Gauner sind unser Geschäft. Jana Scheerer

Gauner sind unser Geschäft - Jana Scheerer


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Nummer 31 lautet: Ein Detektiv sagt stets die Wahrheit – aber eigentlich hatte ich ja auch gar nicht gelogen. Die Detektei Donnerschlag hatte einen neuen, aufregenden Fall. Es lief also wirklich alles bestens.

      »Gut, Harald. Dann ist die Sache gebongt. Hand drauf?«

      Bevor er es sich anders überlegen konnte, schlug ich ein.

      Herr Schuhpisser strahlte mich an. So fröhlich kannte ich ihn gar nicht. »Sehr schön«, rief er, »damit bist du der Ruckelnser Aal-Prinz, Harald! Freust du dich?«

      »Ah … Aaaaaaaaaaaaaal-Prinz?«, stotterte ich entsetzt.

      »Ja.« Herr Schuhpisser nickte. »Du hast ganz richtig gehört: Aal-Prinz. Herzlichen Glückwunsch.«

      Ich saß da wie gelähmt. Es gibt nichts Peinlicheres, als den Aal-Prinzen spielen zu müssen. Jeden Sommer findet in Humbug der Hafenumzug statt. Dabei präsentieren sich alle Orte der Umgebung mit ihren Spezialitäten. Die Ruckelnser Spezialität ist Aal. Deshalb werden bei uns jedes Jahr eine Aal-Prinzessin und ein Aal-Prinz gewählt, die dann auf dem Ruckelnser Wagen mitfahren müssen, mit einer Krone auf dem Kopf. Und verkleidet als Aal.

      »Moment mal.« Empört fuhr ich Herrn Schuhpisser an: »Das meinten Sie also damit, dass der Fall Tarnung notwendig macht. Und ich dachte, wir sollen undercover ermitteln. Sie haben mich belogen.«

      Herr Schuhpisser grinste. »Ich habe von einem Auftrag gesprochen und nicht von einem Fall, Harald. Und nicht von Tarnung, sondern von Verkleidung. Für einen Detektiv hörst du nicht besonders gut zu.«

      Das musste ich mir zähneknirschend eingestehen. Vielleicht war es einfach zu heiß.

      »Du hast den Auftrag angenommen«, stellte Herr Schuhpisser zufrieden fest, »mit Handschlag.«

      »Aber Lennard ist doch dieses Jahr der Aal-Prinz«, wandte ich ein.

      »Lennard liegt mit einer schweren Erkältung im Bett. Und Jasmin auch. Als Aal-Prinzessin springt Wiebke ein. Sie hat dich als Aal-Prinzen vorgeschlagen.«

      »Ach so.« Das besänftigte mich etwas. Mit Wiebke an meiner Seite war es nicht ganz so schlimm, mich als Aal-Prinz lächerlich zu machen. Trotzdem war es mir ein Rätsel, warum Wiebke zugesagt hatte und mich in die Sache mit hineinzog. Ihr war das Ganze doch sicher genauso peinlich wie mir. Ich kombinierte: Vielleicht hatte Wiebke vernünftige Gründe, die mir noch nicht bekannt waren. Schließlich hatte sie geschrieben: Einem echten Detektiv ist nichts peinlich. Er tut, was die Ermittlungen erfordern. Es bestand also die Möglichkeit, dass es in der Aal-Sache irgendetwas zu ermitteln gab. Ich beschloss, Wiebke zu vertrauen.

      »Na gut«, willigte ich ein.

      »Perfekt.« Herr Schuhpisser erhob sich. »Am besten kommst du gleich mit, meine Frau wartet im Rathaus mit den Kostümen auf Wiebke und dich. Zur Anprobe.« Er wandte sich zum Gehen. Kurz darauf hörte ich seine Schritte auf der Kellertreppe.

      Ich nahm meine Füße aus der Schüssel mit dem kalten Wasser, trocknete sie ab, krempelte meine Hosenbeine herunter, zog meinen Mantel an, setzte den Hut auf und griff mir mein Mobiltelefon. Bevor ich Herrn Schuhpisser folgte, las ich noch schnell Wiebkes Nachricht zu Ende. Hast du Lust auf einen Fall, bei dem es um eine abgehackte Knochenhand, Gold und Juwelen geht? Dann folgte ein Link zu einem Online-Artikel. So schnell es ging, überflog ich die Zeilen:

      Wer raubte die Juwelenhand?

      Humbug. Am Mittwochnachmittag kam es in Humbug zu einem der größten und dreistesten Diebstähle der letzten Jahre: Am helllichten Tag raubten Gauner aus dem Opernmuseum die rechte Hand des berühmten Komponisten Melchior von Brokelfurth. Die Knochen waren seit dem Ableben Brokelfurths vor dreihundertfünfzig Jahren in einer kunstvoll gestalteten, goldenen Hand verwahrt worden und lockten unter dem Namen »Juwelenhand« Besucher aus aller Welt in das Opernmuseum.

