Die Maskerade des jungen Königs. Kálmán Mikszáth von Kiscsoltó
„Ja, weil du in einem Überfluß an Weiblichkeit schwelgst“, lachte der Regent gut gelaunt. „Wie könntest du dich da beklagen, du Schlaufuchs!“
Die Herren lächelten und begannen die walachische Weiblichkeit mit recht unkeuschen Blicken zu betrachten. Die Frauen gewannen Mut und kicherten. Nur der junge Schreiber Balthasar senkte schamhaft die Augen. Er beugte sich über das Protokoll, um wie üblich die Wünsche der Bittsteller einzutragen. Diesmal begann er mit einem großen, vielverschlungenen F, das in roter Tinte ausgeführt wurde, während die nachfolgenden Buchstaben schwarz ausfielen:
„Feminae Szelistyeaenses supplicant viros a rege.“ (Die Frauen von Szelistye erbitten sich Männer vom König.)
Inzwischen erdröhnte die Glocke im Turm der Burg, und ein Page meldete, daß das Mittagessen bereit sei, und fragte, ob Szilágyi jetzt zu speisen wünsche oder später? Denn für einen so mächtigen Mann pflegte man in jenen Zeiten in einem vornehmen Hause mehrere Mittagessen zu kochen. Wenn Szilágyi sagte, er habe noch keinen Hunger oder sei anderweitig beschäftigt, dann wurde das bereits fertige Mahl einfach beiseite geräumt oder an die Armen verteilt, und die Köche, Küchengehilfen und Bratenwender machten sich daran, ein neues Essen zu bereiten. Hielt jedoch der hohe Gast den Zeitpunkt für geeignet, einen guten Bissen zu sich zu nehmen, dann erdröhnte die Glocke nochmals, und es entstand fieberhafte Tätigkeit in der Burg. Kammerdiener, tischdeckende Lakaien und Kellermeister rannten hin und her; die Zigeuner mit ihren Geigen nahmen auf der Balustrade Platz, und die Schützenmeister liefen zu ihren Mörsern, denn wenn der Reichsverweser zu Tische ging, dröhnten die Böller.
Szilágyi meinte einigen Appetit zu verspüren, winkte dem Pagen, daß man auftrage, und begann, die Staatsgeschäfte nun kürzer zu fassen.
„Diese Frauen“, sagte er zum Hofmarschall, „haben nicht so ganz unrecht. Man könnte ihnen aus der Reihe der Kriegsuntauglichen, ledigen Soldaten oder der unbrauchbaren Gefangenen ab und zu ein paar Männer senden. Sagen Sie ihnen also, daß Wir ihre Bitte erfüllen. (Er liebte es, den Pluralis majestatis zu verwenden.) Und fragen Sie sie doch“, fügte er lächelnd hinzu, „wieviel Männer sie brauchen?“
Der Hofmarschall übersetzte:
„Seine Gnaden, der Herr Reichsverweser, erfüllt eure Bitte, Frauen von Szelistye, und läßt euch fragen, wieviel Männer ihr benötigt?“
Nun gab es freudigen Lärm. Die Frauen stürzten auf ihren Gönner zu, knieten nieder und griffen nach dem Saum seines langen, veilchenfarbenen Mantels, um ihn, der Sitte der Zeit gemäß, zu küssen.
„Werdet ihr wohl“, brüllte der Hofmarschall, „die Kleider des Herrn Regenten in Ruhe lassen! Steht auf und sagt schnell, wieviel Männer ihr braucht!“
Die Frauen erhoben sich, steckten die Köpfe zusammen und berieten, erst flüsternd, dann immer lebhafter und lauter; fast gerieten sie sich darüber in die Haare.
„Nun“, drängte Herr Benedikt Sandor, „laßt hören: wieviel Seelen hat das Dorf?“
„Dreihundert.“
„Aber da sind auch Männer dabei?“
„Der Pope, der Glöckner und ein paar Knaben.“
„Wieviel Männer wollt ihr also?“
Die Anführerin der Delegation, jene nicht mehr ganz junge Marjunka, wölbte die Augenbrauen, als dächte sie angestrengt nach, dann legte sie die Hände aufs Herz und erwiderte:
„Dreihundert, Herr, auf jede Seele einen.“
„Dummheiten!“ rief der Hofmarschall erbost. „Unter den dreihundert Seelen befinden sich ja überhaupt noch die minderjährigen Mädchen und die ganz alten Frauen.“
„Zweifellos.“
„Da würde ja auf jede von euch mehr als ein Mann kommen.“
„Mein Gott, mein Gott!“ seufzte eine schwarzhaarige junge Frau, die in der ersten Reihe stand, und schlug züchtig die Augen nieder.
„Und wäre das ein so großes Unglück?“ warf eine kühnblickende rotwangige Blondine dazwischen.
