Corona in Buchenwald. Ivan Ivanji
Gefördert von der Stadt Wien Kultur.
Copyright © 2021 Picus Verlag Ges.m.b.H., Wien
Alle Rechte vorbehalten
Grafische Gestaltung: Dorothea Löcker, Wien
Umschlagabbildung: lq75/AdobeStock
ISBN 978-3-7117-2106-8
eISBN 978-3-7117-5442-4
Informationen über das aktuelle Programm
des Picus Verlags und Veranstaltungen unter
Ivan Ivanji, 1929 im Banat geboren, war unter anderem Journalist, Diplomat und Dolmetscher Titos. Romane, Essays, Erzählungen und Hörspiele. Er lebt als freier Schriftsteller und Übersetzer in Wien und Belgrad. Im Picus Verlag erschienen zahlreiche Romane, darunter »Barbarossas Jude«, »Das Kinderfräulein«, »Der Aschenmensch von Buchenwald«, »Die Tänzerin und der Krieg«, »Geister aus einer kleinen Stadt«, »Buchstaben von Feuer«, die Neuauflage seines Erfolgs »Schattenspringen«, »Mein schönes Leben in der Hölle«, seine Familiensaga »Schlussstrich«, »Tod in Monte Carlo« (2019), »Hineni« (2020) und »Corona in Buchenwald« (2021).
IVAN IVANJI
Corona in Buchenwald
ROMAN
PICUS VERLAG WIEN
Für Volkhard
Ihr Freunde, Platz! Weicht einen kleinen Schritt!
Seht, wer da kommt und festlich näher tritt! […]
Es gönnten ihr die Musen jede Gunst
und die Natur erschuf in ihr die Kunst.
So häuft sie willig jeden Reiz auf sich,
Und selbst dein Namen ziert, Corona, dich.
Sie tritt herbei. Seht sie gefällig stehn!
Nur absichtslos, doch wie mit Absicht schön.
JOHANN WOLFGANG VON GOETHE,
Auf Miedlings Tod
INHALT
DIE URENKELIN EINES GEHENKTEN KRIEGSVERBRECHERS
DER ERSTE ABEND – EINE SCHÖNE FRAU
DER ZWEITE ABEND – IM RUSSISCHEN GEHEIMDIENST
DER DRITTE ABEND – DIE BEIDEN HANS GÜNTHER
DER VIERTE ABEND – DAS KUPFERBERGWERK IN BOR
DER FÜNFTE ABEND – EIN STANDHAFTER POLIZIST
DER SECHSTE ABEND – DIE VERBANNUNG DES OVID
DER SIEBENTE ABEND – BOXEN IM KZ
DER ACHTE ABEND – EIN ZICKLEIN, EIN ZICKLEIN
DER NEUNTE ABEND – DIE BERGPREDIGT
DER ZEHNTE ABEND – ZWETSCHKENKNÖDEL IN BERGEN-BELSEN
DIE SCHRÖTER AUF DER ETTERSBURG
BORDELLE IN KONZENTRATIONSLAGERN
DER ZWÖLFTE ABEND – COSA NOSTRA UND INDIANERRESERVAT
Sind zwölf sehr alte ehemalige Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald im April des Jahres 2020 nach Weimar gekommen, um dort zu Ehren aller ihrer ermordeten Kameraden und zur Feier des fünfundsiebzigsten Jahrestags ihrer Befreiung gemeinsam vom Corona genannten Virus angesteckt zu sterben? Haben sie sich heimlich verabredet, dieses Zeichen zu setzen? Tatsächlich verabredet oder unbewusst mit dieser Idee gespielt? Die Welt würde aufhorchen.
Was sich tatsächlich im Frühjahr 2020 in Weimar und auf seinem Ettersberg, in Europa, nein, auf der ganzen Welt, abgespielt hat, grenzt selbst ohne fantasievolle Zutaten schreibender Zeitgenossen an Horror, ist viel zu absurd, um wahr zu sein. Gemeint ist der Sprung eines altbekannten Virus vom Tier auf den Menschen. Erfundenes lebt manchmal ziemlich lange, Erlebtes verändert sich als Erinnerung oder gerät für alle Ewigkeit in Vergessenheit. Aber an doppelter Lungenentzündung zu ersticken ist raue, sehr raue Wirklichkeit.
Hoffentlich kann man sich mit einiger Willenskraft ausmalen, was im Hotel Elephant, in dem im Laufe der vergangenen Jahrhunderte vielerlei Ewigkeit Verdienendes, Wunderbares, Verrücktes, Unvorstellbares, allerdings auch Böses geschehen und vom Balkon aus dem Volke zugebrüllt worden ist, Neues passiert zu Corona-Zeiten. Wobei nicht die Schauspielerin Corona Schröter gemeint ist, die hier mit Goethe häufig Wein getrunken hat, leider handelt es sich keineswegs um die Schöne. Warum also sollten dann nicht auch alte Buchenwaldianer mit ihrer jungen Begleitung dem im Moment so furchtbaren, hoffentlich schnell vergänglichen Virus auf eine neue, absurde, ihre eigene, absonderliche Weise trotzen? Hat doch bereits der soeben genannte Geheimrat einst festgestellt: »Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis, das Unzugängliche, hier wird’s Ereignis.«
Ja, das ist es, was versucht werden soll: das Vergängliche beiseitezuschieben, Unzugängliches als Gleichnis darzustellen, das Unvermögen der Tagträume zu überwinden. Und welch besseres Bühnenbild wäre dafür denkbar als das Hotel Elephant?
Machen wir uns also auf den Weg, so gut man seine Reise planen kann. Wissen kann man nie, was einen am Ziel erwartet.
Wären wir tapferer, viel tapferer gewesen, hätte Nachfolgendes geschehen können. Vielleicht. Wieso nicht?
ANKUNFT
Obwohl die