      Bis jetzt.

      Nun ist die Hand unter mysteriösen Umständen verschwunden. Um siebzehn Uhr drei erlosch im Museum plötzlich die Beleuchtung.

      »Wir standen auf einmal komplett im Dunkeln«, berichtet eine schockierte Besucherin, »es war richtig unheimlich!«

      Um die empfindlichen Ausstellungsstücke des Museums vor Sonnenlicht zu schützen, sind die Fenster des Museums lichtdicht verklebt.

      »Es ging alles blitzschnell«, beschreibt ein entsetzter Besucher die Situation. »Es knallte und klirrte, dann ging das Licht wieder an, und ein Wachmann kam in das Zimmer gelaufen. Aber er konnte nichts mehr ausrichten. Die Vitrine war zerschlagen, und die Juwelenhand … die war weg!«

      Durch den Alarm wurden automatisch alle Ausgänge des Museums verriegelt. Die Polizei war rasch zur Stelle und kontrollierte alle anwesenden Personen – doch niemand hatte die Juwelenhand bei sich.

      Die Polizei bittet um Ihre Mithilfe. Sachdienliche Hinweise richten Sie bitte an Ihr Polizeirevier oder diese Zeitung.

      Ich musste lächeln. Das war also Wiebkes Plan: Unsere Rolle als Aal-Prinzenpaar ermöglichte uns einen Ausflug nach Humbug. Und dort würden wir natürlich nicht nur den Aal spielen, sondern zusammen mit unserer Kollegin Trix nach der verschwundenen Juwelenhand suchen. Perfekt.

      »Harald?«, kam die Stimme meiner Großmutter von oben. »Wo bleibst du denn? Herr Schuhpisser wartet auf dich!«

      Ich steckte das Handy ein und stieg die Kellertreppe hoch. Wiebke hatte vollkommen recht: Um in diesem spannenden, sicherlich gefährlichen Fall zu ermitteln, war wirklich kein Kostüm zu peinlich.

      Meine Kopfhaut hatte sich anscheinend doch nicht geirrt.

      Kapitel 2 In dem meine Oma vor Stolz beinahe platzt, Wiebke und ich uns in Aale verwandeln und auf eine erste Spur im Fall der geraubten Juwelenhand stoßen.

      Als ich die Kellertreppe hochkam, plauderte Herr Schuhpisser gerade im Hausflur mit meiner Großmutter. Bei meinem Anblick rief sie: »Da kommt ja unser Aal-Prinz! Nee, nee, nee, nee, nee, ich bin so was von stolz auf dich, Harald!« Sie umarmte mich stürmisch.

      Ich freute mich darüber, aber es kam mir auch etwas unlogisch vor: Da hatte ich schon entlaufene Schafe gerettet, entführte Katzen befreit, gestohlene Siegelringe wiederbeschafft, falsche Geister entlarvt, grünes Leitungswasser aufgeklärt, verrückte Hypnotiseure zur Strecke gebracht und herausgefunden, dass unsere Familie von einer Piratin abstammt – aber am tollsten fand meine Oma mich, wenn ich mich als Aal verkleidet durch den Humbuger Hafen kutschieren ließ.

      Herr Schuhpisser lächelte zufrieden. »Sie können auch wirklich stolz auf Ihren Harald sein, Frau Donnerschlag. Nicht jeder hat die Ehre, als Aal-Prinz an der Seite der Bürgermeisterin auf dem Ruckelnser Wagen mitzufahren. Aber jetzt muss Harald dringend zur Anprobe. Der Hafenumzug ist schließlich schon morgen. Falls noch etwas am Kostüm geändert werden soll, bleibt dazu wenig Zeit.«

      Mit seinem Auto setzte Herr Schuhpisser mich am Rathaus ab. Drinnen warteten schon Frau Schuhpisser und Wiebke auf mich. Ich musste mich sehr beherrschen, bei Wiebkes Anblick nicht laut zu lachen. Sie trug bereits ihr Kostüm und sah aus wie – tja, wie ein Aal. Von Kopf bis Fuß steckte sie in einem engen, dunkelgrün-gräulich glänzenden Schlauch, der unten spitz zulief und oben von einem Aal-Kopf mit einem golden glänzenden Krönchen geziert wurde.

      »Lach nicht!«, rief sie, als sie mich sah.

      »Öhm … okay.« Stattdessen hustete ich.

      »Bist du etwa auch erkältet, Harald?«, fragte Frau Schuhpisser besorgt. »Du darfst morgen nicht ausfallen, das wäre unglaublich furchtbar!« Sie hockte sich zu Wiebkes Füßen und steckte den Aal-Schwanz mit Nadeln ab.

      »Ich habe mich nur verschluckt«, beruhigte ich Frau Schuhpisser.


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