Jan pass auf!. Carlo Andersen

Jan pass auf! - Carlo Andersen


Скачать книгу
Helsinki Goldmedaillen erkämpft hatte, lobten ihn sehr. Elvström war der beste Mann im Helleruper Segelklub und wußte eine Leistung zu würdigen. Carl hatte einen ganz roten Kopf bekommen, als Elvström ihn lobte, denn es war keine Kleinigkeit, von diesem Experten der Segelkunst anerkannt zu werden.

      Jan setzte sich auf die Ruderbank und schaute seinen Freund lächelnd an.

      «Hör mal, Carl», sagte er, «ich habe das Gefühl, daß nicht nur dein Vater eine helfende Hand braucht. Wir werden sicher auch deine Muskeln bald nötig haben...»

      «Nein, wirklich?» fragte Carl und strahlte. «Braut sich ein Sturm zusammen?»

      «So könnte man es wohl nennen.»

      Dann erzählte Jan dem Freund alles, was er im Zusammenhang mit der Freilassung Walther Clausens wußte. Carl ballte seine Fäuste und sah böse drein.

      «Oh, besten Dank, den Kerl kenne ich, und sollte ich ihn zwischen die Finger bekommen, dann werde ich schon dafür sorgen, daß er kein weiteres Unheil verursacht. Ich werde ihn zu Ato... – wie heißt das nun wieder? – zerkrümeln.»

      «Zu Atomen», schlug Jan lächelnd vor. «Aber das sollst du nun auch wieder nicht, Carl. Es ist ganz in Ordnung, wenn man seine Muskeln zur Verteidigung oder zugunsten einer guten Sache benutzt, aber man darf niemanden zu Atomen zerkrümeln, bloß weil man ihn nicht leiden kann.»

      «Ja, das schon, aber er hat sich doch damals wie ein Bandit benommen – dir und Erling gegenüber, meine ich...»

      «Das stimmt zwar, aber dafür hat er ja auch seine Strafe bekommen. Und noch sind wir nicht sicher, daß er neue Bosheiten im Sinn hat.»

      «Die hat er im Sinn! Das ist bei diesem Schuft sicher.»

      «Gut, gut, aber das müssen wir erst abwarten. Wenn er selbst zum Angriff übergeht, können wir ja unsere Muskeln benützen... aber wirklich keine Sekunde früher! Wir leben schließlich in einem zivilisierten Land, wo zwischen anständigen Menschen nicht das Faustrecht gilt. Sei mal ehrlich, Carl, so gern prügelst du dich doch gar nicht.»

      «N–nein... das nicht...»

      «Natürlich nicht, Carl», schmunzelte Jan. «Trotz deiner großen Kraft bist du im Grunde friedlich wie ein Lamm, und bisher hast du deine Fäuste nur dann gebraucht, wenn wir anderen in der Klemme saßen. So soll es ja auch sein. Nur zweitrangige Menschen entscheiden Streitigkeiten mit Hilfe ihrer Fäuste.»

      «Mhm», murmelte Carl bloß.

      «Sollten wir jetzt nicht machen, daß wir wegkommen», schlug Jesper vor. «Der Wind ist gut, und wir könnten bis nach Hveen segeln.»

      Erling schlug ihm kameradschaftlich auf die Schultern. «Zuerst, Krümelchen, brauchen wir eine Tasse Tee. Mach voran, Junge, und zünde den Primuskocher an.»

      «Aber...»

      «Sei still, elende Schlange! Onkel Erling hat Hunger und Durst. Er wagt sich nicht aufs weite Meer, bevor er etwas im Magen hat.»

      «Krümel, sei so gut, und mach uns eine Tasse Tee», bat Jan. «Wir bekommen doch keine Ruhe vor dem dicken Fresser, ehe er seinen Willen durchgesetzt hat.»

      «Dickes Kamel», zischte Jesper durch die Zähne und verschwand in der Kajüte.

      Zehn Minuten später saßen die vier Freunde gemütlich um den kleinen Tisch in der Kajüte, und als Erling seinen ärgsten Hunger gestillt hatte, glitt die «Rex» vor gutem Wind aufs Meer hinaus. Wie immer wurde es ein herrlicher Nachmittag für die Jungen. Auf den schaumgekrönten Wellen des Öresund pumpten sie frische Luft in ihre Lungen und hatten dann auch nichts dagegen, am Abend über ihren Schulbüchern zu hocken. Das Gleichgewicht zwischen Vergnügen und Pflicht mußte ja gewahrt bleiben.

      In den darauffolgenden Tagen blieb die «Rex» notgedrungen an ihrem Liegeplatz. Carl half seinem kranken Vater in der Reparaturwerkstatt, und die drei anderen hatten keine große Lust, ohne ihren starken Freund loszufahren. Es erschien ihnen sogar ein wenig unkameradschaftlich, etwas ohne ihn zu unternehmen.

