Kinderärztin Dr. Martens Box 1 – Arztroman. Britta Frey
Sie nickte ihm noch einmal kurz zu und ging mit eiligen Schritten die Treppe hinauf.
Kay kam gerade mit sehr ernstem Gesicht aus Hannas Krankenzimmer. Seine Augen weiteten sich überrascht, als er die Frau sah, die mit eiligen Schritten auf ihn zukam: »Du, Mutter? Wo kommst du denn schon so früh am Morgen her?« Zärtlich umarmte er die schlanke Gestalt und hauchte einen Kuss auf ihre Stirn.
»Wo soll ich schon herkommen, mein Junge? Mich hat es nach deinem Anruf gestern Abend nicht mehr daheim gehalten. Aber sag mir zuerst, wie es Hanna geht. Du hast mir und Vater mit deinem Anruf einen gehörigen Schrecken eingejagt.«
»Tut mir leid, Mutter, aber Hanna hat es schlimm erwischt. Ich glaube nicht, dass sie dich erkennen wird, die Temperatur ist auf einundvierzig gestiegen. Ich habe ihr gerade wieder Medikamente verabreicht, und auch sonst tun wir alles, um die Sache in den Griff zu bekommen.«
Rasch legte Leonore ihren Mantel ab und reichte ihn Kay.
»Wir sehen uns dann später, Junge.« Damit wandte sie sich ab und betrat leise das Krankenzimmer, das Kay kurz zuvor verlassen hatte.
Es war genauso, wie es Kay gesagt hatte. Schwester Elli, die gerade wieder den Schweiß von Hannas fieberheißer Stirn getupft hatte, machte bereitwillig Platz, als sie die Mutter der von allen verehrten jungen Chefin sah.
Mit leiser Stimme begrüßte sie Leonore und verließ dann still das Zimmer, um Mutter und Tochter für kurze Zeit allein zu lassen.
»Hanna, Mädel, ich bin es, Mutti«, sagte sie mit weicher Stimme. Sie beugte sich über die Fiebernde und legte mit einer sanften Geste ihre Hand auf die glühende Stirn.
Doch wie Kay es gesagt hatte, Hanna nahm die Mutter überhaupt nicht wahr. Sie hatte die Augen geschlossen, und ihr Kopf, die ganze Gestalt, bewegten sich unruhig hin und her.
Mit zarter Hand tupfte Leonore die Schweißperlen von Hannas Stirn und umfasste mit ihren kühlen Händen die fieberheißen ihrer Tochter. So blieb sie sitzen, bis Schwester Elli mit einer Kanne Tee und einem Glas das Zimmer wieder betrat.
»Wie lange geht das schon so, Schwester Elli?«, wollte sie wissen.
»Heute ist der zweite Tag, Frau Martens.«
»Ich bleibe einige Tage hier auf Birkenhain und werde Sie in der Betreuung und Pflege meiner Tochter ablösen, Schwester Elli. Ich will mich jetzt nur rasch umziehen und mich ein wenig frisch machen. Es war eine lange Fahrt hierher nach Ögela.«
»Darf ich Ihnen einen Kaffee besorgen lassen, Frau Martens?«
»Danke für das Angebot, Schwester Elli, aber ich werde mich in der Wohnung selbst versorgen.«
»Gehen Sie nur unbesorgt, Frau Martens, ich werde Frau Doktor inzwischen nicht aus den Augen lassen.«
Es dauerte noch zwei Tage und Nächte, in denen das Fieber in Hannas Körper wütete und sie schwächte, dann bekam Kay die Lungenentzündung endlich in den Griff, und die Temperatur ging langsam zurück. Nur für Stunden war Leonore in dieser Zeit dazu zu bewegen gewesen, von der Seite ihrer Tochter zu weichen, um etwas Schlaf zu bekommen.
»Wenn du noch lange so weitermachst, Mutter, dann kannst du dich gleich neben Hanna in ein Bett legen«, hatte Kay besorgt gesagt. Aber Leonore hatte immer nur abgewehrt und gesagt: »Ich kann Hanna nicht allein lassen. Sie braucht mich jetzt.«
Erst als sie wusste und selbst sah, dass Hanna die kritischen Stunden ohne weiteren Schaden überwunden hatte, zog sie sich erschöpft nach oben in Hannas Schlafzimmer zurück und fiel in einen tiefen, fast zehn Stunden andauernden traumlosen Schlaf.
*
»Wie hoch ist die Temperatur, Schwester Elli?« Fragend sah Kay die Oberschwester an, die gerade mit dem Fieberthermometer aus Hannas Zimmer kam.
»Weiter gesunken, es sind nur noch achtunddreißig sechs, Herr Doktor. Aber ich glaube, dass die vergangenen Tage sehr viel Kraft gekostet haben.«
Hannas Augen waren noch ein wenig trüb, als Kay an ihr Bett trat.
