Soldaten des Glücks. Richard Harding Davis

Soldaten des Glücks - Richard Harding Davis


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und statteten den Kutscher mit Stiefeln aus, die ihm bis über die Kniee gingen, einer silbergestickten Jacke und einem Sombrero, der so reich verziert war, dass er in der Sonne wie ein Heiligenschein um seinen Kopf erglänzte, aber es wurde ihm bei schwerer Strafe verboten, diese Pracht anzulegen, bevor die Damen angelangt wären. Clay war entzückt, als er fand, dass es nur die schönen und erhabenen Dinge seines täglichen Lebens waren, die den Gedanken an sie in ihm wachriefen, als ob sie in seinem Geiste mit weniger würdigen Dingen nicht verbunden sein könne.

      „Die Aussicht von diesem Ende der Terrasse wird ihr gefallen,“ oder „dies wird ihr Lieblingsspaziergang sein,“ oder „hier wird sie ihre Hängematte aufhängen,“ und „der Teppich, den Weimer ausgesucht hat, wird entschieden nicht nach ihrem Geschmack sein,“ und ähnliches waren die Gedanken, die ihn beständig beschäftigten.

      Während dieser Feenpalast emporwuchs, setzten die drei Männer ihr rauhes Leben in der am Ende der Frachteisenbahn stehenden hölzernen Hütte fort, die dreihundert Schritte unter dem Hause lag und durch eine undurchdringliche Wand von Gebüsch den Blicken von dort entzogen war. Eine holperige Strasse führte von da nach der fünf Meilen entfernten Stadt, und diese Strasse hatten sie verbessert und bis nach der „Palmenvilla“, welchen Namen der junge Langham für das Haus seines Vaters gewählt hatte, ausgebaut. Als endlich alles vollendet war, blieben sie unter dem Wellblechdache ihres Geschäftsgebäudes wohnen und schlossen die Palmenvilla ab, die bis zur Ankunft ihrer rechtmässigen Eigentümer unter der Obhut eines Gärtners und eines Wächters gelassen wurde.

      Es war ein entsetzlich warmer, schwüler Tag gewesen, und selbst jetzt war die Luft noch so heiss, dass einem übel werden konnte, wie in der des Maschinenraumes eines Dampfers. Wetterleuchten zuckte um den Hafen und die Berge und zeigte die leeren Landungsbrücken, die schwarzen Umrisse der Dampfer, die weisse Vorderseite des Zollhauses und den langen Halbkreis der flimmernden Lampen am Staden. Mc Williams und Langham sassen stöhnend auf den untersten Stufen der Veranda des Geschäftsgebäudes und überlegten, ob sie zu träge seien, sich anzuziehen und nach der Stadt zu rudern, wo viel Unterhaltung in Aussicht stand, da es Sonntag abend war. Schon seit einer Stunde versuchten sie, zu einem Entschlusse darüber zu gelangen, und jetzt baten sie Clay, mit seinen Arbeiten aufzuhören und die Frage für sie zu entscheiden. Allein dieser, der im Inneren sass und unter dem grünen Schirm einer Studierlampe rechnete und schrieb, gab keine Antwort. Die Wände von Clays Arbeitszimmer bestanden aus ungehobelten Brettern, die von Splittern starrten, und waren mit Plänen und Karten des Bergwerks behängt. Ueber dem Tische war ein sehr buntscheckiges Bildnis von Madama la Presidenta an die Wand genagelt, der vornehmen und schönen Dame, die Alvarez, der Präsident von Olancho, vor kurzem in Spanien geheiratet hatte. Dieser Tisch mit seiner grünen Wachstuchplatte, die Lampe, die von geflügelten Insekten geräuschvoll umschwirrt wurde, und ein irdener Wasserkrug, von dem das Wasser mit der Regelmässigkeit des Tickens einer Uhr tropfte, bildeten die ganze Ausstattung des Zimmers. Auf einem Bort neben der Thüre lagen die Macheten2) der Leute, ein paar Patronengürtel und ein Revolver in einem Halfter.

      Clay erhob sich vom Tische und erschien im hellen Viereck der Thür, wo er sich behaglich streckte, denn seine Gelenke waren von dem vielen Durchwaten von Flüssen und dem Klettern über Felsen schmerzhaft und steif. Das rote Erz und der gelbe Schmutz der Bergwerke klebte an seinen Stiefeln und Reithosen, denn er hatte knietief im Wasser gestanden, und sein Hemd schmiegte sich ihm an den Leib wie ein Badeanzug, so dass man, wenn er atmete, seine Rippen und die Umrisse seiner breiten, gewölbten Brust sehen konnte. Ein Ring glühenden Papiers und heisser Asche fiel von seiner Zigarette auf seine Brust und brannte ein Loch in sein Wollhemd, aber er liess es ruhig dort liegen und beobachtete es mit einem gleichgültigen Lächeln.

