Privatdetektiv Joe Barry - Party für Tote. Joe Barry

Privatdetektiv Joe Barry - Party für Tote - Joe Barry


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ab. Ihn fröstelte.

      Die kiesbestreute Auffahrt war seit Jahren bestimmt nicht mehr gejätet worden. Sie war von braunem abgestorbenem Unkraut überwuchert. Jo erinnerte sich, daß vor vier Jahren der Park Owes’ ganzer Stolz gewesen war. Längs der Auffahrt hatten immer strahlend helle Lampen gebrannt. Die Lampen waren noch da, aber das Kugelglas war gesprungen oder blind.

      Langsam ging er weiter; seine Schritte knirschten auf dem Kies.

      Auch der Park bot ein Bild der Verwahrlosung. Der Rasen war lange nicht mehr gemäht worden. Die abgestorbenen, silbrig glänzenden Halme lagen wie Greisenhaar über dem sumpfigen Boden. Die Blumenrabatten waren längst vom Unkraut erstickt; ein modernder Geruch hing unter den riesigen alten Bäumen.

      Immer deutlicher zeichnete sich jetzt das Haus ab. Es war damals ein imponierendes Gebäude gewesen, weiß gestrichen, mit einem säulengetragenen Vorbau, mit Konsolen über jedem Fenster und blitzenden Fensterscheiben.

      Jetzt war der Putz in großen Flächen abgeblättert, die Scheiben waren gesprungen oder fehlten ganz. Die Haustür stand offen und knarrte in dem leichten Wind, der sich erhoben hatte.

      Das ist kein Haus, schoß es ihm durch den Kopf, das ist eine Ruine.

      Er blieb stehen. Ich bin doch nicht abergläubisch, ging er gegen seine Beklemmung an. Was ist hier los? Er glaubte nicht an Gespenster. Gespenster waren eine englische Einrichtung. Die gab es nicht in Amerika.

      Außer dem monotonen Prasseln des Regens und dem Knarren der Tür war nichts zu hören. Entschlossen stieß er die Tür ganz auf.

      Die große Halle lag vor ihm. Damals war sie mit teuren Stilmöbeln ausgestattet gewesen. Mister O. war ein geselliger Mensch und liebte den großen Pomp aufwendiger Partys.

      Die Halle war leer. Seine Schritte hallten auf den Steinfliesen. Nur ein schwacher Lichtschein drang von draußen herein.

      Er holte die Kugelschreiberlampe aus der Tasche und ließ den dünnen Lichtstrahl durch den Raum wandern. Überall Verwahrlosung. Die Wände waren kahl, die Holzfurnierung war herausgerissen. Der Marmorkamin, übermannshoch, war gesprungen.

      Dann sah er Mister O. Er hing über dem Kamin. Das Ölbild, einst der ganze Stolz des Spekulanten, war fleckig und teilweise zerstört. Nur das Gesicht war einigermaßen gut erhalten. Ein großflächiges, leicht schwammiges Gesicht mit einem verfetteten, aber starken Kinn. Das war Mister O.

      Jo ging zur Treppe. Das Geländer hing herunter. Er rüttelte probeweise daran. Etwas Dunkles wurde vor ihm aufgeschreckt und flatterte mit hartem Flügelschlag durch die Halle: Fledermäuse.

      „Wie es scheint, findet die Party nicht statt“, brummte er. Da stand er nun im Smoking. Was, zum Teufel, sollte das alles bedeuten? Er fand keine Erklärung.

      Im oberen Stockwerk sah es nicht besser aus. Da in den meisten Fenstern die Scheiben fehlten, hatten Wind und Wetter freien Zutritt. Er rechnete jeden Augenblick damit, daß das baufällige Gemäuer über seinem Kopf zusammenbrechen würde.

      Mister O’s Arbeitszimmer — damals die Bibliothek genannt — war noch verhältnismäßig gut erhalten, wenn man davon absah, daß der Fußboden einen Zoll hoch unter Wasser stand. Das Dach war undicht. Der große Schreibtisch stand noch da, wenn auch die Furnierung teilweise abgeplatzt war. In den Wandschränken waren lange Bücherreihen völlig verschimmelt.

      Mechanisch ging er daran, die Schubladen aufzuziehen. Sie waren leer. In der untersten Schublade fand er jedoch eine Patronenhülse. Er blies den Staub weg. Gelbe Pappe auf einer Messinghülle — eine leere Schrotpatrone. Er steckte sie in die Tasche.

      Plötzlich fuhr er zusammen. Draußen, auf der Straße, hatte eine Wagentür geklappt.

      Ein Motorengeräusch hatte er nicht gehört. Sollte da jemand an seinem SL herumfingern? Eilig stieg er wieder nach unten.