»Hallo, Schwesterherz, du hast uns vielleicht Sorgen gemacht! War wohl nichts, als du mir sagtest, dass dich so rasch nichts umwirft? Aber ganz im Ernst, ich bin ungeheuer erleichtert, dass wir die Sache endlich in den Griff bekommen haben. Deine Temperatur ist zwar noch erhöht, aber wenn es sich so weiterentwickelt, dann können wir alle zufrieden sein. Wie fühlst du dich?«
»So, als habe man mich durch den Wolf gedreht, am ganzen Körper wie zerschlagen«, antwortete Hanna mit matter Stimme.
»Kann ich mir vorstellen. Fieber schwächt den Körper immer ganz enorm.«
»Hör mal, Kay, mir war so, als ob Mutti hier war. Oder habe ich das vielleicht nur geträumt?«
»Du hast nicht geträumt, Hanna. Mutter kam gleich am zweiten Tag deiner Erkrankung und sie war kaum von deiner Seite zu bekommen. Gott sei Dank, jetzt schläft sie schon fast zehn Stunden. Sie war erst dazu bereit, als das Fieber bei dir zu sinken begann. Aber du solltest noch nicht zu viel reden, noch bist du nicht über den Berg und brauchst viel Ruhe. Du hast jetzt vier Tage keinerlei feste Speisen zu dir genommen. Du solltest versuchen, es jetzt mit etwas leichter Kost zu versuchen. Ich werde dafür sorgen, dass man dir eine kräftige Hühnerbrühe und dazu etwas frisches Weißbrot bringt. Deine Wangen sind in den wenigen Tagen richtig schmal geworden. Versuche jetzt, noch ein wenig zu schlafen. Schlaf ist in deinem Fall nun die beste Medizin.«
»Ich bin auch schrecklich müde, Kay«, entgegnete Hanna mit matter Stimme und schloss die Augen.
Leise verließ Kay nun das Krankenzimmer. Im Schwesternzimmer gab er Schwester Elli noch einige Anweisungen, danach ging er mit eiligen Schritten ins Erdgeschoss hinunter, wo er von seinen Mitarbeitern schon erwartet wurde.
*
Nach weiteren drei Tagen war Hanna zum ersten Mal fast fieberfrei. Am Abend, als Hanna schon schlief, saß Leonore Martens mit Kay oben in dem privaten Wohnraum und unterhielt sich mit ihm über Hanna.
»Weißt du, Junge«, sagte sie zu Kay. »Ich bin so froh darüber, dass es Hanna etwas besser geht. Aber ich meine, sie sollte nicht zu rasch wieder alle Aufgaben und Pflichten übernehmen. Ich will damit sagen, dass sie sich irgendwo in gesunder Luft ein paar Wochen so richtig von ihrer Erkrankung erholen kann. Ich weiß, du könntest jetzt einwenden, dass die Luft hier in der Heide gesund ist. Ich will es auch nicht abstreiten. Aber du kennst auch Hanna. Wenn sie hierbleiben würde, dann würde es ihr Ehrgeiz und ihr Selbstbewusstsein nicht lange zulassen, zuzusehen, wie ihr alle schafft, während sie selber die Hände in den Schoß legt. Nein, mein Vorschlag wäre schon, vielleicht für ein paar Wochen in den Schwarzwald zu fahren. Nun, was meinst du dazu?«
»Eine blendende Idee, Mutter, wenn es dir gelingt, Hanna dazu zu überreden. Weißt du, ich war inzwischen schon zwei Mal für einige Tage auswärts zu einem der Ärztekongresse, und Hanna ist dagegen überhaupt noch nicht fort gewesen. Ein richtig schöner Erholungsurlaub würde ihr guttun. Natürlich muss sie sich zuerst noch hier ein wenig erholen. Von heute auf morgen geht es freilich nicht.«
Eine halbe Stunde später wurde es dunkel hinter den Fenstern der kleinen Giebelwohnung.
Schon am nächsten Tag brachte Leonore Hanna gegenüber ihren Vorschlag zum Ausdruck, in Kürze einige Wochen in den Schwarzwald zu fahren, um sich richtig zu erholen und auszukurieren.
»Hat Kay dir das vorgeschlagen, Mutti?«
»Nein, Hanna, dieser Vorschlag kommt von mir persönlich. Aber ich habe gestern Abend mit Kay darüber gesprochen. Er findet ihn gut. Es geht ja nicht gut, wenn du dich zu schnell wieder in deine Arbeit stürzt und dadurch vielleicht sogar einen Rückfall bekommst. Während der letzten acht Tage musste es auch ohne dich gehen. Kay wird also auch noch einige Wochen länger allein auskommen müssen.«
»Wollt ihr mich hier loswerden, Mutti?« Hannas Stimme, noch immer etwas leise, klang halb scherzend und halb ernst.
»Aber, Hanna, Liebes, das glaubst du doch wohl selbst nicht«, entgegnete Leonore Martens betroffen.
»Es