Ekkehard. Joseph Victor von Scheffel

Ekkehard - Joseph Victor von Scheffel


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und zupften und nötigten an ihm, sie wollten ein schönes Lied anstimmen; wie er endlich mit dem Haupte nickte, stürmten etliche hinaus: bald kamen sie wieder mit Instrumenten. Der brachte eine Laute, jener ein Geiglein, worauf nur eine Saite gespannt, ein anderer eine Art Hackbrett mit eingeschlagenen Metallstiften, zu deren Anschlag ein Stimmschlüssel dienlich war, wiederum ein anderer eine kleine zehnsaitige Harfe, Psalter hießen sie das seltsam geformte Instrument und sahen in seiner dreieckigen Gestalt ein Symbol der Dreieinigkeit. Und sie reichten ihm seinen dunkeln Taktstab von Ebenholz. Da erhob sich lächelnd der graue Künstler und gab ihnen das Zeichen zu einer Musica, die er selbst in jungen Tagen aufgesetzet; mit Freudigkeit hörten's die andern. Nur Gerold, dem Schaffner, ward's mit dem Aufklingen der Melodien melancholisch zu Gemüte, er überzählte die abgetragenen Schüsseln und die geleerten Steinkrüge, und wie ein Text zur Singweise flog's ihm durch den Sinn: Wie viel hat dieser Tag verschlungen an Klostergeld und Gut? Leise schlug er mit sandalenbeschwertem Fuße den Takt, bis der letzte Ton verklang.

      Zu unterst am Tische saß ein stiller Gast mit blass gelbem Angesicht und schwarzkrausem Gelock; er war aus Welschland und hatte von des Klosters Gütern im Lombardischen die Saumtiere mit Kastanien und Öl herübergeleitet. In wehmütigem Schweigen ließ er die Flut der Töne über sich erbrausen.

      Nun, Meister Johannes, sprach Folkard, der Maler, zu ihm, ist die welsche Feinfühligkeit jetzt zufrieden gestellt? Den Kaiser Julianus mutete einst unserer Vorväter Gesang an wie das Geschrei wilder Vögel, aber seitdem haben wir's gelernt. Klingt's Euch nicht lieblicher als Besang der Schwanen?

      Lieblicher – als der Gesang der Schwanen – – wiederholte der Fremde wie im Traum. Dann erhob er sich und schlich leise von dannen. Es hat's keiner im Kloster zu lesen bekommen, was er in jener Nacht noch ins Tagebuch seiner Reise eintrug:

      Diese Männer diesseits der Alpen, schrieb er, wenn sie auch den Donner ihrer Stimmen hoch gegen Himmel erdröhnen lassen, können sich doch nimmer zur Süße einer gehobenen Modulation erschwingen. Wahrhaft barbarisch ist die Rauheit solch abgetrunkener Kehlen; wenn sie durch Beugung und Wiederaufrichtung des Tons einen sanften Gesang zu ermöglichen suchen, schauert die Natur und es klingt wie das Fahren eines Wagens, der in Winterszeit über gefrorenes Pflaster dahin knarrt... Herr Spazzo gedachte, was löblich begonnen, auch löblich zu enden, er schlich sich fort über den Hof in das Gebäude, wo Praxedis und die Dienerinnen waren, und sprach: Ihr sollet zur Herzogin kommen, und zwar gleich – sie lachten erst ob seiner Kutte, folgten ihm aber zum Saal, und war keiner, der sie von der Schwelle zurückhielt. Und wie die Mägdlein an des Refektoriums Eingang sichtbar wurden, entstand ein Gemurmel und ein Kopfwenden im Saal, als sollte jetzt ein Tanzen und Springen anheben, wie es diese Wände noch nicht gesehen haben.

      Herr Cralo, der Abt, aber wandte sich an die Herzogin und sprach: Frau Base?! – und sprach's mit so duldender Wehmut, dass sie aus ihren Gedanken auffuhr. Und sie sah auf einmal ihren Kämmerer und sich selber in der Mönchskutte mit andern Augen an denn zuvor, und schaute die Reihen trinkender Männer, dem entferntesten verdeckte der Kapuze vorstehender Rand das Antlitz, dass es aussah, als werde der Wein in leeren Gewandes Abgrund geschüttet, und die Musik klang ihr gellend in die Ohren, als würde hier ein Mummenschanz gefeiert, der schon allzulang gedauert...

      Da sprach sie: Es ist Zeit schlafen zu gehen und ging mit ihrem Gefolge nach dem Schulhaus hinüber, wo ihr Nachtlager sein sollte.

      Wisst Ihr auch, was des Tanzens Lohn gewesen wär'? fragte Sindolt einen der Mönche, der ob dieser Wendung der Dinge höchlich betrübt schien. Der schaute ihn starr an. Da machte ihm Sindolt eine unverkennbare Gebärde, die hieß »Geißelung«!

      Früh morgens darauf saß die Herzogin samt ihren Leuten im Sattel, heimzureiten, und der Abt hatte keine Einwendung erhoben, da sie sich jegliche Abschiedsfeierlichkeit verbat. Darum lag das Kloster in stiller Ruhe, als drüben schon die Rosse wieherten, nur Herr Cralo kam pflichtschuldig herüber. Er wusste, was die Sitte gebot.

