Privatdetektiv Joe Barry - Party für Tote. Joe Barry

Privatdetektiv Joe Barry - Party für Tote - Joe Barry


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mit sechszigtausend Einwohnern. Woher kennst du den Mann?“

      „Ich habe mal für ihn gearbeitet. Das liegt schon ein paar Jahre zurück. Warte mal, es war genau im Dezember 1959. Damals waren Einbrecher bei ihm gewesen und hatten seinen Safe geplündert. Er hat die Burschen überrascht. Es kam zu einem Schußwechsel, und er wurde verletzt.“

      „Hast du ihm das Geld wieder besorgen können?“

      „Nein. Darum ging es auch nicht. Er glaubte, es handle sich um einen Mordanschlag auf ihn. Ich habe das untersucht, konnte aber nichts Derartiges feststellen.“

      Jo versank in Nachdenken.

      „Er war wie besessen von der Idee, jemand wolle ihn ermorden. Er bot mir viel Geld, wenn ich bei ihm als Leibwächter arbeiten würde. Ich bin natürlich nicht darauf eingegangen.“

      Der Captain trank seinen Kaffee brühheiß.

      „Als Leibgorilla würdest du ’ne prima Figur abgeben“, kicherte er. „Eine Woche Training und du hast den finsteren Blick ’raus.“

      „Es war ein unsinniges Angebot“, brummte Jo. „Ich hätte etwas für den Mann tun können, wenn er nicht so zugeknöpft gewesen wäre. Er steckte damals in wilden Börsenspekulationen.“

      „Nenne mir den Börsenmann, der keine Feinde hat.“

      „Eben. Aber Mord gehört trotzdem nicht zu den Geschäftsmanieren der Wall Street. Daß der Einbruch damals nichts mit einem Mordversuch zu tun hatte, konnte ich Mister O. einwandfrei nachweisen. Alles andere war seine Sache. Er war aber so argwöhnisch, daß er mir keine Tips geben wollte. Well, das war keine Basis für eine Zusammenarbeit.“

      Antony langweilte das Thema.

      „Wie steht’s also mit einer Woche Nachurlaub in den Adirondacks? Ich glaube, ich schinde bei Brown eine Woche heraus. New York ist ruhig; wir lassen geordnete Verhältnisse zurück.“

      Jo nickte.

      „Wenn bei mir nichts dazwischenkommt …“

      Aber der Tag verlief ruhig, das Telefon eingeschlossen. Jo hatte die Einladung von Mister O. halbwegs vergessen.

      Am Nachmittag lag er auf der Couch in seinem Appartement und hörte neue Schallplatten. Gegen vier Uhr war Jo drauf und dran, Antony anzurufen und ihm zu sagen, daß er auf seinen Vorschlag einginge.

      Das Telefon kam ihm zuvor.

      Mißtrauisch starrte er auf den summenden Apparat, dann zog er ihn mit dem Fuß heran und langte sich den Hörer.

      „Hallo?“

      „Mr. Walker dort?“ Eine heisere, leicht asthmatische Stimme.

      „Ja, hier ist der Meister persönlich.“

      „Hier spricht Owes, Orville O. Owes. Haben Sie meine Einladung bekommen?“

      Jo richtete sich auf.

      „Ich habe sie bekommen, Mr. Owes. Tut mir leid, daß ich noch nicht darauf geantwortet habe. Ich bin erst heute früh vom Skiurlaub zurückgekommen und habe sie vorhin erst gefunden.“

      „Schon gut. Kann ich mit Ihnen rechnen?“

      „Well …“

      „Sagen Sie nicht ab, Mr. Walker. Es liegt mir sehr viel daran, daß Sie kommen.“

      Jo war drauf und dran, eine passende Antwort zu geben. Immer wieder kam es vor, daß er Einladungen von Leuten erhielt, die ihn umsonst für sich arbeiten lassen wollten. Es war die gleiche Sache wie mit dem Geigenvirtuosen, der eine Einladung zum Diner bekam — Smoking und kleine Violine bitte mitzubringen!

