Jan pass auf!. Carlo Andersen

Jan pass auf! - Carlo Andersen


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möglich gewesen, ihm eine Falle zu stellen, die den Bandenführer hinter Schloß und Riegel brachte. Bei der Festnahme hatte Clausen geschworen, sich an Jan und Erling zu rächen, sobald er wieder frei war.

      Jan kam der Gedanke, daß Walther Clausen sich im Gefängnis sicher nicht so mustergültig aufgeführt hatte, weil er inzwischen ein neuer und besserer Mensch geworden war, sondern weil er sehr wohl wußte, daß er bei guter Führung eine Strafmilderung zu erwarten hatte. Nun, diese Hoffnung hatte sich jetzt erfüllt.

      Jan fühlte sich nicht ganz wohl bei dem Gedanken, daß er seinem Vater nicht erzählt hatte, was Walther Clausen ihm bei seiner Festnahme angedroht hatte. Das hätte er eigentlich tun sollen... aber er hatte den Vater nicht unnötig ängstigen wollen. Es konnte ja schließlich doch sein, daß der Gefängnisaufenthalt den jungen Mann zur Besinnung gebracht und einen besseren Menschen aus ihm gemacht hatte. Vielleicht hatte er alle Rachegedanken aufgegeben.

      Eine neue Idee überkam Jan. Warum hatte sein Vater ihm wohl erzählt, daß Walther Clausen frei war? Hatte er es vielleicht als Warnung gemeint, weil er ahnte, daß der junge Mensch sich rächen wollte? Sehr wahrscheinlich war es so, denn der Vater schien manchmal einen sechsten Sinn zu haben. Dem tüchtigen Kriminalkommissar entging so leicht nichts... es wäre auch dumm gewesen, etwas vor ihm verbergen zu wollen.

      Während Jan sein Fahrrad unter dem Wellblechdach im Schulhof abstellte, kam der dicke Erling auf ihn zu und sagte munter: «Lieber Freund, es scheint mir, als sei deine sonst so freundliche Miene heute morgen ein wenig verdüstert. Hast du vergessen, deine Geschichtsaufgabe vorzubereiten?»

      «Nein...»

      «Französisch?»

      «Auch nicht», antwortete Jan und mußte nun doch lachen. «Ich glaube, ich habe so ziemlich alles vorbereitet.» Dann wurde sein Gesicht ernst, und er fuhr fort: «Schon möglich, daß ich ein wenig düster aussehe, denn ich habe auf dem ganzen Schulweg an Walther Clausen gedacht. Erinnerst du dich an den Burschen? Er ist kürzlich auf Bewährung freigelassen worden.»

      «Natürlich erinnere ich mich an Clausen. Aber warum regt seine Freilassung dich auf?» fragte Erling ohne größeres Interesse.

      Jan hob die Schulter. «Nun, ich will nicht behaupten, daß ich allzusehr beunruhigt bin, aber ich kann die Drohung nicht vergessen, die der Kerl damals ausgestoßen hat.»

      «Ach was, der wird sich im Gefängnis wieder abgekühlt haben», meinte Erling.

      Da klingelte auch schon die Schulglocke, und die beiden Freunde bekamen erst nach dem Unterricht wieder Gelegenheit, miteinander zu sprechen, als sie zusammen mit ihrem Freund Jesper, Krümel genannt, wegradelten. Das Wetter war schön an diesem Tag. Deshalb beschlossen die Freunde, einen kleinen Ausflug mit der «Rex», ihrem Segelboot, zu machen; sie fuhren also in Richtung Helleruper Segelklub. Jesper hatte es sehr bedenklich gestimmt, als Jan ihm erzählte, was mit Walther Clausen geschehen war.

      «Ich weiß, daß er ein gefährlicher Mensch ist, und ich bin sicher, daß er seine Drohungen wahrmachen wird.»

      Erling gab seinem kleinen Freund einen väterlichen Klaps auf den Rücken. «Lieber kleiner Krümel, ich kann wirklich nicht einsehen, weswegen du dich fürchten müßtest. Bei dem Fußballspiel gegen Rödbjergs Internatsschule und in den darauffolgenden Ereignissen hast du doch kaum eine Rolle gespielt. Ich möchte sagen, daß Walther Clausen überhaupt nicht weiß, daß es dich gibt. Also Kopf hoch, Krümel, du hast nichts zu befürchten. Wenn der Kerl jemandem eins auswischen will, dann wird er sich an Jan und Onkel Erling halten. Aber das wird ihm schlecht bekommen, nicht wahr, Meister Jan?»

      «Hm – ja», murmelte Jan bedrückt.