      Zwei Brüder begleiteten ihn.

      Der eine trug einen schmucken Becher von Kristall mit silbergetriebenem Fuß und Aufsatz geschmückt, und saß manches gute Stücklein Onyx und Smaragd in der silbernen Umfassung; der andere trug ein Krüglein mit Wein. Und der Abt schöpfte ein weniges in den Becher, wünschte seiner erlauchten Base einen gesegneten Tag und bat, mit ihm des Abschieds Minne zu trinken und den Becher zu freundlichem Angedenken zu behalten.

      Für den Fall, dass das Geschenk nicht genügend befunden werden sollte, hatte er noch ein seltsam Schaustück im Rückhalt, das war silbern zwar, doch unansehnlicher Gestalt und täuschend einem schlichten Brote gleichgeformt, innen aber gefüllt mit goldenen Byzantinern bis zum Rande;– vorerst ließ der Abt nichts davon vermerken und trug's sorglich verborgen in der Kutte.

      Frau Hadwig nahm den dargebotenen Becher, tat, als wenn sie daran nippte, gab ihn aber wieder zurück und sprach: Erlaubet, teurer Vetter, was soll der Frau das Trinkgefäß? Ich heische nach einen anderweitigen Gastgeschenk. Habet Ihr nicht gestern von Quellen der Weisheit gesprochen?

      Ihr sollet mir aus des Klosters Bücherei einen Virgilius verehren!

      Immer zu Scherz geneigt, sagte Herr Cralo, der eine gewichtigere Forderung erwartet hatte, was soll Euch der Virgilius, so Ihr der Sprache nicht kundig seid?

      Es versteht sich, dass Ihr mir den Lehrer dazu gebet, sprach die Herzogin ernst.

      Da schüttelte der Abt bedenklich das Haupt: Seit wann werden die Jünger des heiligen Gall als Gastgeschenke vergeben?

      Sie aber sprach: Ihr werdet mich verstanden haben. Der blonde Pörtner wird mein Lehrer sein, und heut am dritten Tage längstens wird der Virgilius und er sich bei mir einstellen! Gedenket, dass des Klosters Streit um die Güter im Rheintal und die Bestätigung seiner Freiheiten in Schwaben in meiner Hand ruhet, und dass ich nicht abgeneigt, auch auf dem Twieler Felsen den Jüngern Sankt Benedikts ein Klösterlein herzurichten...

      Lebet wohl, Herr Vetter!

      Da winkte Herr Cralo betrübt dem dienenden Bruder: Traget den Kelch in die Schatzkammer zurück. Frau Hadwig reichte ihm anmutig die Rechte, die Rosse stampften, Herr Spazzo schwang den Hut – in leichtem Trab ritt der Zug aus des Klosters Bann heimwärts.

      Von des Wächters Turmstube ward ein mächtiger Strauß in die Abreitenden geworfen, dran allein an Sonnenblumen die Hälfte eines Dutzends prangte, der Astern nicht zu gedenken, aber niemand fing ihn auf, und der Rosse Huf brauste drüber hin...

      Im trockenen Graben vor dem Tor hatten sich die Schüler der äußeren Klosterschule versteckt. Langes Leben der Frau Herzogin in Schwaben! Heil ihr!... und sie soll die Felchen bald schicken! Heil! klang ihr Ruf gellend in der Scheidenden Ohr.

      Wem für ein ungezogen Benehmen drei Feiertage und die besten Seefische bewilligt sind, der hat gut schreien, sprach Herr Spazzo.

      Langsam ging der Abt ins Kloster zurück; er ließ Ekkehard, den Pörtner, zu sich rufen und sprach zu ihm: Es ist eine Fügung über Euch ergangen. Ihr sollet der Herzogin Hadwig einen Virgilius überbringen und ihr Lehrer werden.

      »Die alten Lieder des Maro mögen mit lieblichem Sang die skythischen Sitten besänften,« heißt's im Sidonius. Es ist nicht Euer Wunsch...

      Ekkehard schlug die Augen nieder, seine Wangen röteten sich –

      Aber den Mächtigen der Erde dürfen wir keinen Anstoß geben. Morgen reiset Ihr ab. Ich verliere Euch ungern; Ihr wart einer der Bravsten und Würdigsten. Der heilige Gallus wird Euch den Dienst gedenken, den Ihr seinem Stift leistet. Vergesst auch nicht, aus dem Virgilius das Titelblatt wegzuschneiden mit der Verwünschung gegen den, der das Buch dem Kloster verschleppt...

      Was des Menschen Herzenswunsch ist, dazu lässt er sich gern befehligen.

      Des Gehorsams Gelübde, sprach Ekkehard, heißt mich des Vorgesetzten Willen sonder Zagen und Aufschub, sonder Lauheit und Murren vollziehen.

      Er beugte sein Knie vor dem Abt.

      Dann ging er nach seiner Zelle. Es war ihm,


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