      „Ich wollte sehen,“ erklärte er, als er den neugierigen Blick in Mc Williams’ Augen wahrnahm, „ob es noch etwas Heisseres gäbe, als mein Blut. Es schiesst durch meine Adern wie kochendes Wasser in einem Topfe.“

      „Hört ihr,“ sagte Langham, indem er die Hand erhob, „eben wird im Kloster zum Gebet geläutet, und nun ist es zu spät, noch nach der Stadt zu gehen. Ich bin eigentlich ganz froh darüber, denn ich bin zu müde, als dass ich mich noch lange wach erhallen könnte, und ausserdem verstehen die Leute dort nicht, sich in zivilisierter Art zu unterhalten — wenigstens nicht in einer Art, die mir zusagte. Ich wollte, ich wäre in diesem Augenblick zu Hause; was meinen Sie, Mc Williams? Dies ist etwa die Stunde, wo im Lande Gottes alle Leute im Theater sind, oder sie haben gerade ihr Diner beendet und schlürfen kühle grüne Pfefferminzlimonade, worin kleine Stückchen Eis schwimmen. Am liebsten wäre es mir“ — er hielt inne und sah mit zur Seite geneigtem Kopfe Mc Williams an, der wenig Einbildungskraft hatte — „was ich am liebsten thäte,“ fuhr er nachdenklich fort, „das wäre, in einer komischen Oper auf der ersten Reihe dicht am Mittelgange zu sitzen. Die Primadonna müsste sehr schön sein und meistens mich ansingen; ausserdem müssten drei gute Komiker mitspielen, und der Chor dürfte nur aus Mädchen bestehen. Ich habe überhaupt nie recht begreifen können, weshalb Männer im Chor sind. Kein Mensch sieht sie an. Da möchte ich sein. Und Sie, Mc Williams?“

      Mc Williams war der Vertreter einer Menschengattung, mit der Clay sehr vertraut war, aber für den auf der Universität ausgebildeten Langham war er eine Offenbarung und ein Genuss. Er stammte aus einer kleinen Stadt im Westen und hatte das, was er von der Ingenieurkunst verstand, auf dem Wege der praktischen Erfahrung gelernt, nachdem er seine Lehrzeit mit dem Abhauen von Büschen und dem Eintreiben von Pfählen begonnen hatte. Den grössten Teil seines Lebens hatte er in Mexiko und Zentralamerika verbracht, und er sprach von seinem Heim, das er seit zehn Jahren nicht gesehen hatte, mit der übertriebenen Anhänglichkeit eines eingefleischten Wanderers. Weil sie aus den Vereinigten Staaten kamen und ihm nach der Heimat schmeckten, zog er, wie allgemein bekannt war, Mais und Tomaten in Blechbüchsen den herrlichen Erzeugnissen des Landes vor. In seinem jungen Leben drängten sich Erfahrungen zusammen, die die Nerven jedes anderen Mannes von zarterer Empfindsamkeit und weniger Sinn für das Lächerliche zu Grunde gerichtet haben würden, aber gerade diese Erfahrungen hatten ihn nur zu einem pfiffigen und auf sich selbst vertrauenden Manne gemacht, der bei allen Gelegenheiten oder Schwierigkeiten vollkommen gelassen blieb.

      Nachdenklich sog er an seiner Pfeife und überlegte Langhams Frage aufs sorgfältigste, während Clay und der jüngere Gefährte mit auf die Kniee gestützten Armen seine Entscheidung in gedankenvollem Schweigen erwarteten.

      „Ich ginge auch gern in ein Theater,“ sagte Mc Williams endlich mit einer Miene, als ob er zeigen wolle, dass auch er Sinn für die Kunst habe. „Ich möchte den Komiker mal wieder sehen, den ich im Jahre achtzig — ach, wie lange ist das her! — ehe ich an der Atchison-Santa Fé-Eisenbahn arbeitete — gesehen habe. Das war ein gelungener Kerl, und er hiess Owens — John E. Owens.“

      „Du lieber Himmel, Mc Williams!“ rief Langham ungeduldig. „Der Mann ist ja schon seit fünf Jahren tot!“

      „So?“ entgegnete Mc Williams nachdenklich. „Na,“ schloss er, ohne sich irre machen zu lassen, „das kann ich nicht ändern, aber den möchte ich am liebsten sehen.“

      „Sie dürfen noch einen zweiten Wunsch aussprechen, Mac,“ drängte Langham, „nicht wahr, Clay?“

      Clay nickte ernst, und Mc Williams runzelte wieder nachdenklich die Stirn.

      „Nein,“ sagte er, nachdem er sich eine Weile Mühe gegeben hatte, etwas anderes zu finden, „nein, Owens, John E. Owens, das ist mein Mann; den möchte ich gern sehen.“

      „So, nun will ich meinen zweiten Wunsch zum besten geben,“ sagte Langham. „Ich stelle den Antrag, dass jeder von uns zwei Wünsche aussprechen darf. Ich wünsche ...“

      „Warten Sie doch; ich habe ja meinen ersten Wunsch noch zu gute,“ unterbrach ihn Clay. „Sie sind schon einmal an der Reihe gewesen. Ich möchte gerne an einem Orte in Wien sein, den ich kenne. Es ist nicht so heiss, als hier, sondern kühl und frisch, ein Konzertgarten mit Hunderten von farbigen Lichtern und Bäumen, und es herrscht immer ein angenehmer Luftzug. Eduard Strauss, der Sohn, missen Sie, leitet das Orchester, das nichts als Walzer spielt. Er steht vor den Musikern und beginnt, indem er die Schultern in die Höhe zieht, sich auf die Fussspitzen erhebt und dann langsam wieder sinken lässt, während er seinen Taktstock


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