Die Maskerade des jungen Königs. Kálmán Mikszáth von Kiscsoltó

Die Maskerade des jungen Königs - Kálmán Mikszáth von Kiscsoltó


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Dieses elende Machwerk verschonte selbst die Person des Königs nicht mit seinem Spott.

      Aber auch ernst zu nehmende Leute rügten Herrn Pronay und vertraten die Meinung, ein Edelmann solle sich nicht zu derlei Aufträgen mißbrauchen lassen.

      Wahr ist, daß es überflüssig schien, Herrn Pronay nach Siebenbürgen zu entsenden, weil der König durch Bánffy, Rozgonyi, Kanizsay, die damals zum Gefolge seines Onkels gehörten, orientiert wurde, was sich damals in Fogaras abgespielt hatte. Bánffy sagte ganz offen:

      „Majestät täten gut daran, alle blinden Männer des Landes zu sammeln und nach Szelistye zu senden, denn, auf Ehre, jene Frauen waren alles eher als hübsch.“

      Dieses Gerede trug nur dazu bei, das Interesse an dieser Frage wachzuhalten. Man sprach darüber. Nun, was schadete das? Es war jedoch unangenehm, daß die vergifteten Pfeilchen und kleinen Nadelstiche Frau Pronay, die bevorzugte Hofdame Elisabeth Szilágyis, der Mutter des Königs, mit wachsendem Ärger erfüllten. Sie machte eine große Geschichte daraus. Und da eine Frau die Bitterkeit des Herzens leicht mit einer anderen teilt, kam es, daß Frau Elisabeth dem König vorwarf, in welch eine häßliche Sache er den armen alten Pronay verwickelt habe.

      Matthias lächelte.

      „Aber, liebste Mutter, schenken Sie doch dem Gerede bei Hofe keinen Glauben! Sie kennen ja diese Leute. Sie sehen alles verkehrt und erzählen es noch verkehrter wieder. Es handelt sich einfach darum, daß in einem ganzen Landstrich alle Männer ausgestorben sind, die Felder brachliegen und die Frauen jener Gegend daher gebeten haben, man möge ihnen Arbeitskräfte senden.“

      „Diese unkeuschen Geschöpfe“, bemerkte Frau Elisabeth verächtlich. „Hoffentlich hast du ihnen kein Versprechen gegeben?“

      „Ich habe nichts damit zu tun“, antwortete der König. „Michael Szilágyi hat den Frauen sein Wort verpfändet und für mich ist alles heilig, was er bestimmt hat.“

      „So?“ sagte die hohe Frau, während sich ihre Stirn umwölkte. „Michael Szilágyi? Weshalb sagst du nicht mein Onkel!?“

      „Gut. Also mein Onkel.“

      „Du könntest hinzufügen, ‚mein gefangener Onkel‘. Oh, Kinder, Kinder!“

      Tränen traten in ihre Augen. Matthias wurde von Rührung ergriffen.

      „Wie gut haben Sie es, Mutter, daß Sie weinen können! Der König, sehen Sie, darf nie weinen, und doch ist auch sein Herz verwundbar. Der wahre Gefangene ist der König; er ist Gefangener eben jenes Bewußtseins, ein König zu sein. Er darf sich nicht zieren und nicht wählerisch sein. Für euch sind die Dinge anders, weil ihr es euch leisten könnt, nur ihre eine Seite zu sehen. Wenn man euch sagt: man muß Männer in Szelistye ansiedeln, damit die Felder bestellt werden, dann ist das für euch eine gute Tat. Wenn aber die Frauen diese Männer für sich haben wollen, dann ist es unmoralisch und eine Schande in euren Augen. Für den König ist das völlig gleich. Denn der König kann nicht nur daran denken, daß das Korn auf den Feldern reif wird, er braucht auch Soldaten.“

      „Und was willst du damit sagen?“ fragte Elisabeth scharf.

      „Ich will damit sagen, liebe Mutter“, sagte der König sanft, „daß es für andere schwer ist, sich in die Dinge des Königs zu mischen.“

      „Ich verstehe, Majestät“, sagte die hohe Frau spöttisch, den Kopf stolz zurückwerfend, und zog sich in ihre Gemächer zurück.

      Immerhin hatte sie erreicht, daß sie dem König die Lust nahm, sich mit der Sache weiter zu befassen, und obwohl Herr Pronay seiner eigenen Meldung auch noch das dringende Gesuch des Obergespans von Szeben anschloß, traf Matthias keinerlei Entscheidung. Das Erinnerungsvermögen der Könige ist auch nur ein Sieb, die kleinen Körner fallen hindurch und nur die großen bleiben obenauf.

