht riskieren, auszurutschen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Hund von seiner Planke fallen würde, und ich machte mir keine Illusionen, wem die Kinder zuerst eine rettende Hand entgegenstrecken würden, wenn der alte Onkel und der weichbepelzte, kuschelige Hund gleichzeitig im Wasser landen würden.
»Nein, lasst das! Das ist Tierquälerei. Hunde im Badewasser sind unhygienisch!«
Herr Andersson bahnte sich den Weg durch die Kinderschar, ergriff den Hund und trug ihn in die Büsche: »Holt euch stattdessen Ratten!«
Nachdem er dieses anstrengende Manöver mit ruhiger Hand durchgeführt und verborgene Untiefen an Mut und Sinn für Hygiene offenbart hatte, entblößte Herr Andersson seinen blassen, spindelförmigen Körper bis auf die Badehose, bestieg das Sprungbrett und verschwand mit einem eleganten Kopfsprung in dem kühlen Nass. Als er an der Oberfläche auftauchte, rief ich ein spontanes Kompliment aus, und er schrie zurück, er sei in seiner Jugend Bezirksmeister im Turmspringen gewesen.
Ich sank in einen blau-weiß gestreiften Liegestuhl und entdeckte neben mir in ähnlicher Stellung Anwalt Burlin. Er zeigte auf einen pitschnassen, fettwülstigen Schlingel, der dabei war, Blätter aus einer Zeitung zu reißen, und sagte mit einem Lächeln auf den Lippen und dem Einfühlungsvermögen, das nur Menschen mit erwachsenen Kindern und schlechtem Erinnerungsvermögen zu bieten haben: »Kinder sind doch trotzdem das Schönste auf der Welt!«
Ehe ich die differenziertere Meinung eines Lehrers in dieser Frage darlegen konnte, enterte meine Schwester Margareta in Begleitung von Staatssekretär Zander und einer kleinen Dame in gelbem Kleid den Poolbereich. Meine Schwester trat an den Beckenrand und spähte in die Tiefe.
»Das da ist er bestimmt! Nein, das war Johan. Schrecklich, dass sie immer so plantschen müssen, dass man nichts sehen kann … Aber da drüben, gleich neben der Treppe! Er schwimmt gerade unter Herrn Andersson hindurch!«
Offensichtlich versuchte sie, den Gästen ihren Gastgeber, den Staatsminister, zu zeigen.
Durch Winken und Rufen gelang es ihr schließlich, den nach Luft schnappenden Staatsmann auf sich aufmerksam zu machen, und er entstieg den Fluten nass und unbeholfen, verbeugte sich, sagte: »Willkommen! Springen Sie nur ins Wasser, für Sie ist auch noch Platz!« und warf sich damit rücklings in den Hexenkessel zwischen seinen Nachkommen und Herrn Andersson.
Doch meine Schwester Margareta blieb an Land und erfüllte ihre sozialen Verpflichtungen.
»Darf ich vorstellen? Mein Bruder Studienrat Persson, Dozentin Klintestam!«
Ich kam auf die Beine, und die Dame in Gelb lächelte mir zu. Ich räusperte mich verwirrt. Vorher hatte ich in der Zeitung durchaus über die Reichstagsabgeordnete und Dozentin für Neuere Geschichte, Birgitta Klintestam, gelesen. Sie war für die Sozialdemokraten gewählt worden, aber ihre Äußerungen waren sehr radikal, und die Regierung wand sich oft unter ihren Pfeilen. Doch statt des Wesens mit den kalten Augen, dem strähnigen Haar und einem fanatischen Zug um den Mund, den ich auf den unscharfen Fotos in der Zeitung zu erkennen geglaubt hatte (oder die eine indignierte Fantasie in mir hervorgerufen haben mochte), stand eine entzückende junge (oder zumindest jüngere) Frau mit kokettem Sonnenkopftuch in der Farbe ihres Kleides vor mir. Das Haar lockte sich, die Augen lächelten und blitzten und das Kinn war lustig spitz, ohne scharf zu sein. Und tausendnocheins, dachte ich und erwiderte das Lächeln, hat diese Person auch noch Grübchen!
»Ein Swimmingpool auf einer der äußersten Schäreninseln? Ist das Meerwasser auch hier draußen von Industrieabwässern verunreinigt?« fragte Dozentin Klintestam, und die leicht metallische Schärfe in der Stimme verriet, dass der Ton des Reichstags ihr in Fleisch und Blut übergegangen war, Sonnenkopftuch hin oder her.
Kinder begannen jetzt dem Becken zu entsteigen und sich zu schütteln. Staatssekretär Zander in glänzendem und womöglich wasserempfindlichem Anzug runzelte seine hohe, intellektuelle Stirn und sandte scharfe Blicke aus. Sodann führte uns meine Schwester durch den Vorhang aus Hecken zum Rasen, wo die obligatorische Sitzgruppe aus verbogenen Ästen wartete. (Wo findet man solche Äste? Oder handelt es sich hier um Wurzeln, die man ausgräbt und zusammenmontiert?) Die Gastgeberin kehrte zum Becken zurück, um dafür zu sorgen, dass Herr Andersson nicht ohne Handtuch blieb, und es entstand ein gewisses unausgesprochenes Zögern, wem der Platz in dem Stuhl mit Sitzkissen gebührte. Der Fall war recht kompliziert: Dozentin Klintestam war zwar eine Frau, aber die Jüngste, Anwalt Burlin war der Älteste, Staatssekretär Zander der Ranghöchste, ich der Gebrechlichste. Nachdem wir uns eine Weile geziert hatten, versuchten wir alle gleichzeitig, uns dort hinzusetzen, was Anlass zu einer leicht hysterischen Heiterkeit bot. Als wir allmählich zur Ruhe gekommen waren, saß Staatssekretär Zander auf dem Polster, was, so dachte ich, zum Teil das Vermögen des scharfgeschnittenen Mannes offenbarte, sich im Leben durchzusetzen.
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Wir hatten gerade das Geplänkel über Wind und Wetter hinter uns gebracht, als Herr Västermark zwischen den Erlen an der Strandseite auftauchte und über den Rasen flatterte. In seinem grauimprägnierten Dress und mit seinem mageren, faltigen Gesicht