      Erling seufzte tief. «Na, hört mal, was habe ich mir da für Schlafmützen als Freunde ausgesucht? Der eine ist bedrückter als der andere! Man sollte geradezu meinen, Clausen sei uns vor Blutdurst schnaubend auf den Fersen. Also, liebe Freunde, ich bitte mir eine bessere Laune aus. Es mag ja sein, daß der Kerl eines Tages auftaucht, um seine Kräfte an den unseren zu messen, aber er ist nun doch wirklich nicht der Schlimmste von all denen, die uns in unserem bisherigen glorreichen Leben begegnet sind. Er wird sich wundern, wenn er an Onkel Erling gerät!»

      Jan konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. «Erstaunlich, wie übermütig du geworden bist, Dicker. Sonst bist doch du derjenige, der die Dinge immer sehr schwarz sieht. Warum die vielen stolzen Worte?»

      «Dreimal darfst du raten.»

      «Ich kann es, glaube ich, beim ersten Mal erraten. Wenn du so übermütig bist, dann wohl, weil du damit rechnest, daß wir Walther Clausen nie zu Gesicht bekommen werden. Stimmt’s?»

      «Haarscharf, mein Freund!» Erling nickte. «Ich beuge ehrfurchtsvoll mein Haupt vor deinem Scharfsinn. Meiner bescheidenen Meinung nach werden wir nichts mehr von ihm sehen.»

      «Laßt uns in der Hoffnung leben!» sagte Jan trocken.

      Die Jungen bogen auf den Weg zum Segelklub ein. Als sie am Klubhaus von den Rädern stiegen, fuhr gerade ein kleiner, gelber Sportwagen mit großer Geschwindigkeit an ihnen vorbei. Der Wagen fuhr bis zum Ende des Weges, drehte dort um und kam ebenso schnell zurück. Jan, der als letzter durch die Tür ging, warf zufällig einen Blick auf den Wagen – und es gab ihm einen Ruck. Er blieb einige Augenblicke unbeweglich stehen und starrte dem Wagen nach, der gerade an der Ecke zum Strandvejen von der Straße abbog.

      Erling gab ihm einen kleinen Stoß in die Seite. «Hallo, edler Herr... du stehst da und siehst aus, als hättest du Gespenster gesehen.»

      «Gespenster?» wiederholte Jan geistesabwesend. «Wenn es nur Gespenster gewesen wären!»

      «Wie bitte?»

      «Ja, wirklich. Hast du den kleinen gelben Sportwagen gesehen?»

      «Natürlich.»

      «Und hast du auch gesehen, wer darin saß? Walther Clausen höchstpersönlich.»

      Erling stöhnte gequält: «O nein, sag das nicht! Bist du ganz sicher?»

      «Hundertprozentig.»

      «Meinst du, daß er nach uns Ausschau gehalten hat?»

      «So sieht es aus. Es wäre doch seltsam, wenn unsere Wege sich gerade hier zufällig kreuzen würden. Scheint es dir jetzt nicht auch, daß es Walther Clausen mit seinen Drohungen bitter ernst war?»

      Erling nickte und seufzte gleichzeitig. «Nie mehr werde ich Optimist sein, da wird man nur enttäuscht. Wir sind unter einem Unglücksstern geboren, ich sehe schon die ärgsten Unannehmlichkeiten voraus.»

      Zweites kapitel

      Jan hegt einen schweren Verdacht

      Im Jachthafen lag die «Rex» vor Anker, und Carl, der vierte im Bunde, wartete an Bord auf seine drei Freunde.

      Jan schlug ihm fest auf den Rücken und sagte lachend: «’n Tag, Carl. Nach und nach wird die ‚Rex‘ ja wirklich zu deinem ständigen Zuhause. Warst du heute schon draußen?»

      «Ja, am Vormittag ein paar Stunden... aber sei versichert, daß ich immer bereit bin, hinauszufahren. Von der See kann ich nie genug kriegen. Leider werde ich sie allerdings ein paar Tage lang entbehren müssen.»

      «Warum?»

      «Meinem Vater geht es nicht gut; ich muß ihn wahrscheinlich in der Fahrradwerkstatt ein wenig vertreten.»

      Der starke Carl sah bei diesem Gedanken nicht sehr erfreut aus. Zwar wollte er natürlich seinem Vater gern helfen, aber anderseits würde das bedeuten, daß er seine geliebte «Rex» für einige Zeit verlassen mußte, und während des Sommers war die «Rex» sein eigentliches Heim. Wenn es das Wetter zuließ, war er tagsüber auf dem Öresund, und nachts schlief er in der kleinen Kajüte. Zwischendurch ging er dem Hafenmeister zur Hand und verdiente sich damit ein schönes Taschengeld. Er sparte nach wie vor jede Krone, um bald die Steuermannschule besuchen zu können. Nächstes Jahr, wenn seine Freunde die Schule verließen, würde er sich auf jeden Fall von ihnen trennen müssen. Vorläufig genoß er


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