„Ach, guter Herr, mein guter Herr Benedikt Sandor“, rief Marjunka lachend und ließ ihre weißen Zähne aufblitzen. „Bedenke doch, wie viele Wespen eine einzige Rose umschwirren und weder die Wespen noch die Rose haben einen Nachteil davon.“
„Frauen, Frauen!“ wies sie der Hofmarschall kopfschüttelnd zurecht. „Denkt an Gott, den Herrn! Seid nicht so unverschämt, sonst erzürnt ihr noch Seine Gnaden, und er nimmt zurück, was er euch versprochen hat.“
Die Frauen erschraken ein wenig, und schließlich einigte man sich dahin, er möge ihnen soviel geben, als er könne.
II
Juventus ventus
Im großen Buch des Königs stand also zu lesen: „Gubernator promisti.“ (Der Regent hat es versprochen.) Das konnte keine Katze mehr mit ihren Krallen auslöschen. Aber es gab ein Buch, das noch wichtiger war als dieses bedeutende Buch des Königs: das Buch des Schicksals. Und in diesem war vermerkt, daß der junge König Matthias eines Tages seinen allmächtigen Onkel Michael Szilágyi gefangensetzen und in die Burg Világos sperren werde, noch ehe der in die Lage käme, für die Frauen von Szelistye zu sorgen. Der Onkel hatte einst den kleinen Gefangenen, Matthias, zum König gemacht, und der machte nun den Onkel zum Gefangenen. Dergleichen geschieht oft in der Weltgeschichte. Es war vielleicht die einzige ungerechte Tat des großen Königs, und es ist seltsam, daß er eben dieser Tat wegen vom Volke den Beinamen erhielt: Matthias, der Gerechte.
Denn Herrn Szilágyis Nimbus war zu jener Zeit schon recht fadenscheinig. Das ist ja auch ganz natürlich. Aller Glanz vergeht. Und wir können gleichsam mit unseren eigenen Ohren vernehmen, wie in den kleinen Edelhöfen die Adeligen aufatmen, als die Fuhrknechte oder irgendwelche Reisende oder Kuriere die Kunde von Szilágyis Gefangennahme bringen: „Gott sei Dank, daß es endlich soweit ist. Sieh einer an, der kleine Matthias! Wer hätte das für möglich gehalten! Mit dem eigenen Onkel so umzuspringen! Aber gerade das ist es ja: Recht muß Recht bleiben! Der wird ein großer König!“
Und damit entschied sich das Schicksal des Königs Matthias, das Herz des Volkes öffnete sich und nahm ihn auf. Denn wer in das Herz des Volkes gelangen will, muß sich an die Phantasie der Leute halten.
Der junge König selbst, der eine harte Hand, aber ein weiches Herz besaß, begann seine Tat bald zu bedauern. Oft erschien in schlaflosen Nächten das Bild seines Onkels vor ihm, abgemagert, mit langem Bart und vorwurfsvollem Blick. Tagsüber las er in den Augen seiner Mutter die Spuren eines geheimen Kummers.
Das Schicksal wollte es, daß er eines Tages jenes Buch in die Hände bekam, das sein Onkel vom Schreiber Balthasar über die Staatsgeschäfte hatte führen lassen. Der König blätterte darin und dachte, daß es wohl schicklich wäre, die Versprechen, die darin gegeben waren, einzulösen. Denn was der Regent gesagt hat, ist schließlich genausoviel, als hätte es der König gesagt.
So geschah es, daß unter anderem auch die Affäre der Frauen von Szelistye wieder ans Tageslicht kam. Ja, die Neugier des Königs wurde mehr als gewöhnlich von jener seltsamen Eintragung gefesselt, daß sie sich Männer vom König erbaten und der Regent sie ihnen versprochen habe. Das schien ein kapitaler Spaß. Dem mußte man nachgehen, ungesäumt. Und darum möge sich Herr Pronay auf den Weg machen, zum Grafen von Szeben, Herrn Georg Dóczy, um Genaueres über diese Sache zu erfahren, weil der König gesonnen sei, zu halten, was sein Onkel versprochen habe.
In Ofen war es gerade windstill; kein Grashalm regte sich auf den Gefilden der Politik. Es stand auch tatsächlich kein anderes Thema zur Diskussion, bis auf die verschiedenen Pläne, wie man die Stephanskrone von den Deutschen wiedererlangen könnte. Aber auch dieses Thema war bereits nicht mehr wichtig seit des alten Gara Ausspruch „Entweder mit Eisen oder mit Gold“. Darüber gab es nichts weiter zu sagen.
Mit einem Wort: es war Saure-Gurken-Zeit bei Hofe, und da wurde der Auftrag, den Pronay erhalten