      Eines frühen Morgens, kurz bevor Jan zur Schule ging, erhielt er einen Anruf vom Hafenmeister Winslöw aus Hellerup. Es war ein sehr aufregender Anruf, denn der Hafenmeister berichtete, daß die «Rex» im Laufe der Nacht gesunken sei.

      Jan ließ beinahe den Hörer fallen vor Überraschung, und dann fragte er zweifelnd: «Was erzählen Sie da, Herr Winslöw? Die ‚Rex‘ ist gesunken?»

      «Ja», erwiderte der Hafenmeister trocken. «Sie ist auf den Grund des Hafenbeckens gesunken.»

      «Ja, aber... hm... wie kann das denn passiert sein?»

      «Keine Ahnung, Jan. Aber wir müssen das Boot ja heben lassen; dann werden wir feststellen, was geschehen ist. Die ‚Rex‘ kann nicht im Hafenbecken liegen bleiben; das würde ihr auch schlecht bekommen. Billig wird die Hebung allerdings nicht sein. Aber ich darf doch wohl Hilfe holen, um die ‚Rex‘ herauszubekommen?»

      «Ja, natürlich... Bitte, warten Sie einen Moment, Herr Winslöw.»

      Schnell berichtete Jan seinem Vater, was passiert war, und kopfschüttelnd erklärte der Kommissar sich bereit, die Kosten für die Hebung der «Rex» zu bezahlen. Nach der Schule wollte Jan dann selbst nach Hellerup fahren, um sich alles genau anzusehen. Er konnte absolut nicht verstehen, wieso das solide Segelboot so unerwartet gesunken war. Es klang ganz unglaublich... aber der Hafenmeister war ein ernster und pflichtbewußter Mann, der mit solchen Dingen keinen Spaß treiben würde. Sehr seltsam war das Ganze jedenfalls.

      Nach der Schule fuhren Jan, Erling und Jesper zum Helleruper Hafen. Die «Rex» war bereits gehoben worden und lag jetzt zwischen zwei großen Pontons, aber im Boot standen immer noch mindestens dreißig Zentimeter Wasser.

      Der Hafenmeister begrüßte die Jungen und sagte: «Seltsame Geschichte, Jungs... das Boot ist angebohrt worden.»

      «Was sagen Sie da?» Jan schnappte sichtlich nach Luft. «Die ‚Rex‘ ist angebohrt worden, um sie zu versenken?»

      Winslöw nickte. «Ja. Von hier aus könnt ihr es zwar nicht sehen, weil der Boden mit Wasser bedeckt ist. Aber unter der Wasserlinie hat jemand ein großes Loch in den Rumpf gebohrt. Im Laufe der Nacht hat die ‚Rex‘ dann soviel Wasser gemacht, daß sie gesunken ist. Ein sehr böswilliger Mensch muß da seine Finger im Spiel gehabt haben.»

      Jan und Erling tauschten unwillkürlich Blicke aus.

      Dann nickte Erling düster. «Ja, mein Freund. Wir denken wohl in diesem Augenblick an das gleiche: Walther Clausen!»

      «Ja», murmelte Jan und sah genauso düster drein. «Aber Beweise haben wir keine.»

      Der Hafenmeister verstand gar nichts; er wußte ja nicht, worüber die beiden Freunde sich unterhielten. Jan wollte ihn im Moment auch nicht aufklären. Es wurde nur vereinbart, daß Winslöw einen Handwerker bestellen sollte, der den Schaden zu beheben hatte. Danach gingen Jan und seine Freunde ins Klubhaus, um sich zu stärken.

      Während sie dort um einen Tisch saßen und sich dem guten Gebäck widmeten, war die Stimmung nicht so ausgelassen, wie sie sonst bei diesen Gelegenheiten zu sein pflegte. Sogar Erling schien keinen besonderen Appetit zu haben.

      Schließlich sagte er: «Das war ein ganz gemeiner Streich von Clausen.»

      Jan nickte geistesabwesend. «Ja, ein ganz widerlicher Streich, aber wir haben eben doch keinen Beweis dafür, daß er es war...»

      «Ach was, wer hätte es denn sonst sein sollen», unterbrach ihn Erling und machte eine bezeichnende Grimasse. «Am besten melden wir es gleich, damit der Kerl wieder eingesteckt wird.»

      «Vater weiß schon, daß das Boot gesunken ist.»

      «Weiß er auch, daß Walther Clausen es getan hat?»

      «Nein, das nicht, aber das wissen wir ja auch nicht. Vorläufig kann man höchstens von einem schweren Verdacht sprechen.»

      «Quatsch!» knurrte Erling. «Du bist doch im Grunde genauso


Скачать книгу