      Es verging ein Jahr und noch ein halbes Jahr, und alles blieb beim alten, als der König bei der Hochzeit Anna Drágffys, strahlender Laune, sich Georg Dóczy, dem Obergespan von Szeben, gegenübersah.

      „Ah! Du bist auch da? Erzähle uns, was es Neues gibt in Siebenbürgen! Wie geht es unseren getreuen Sachsen und braven Walachen?“

      Der Angeredete verneigte sich:

      „Sie alle sind Eurer Majestät treu ergeben.“

      „Und diese deine Frauen? Was waren das nur gleich für Frauen?“ rief der König lachend.

      Da waren gleich drei, vier, die seiner Erinnerung nachhalfen.

      „Die Frauen von Szelistye.“

      „Richtig, die Frauen von Szelistye. Was ist nun mit ihnen?“

      „Sie warten noch immer auf das, was man ihnen versprochen hat“, antwortete Dóczy lächelnd.

      Der König dachte nach und auf seiner Stirn erschienen die drei historischen Falten.

      „Das ist nicht so einfach, wie ihr vielleicht glaubt. Bánffy hat unsere ganze Kalkulation über den Haufen geworfen. Bánffy erzählt, daß sie nicht hübsch sind. Ja, dann ist das sehr schwierig. Denn wen könnte ich ihnen schicken? Kriegsuntaugliche Soldaten oder Landsknechte. Aber soll ich ihre Verdienste im Krieg damit belohnen, daß ich sie alten Hexen und Xantippen in die Arme treibe? Oder soll ich dort fremde Gefangene ansiedeln? Mein Gott, sie würden ja bei der erstbesten Gelegenheit desertieren!“

      „Die Argumente Euer Majestät sind treffend und weise“, erwiderte der Obergespan von Szeben, ebenfalls halb im Scherz; „nur der Ausgangspunkt ist falsch, denn man kann die Frauen von Szelistye ruhigen Gewissens schön nennen.“

      Der König lachte.

      „Nun, macht das unter euch aus, mit Bánffy, denn jetzt weiß ich selbst nicht mehr, wem ich glauben soll, oder aber (und er zwinkerte ihm schelmisch zu) schicke mir eine kleine Probe zur Ansicht.“

      Aus der Schürze des Bauern fallen viele Körner in die Ackerrinne und auf den Weg. Viele davon picken die Vögel auf und es wird keine Ähre daraus. Der König ist ein großer Herr, aber auch bei ihm ist es so, daß nicht jedes seiner Worte Früchte trägt. Viel geht auch hier verloren. Wenn der König gescheit ist, rede er wenig (ist er dumm, noch weniger). Denn daß nicht jedes seiner Worte aufgeht und zur Ähre wird, ist noch kein Unglück. Viel schlimmer ist, daß aus manchen seiner Worte Dinge entstehen, die besser nicht entstanden wären. Es ist gut für den König, von dem wenigen, was er zu sagen hätte, viel zu verschweigen.

      Kleine Ursachen, große Wirkungen. Der Teufel schläft nicht. Zu Pfingsten fuhr der König in sein Schloß nach Várpalota. Das war seine Junggesellenbude. Wollte er ein paar krumme Tage grad sein lassen, dann versteckte er sich hier mit seinen vertrautesten Gefährten, den Brüdern Czobor, dem jungen Kanizsay, mit Paul Guthy und Gregor Rozgonyi, mit einigen gleichaltrigen Magnaten also. Er ließ seine italienischen Meister, seine Gelehrten und die Großen des Landes zurück. Weshalb sollte der Junge nicht manchmal dem ewigen Studium entfliehen und den Kopf ein wenig auslüften dürfen? Jugend braucht Spiel und Vergnügen. Hier wurde getrunken, gegessen, allerlei Unfug getrieben, es gab Ringkämpfe, Ballspiel und Wettlauf, und es geschah mehr als einmal, daß der junge König recht unsanft mit der Erde in Berührung kam.

      Auch in diesem Jahr versammelten sie sich hier in den Pfingsttagen. Der König selbst war bereits am Freitag angekommen, mit seinem Hofnarren Mujko, ein Teil der Freunde traf am Samstag ein, und nur ein einziger, Stefan Báthory sprengte erst spät abends in den Schloßhof.

      Er wurde mit großem Hallo empfangen.

      „Wo kommst du her? Weshalb hast du dich verspätet? Ein Abenteuer?“

      „Ich komme direkt aus Ofen.“

      „Was gibt es dort Neues seit heute morgen?“

      Er begann von den neuesten Ereignissen am Hofe zu berichten und auf einmal schlug er die Hände zusammen und sprudelte hervor:

      „Ach, Majestät, Sie ahnen nicht, welch herrliche drei Frauen Georg Dóczy aus Szelistye zur Ansicht geschickt hat!“

      „Was


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