      Die Halle war finster, die Tür geschlossen. Er hatte das nicht getan. Vielleicht der Wind, überlegte er.

      Dann hörte er ein seltsames Geräusch in der Halle, ein Schlurfen, als bewege sich da jemand. Seine Lampe leuchtete auf. Nichts.

      Wieder das Geräusch. Und da — blitzartig, instinktiv erfaßte er die Situation. Mit einem Hechtsprung warf er sich nach vorn. Keine Sekunde zu früh. Mit ohrenbetäubendem Krachen donnerte hinter ihm der riesige Kronleuchter zu Boden, knallte auf die Steinfliesen, zersprang in tausend Einzelteile. Die Halle bebte unter dem Aufprall. Staub wirbelte auf.

      Hustend richtete Jo sich auf. Da, wo er eben noch gestanden hatte, befand sich jetzt ein Trümmerhaufen.

      Das war kein Zufall, schoß es ihm durch den Kopf. Zu mehr kam er nicht.

      Ein harter Stoß traf ihn in den Rükken. Er stolperte vorwärts, bekam einen harten Schlag auf den Hinterkopf. Die Lampe fiel zu Boden. Vor seinen Augen kreisten glühende Feuerräder.

      Die Lampe brannte weiter, bis ein Fuß in ihrem Lichtkreis erschien und sie austrat. Der Fuß steckte in einem glänzenden Lackschuh, darüber zeichnete sich eine messerscharf gebügelte Smokinghose ab.

      Jo hatte sich geirrt. Er war nicht der einzige Gast auf der Party.

      Howard Dawson und Stearn Eliot Kearns — die beiden Uraltaristokraten — verbrachten eine unangenehme halbe Stunde in Judy Benjamins Haus. Sie saßen im Vorzimmer und wurden im ungewissen darüber gelassen, ob Judy sie empfangen würde.

      Kearnie, dessen Vorfahren auf allen denkbaren Gebieten alle denkbaren Auszeichnungen gewonnen hatten, war Sportsmann. Er war es geworden, weil er entdeckt hatte, daß dies das einzige Gebiet war, auf dem ein Kearns noch keine Lorbeeren errungen hatte. So war er ein höchst mittelmäßiger Polospieler geworden, ein noch mäßigerer Tennisspieler und ein — bescheiden ausgedrückt — miserabler Segler. In den letzten Jahren neigte er in zunehmendem Maße zur Fettsucht; bis zu diesem Abend war das sein einziger Kummer.

      Leise fluchend hatte er sich in einen zierlichen Sessel gequetscht.

      „Diese hochnäsige Person“, brummte er zum dritten Male. „Dieses Arbeiterbalg. Uns hier warten zu lassen!“

      Dawsons drückte sich vornehmer aus.

      „Sie gehört zwar nicht unserer Gesellschaftsfvklasse an, aber das ändert nichts. Wir brauchen sie.“

      „Das ist wahr“, sagte Kearnie seufzend. „Sie hängt genauso in der Geschichte drin wie wir.“

      Dawson hatte die goldbedruckte Einladung herausgenommen und betrachtete sie nachdenklich.

      „Ich möchte wirklich herausfinden, was da dahintersteckt“, murmelte er.

      „Auf jeden Fall eine Schweinerei.“ Kearnie war stolz auf seine direkte Ausdrucksweise.

      Das weißbeschürzte Hauskätzchen kam herein.

      „Miß Benjamin läßt bitten!“

      „Na also“, sagte Kearnie. „Wurde auch allmählich Zeit.“

      Sie wurden in ein geschmackvoll eingerichtetes Zimmer geführt.

      Judy Benjamin war eher mittelgroß als klein. Sie war nicht nur gut aussehend, sie war bildschön. Sie hatte eine Figur, von der man die Augen nicht lassen konnte, schwarzes Haar, ausdrucksvolle Augen von unbestimmbarer Farbe — schwarz wie der Grund eines Bergsees. Sie trug einen blauseidenen Hausanzug.

      Der Raum war mit Stilmöbeln kostbar eingerichtet. Im Kamin prasselte ein Feuer, davor, auf einem Kissen, thronte ein weißer Zwergpudel.

      Sie musterte die beiden Männer kühl.

      „Nun? Was gibt es?“

      Dawson räusperte sich. „Judy …“

      „Miß Benjamin, wenn ich bitten darf.“

      „Schön, Miß Benjamin, ist es denn so ungewöhnlich, daß ich mich einmal nach Ihnen erkundige. Schließlich haben wir lange zusammengearbeitet. Sie waren meine Sekretärin.“

      „Das


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