      „Ich weiß, was Sie sagen wollen“, keuchte Mister O. „Sie kennen mich hoffentlich gut genug, um zu wissen, daß ich nicht die Gelegenheit nutzen werde, um zu schnorren.“

      „Das spricht für Sie. Kommen viele Leute?“

      „Ich glaube nicht. Erinnern Sie sich noch, wie es vor drei Jahren war, als ich Sie beauftragte, einen Einbruch bei mir aufzuklären?“

      „Allerdings.“

      „Ich äußerte damals den Verdacht, man wolle mich ermorden.“

      „Und ich fand nichts, was Ihren Verdacht rechtfertigte.“

      „Stimmt. Und trotzdem hatte ich damals recht.“

      „Wie das?“

      „Kommen. Sie heute abend, und ich werde es beweisen.“ Er hatte eingehängt

      Beim alten St. Patrick, der Bursche hatte genau die richtige Platte abgespult, um ihn zu seiner Fete zu locken.

      Jo entschloß sich, der Einladung Folge zu leisten.

      2. Kapitel

      Natürlich hatte Jo keine Ahnung davon, daß es noch ein paar Leute in New York gab, die haargenau dieselbe Einladung bekommen hatten. Und noch viel weniger wußte er, daß diese so harmlos aussehende karte in einigen feudalen Landhäusern von Brooklyn Heights und Long Island beträchtliche Unruhe gestiftet hatte.

      Gegen sieben Uhr warf er sich in den Smoking. Er pfiff leise vor sich hin, während er nach drei Anläufen den schwarzen Querbinder in die richtige Form gebracht hatte. Die Dinger gab es ja auch fertig mit Betoneinlage, aber das hielt er für unfein.

      „Just walkin’ in the rain“ — drauβen regnete es tatsächlich. Ein grauer, naßkalter Schleier hing über der Stadt; die wahre Hallo-Tristesse-Stimmung.

      Immer noch pfeifend, fuhr er in die Kellergarage und holte den SL aus dem Stall. Brave Mühle, dachte er anerkennend, bekommst auch bald einen Ehrenplatz im Kriminalmuseum in der Center Street.

      Die flache Sportflunder schob sich die Rampe hoch, bog in die Gun Hill Road ein, und fuhr in Richtung Manhattan. Es regnete von oben und von unten. Wie Wasserwerfer stiegen Schlammfontänen nach beiden Seiten hoch. Das Wetter war ein gebrochenes Versprechen vom schönen Frühling.

      Bellmore war ein kleiner Flecken auf Long Island, an der Südküste zwischen Long Beach und Bay Shore gelegen. Das Nest hatte achttausend Einwohner und, grob geschätzt, dreihundert Millionäre. Die hatten sich auf einem Hügel etwas außerhalb der eigentliche Ortschaft niedergelassen, im Volksmund „Dollar Hill“ genannt. Mister O’s Owes Castle lag hier.

      Der Dollar Hill lag im trüben Licht der altertümlichen Gaslaternen, die man nach einem unerfindlichen Kodex hier für feiner hielt als Neonleuchten. Die meisten Häuser waren im vergangenen Jahrhundert entstanden, wahre Burgen teilweise, mit falschen Erkern, Zinnen und gotischen Fenstern.

      Der Regen wurde immer heftiger. In langsamer Fahrt kurvte Jo durch die Straßen. Der Suchscheinwerfer wanderte über die pompösen Portale. Hausnummern gab es hier nicht; die galten als unfein. Jedes Haus hatte eine wohlklingende Bezeichnung, White Pillars — weiße Säulen — beispielsweise oder Black Rose Building. Owes Castle war eine vergleichsweise bescheidene Benennung dagegen.

      Es dauerte eine Weile, bis Jo hinfand. Er kannte zwar das Haus von früher, aber hier sah sich alles gleich.

      Dann stoppte der SL vor einem baufälligen Portal. Jo stieg aus, stellte den Kragen hoch und sah sich um. Kein Wagen war zu sehen, der auf andere Gäste hinwies. Es war kurz nach acht. Sollte er sich geirrt haben? Nein, da war ein dunkel angelaufenes Kupferschild und, kaum erkennbar, das Wort „Owes Castle“. Er war also richtig.

      Hinter dem Portal lag trostlos und ertrunken im Regen der Park. Ein massiger Umriβ deutete das Gebäude an. Kein Lichtschimmer war zu sehen.

      Jo zog nochmals die Einladung aus der Tasche und vergewisserte sich, daß das Datum stimmte. Ein unbehagliches Gefühl überkam ihn.

      Das große schmiedeeiserne Tor hing zwar lose in den Angeln, wurde aber durch eine verrostete Kette zusammengehalten. Die kleine Pforte daneben gab kreischend nach.

      Zögernd trat er ein. Der Regen prasselte


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