Der Olymp. Achim Lichtenberger

Der Olymp - Achim Lichtenberger


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nur von den Menschen, sondern auch von den anderen Göttern absetzt. Trotzdem wird das Leben auf dem Olymp recht menschlich dargestellt, man streitet sich, trinkt, freut sich an Musik und Gesang, sitzt auf Stühlen in einem weiträumigen Haus und legt sich gemeinsam zu Bett. Hier werden die olympischen Paläste und das Leben in ihnen nach menschlichem Vorbild gezeichnet, auch wenn die Distanz zu ihnen betont wird, wenn Hephaistos davon berichtet, wie er von Zeus aus dem Olymp gestoßen wurde und einen ganzen Tag lang auf die Erde stürzte.

      Unter den homerischen Vorstellungen vom Olymp ist bemerkenswert, dass die Götter in ehernen, also Häusern aus Bronze wohnten. In der Ilias werden die Häuser von Hephaistos und Zeus anschaulich beschrieben.31 Das Motiv des »ehernen Hauses« ist von der Forschung nur wenig beachtet.32 Ein berühmtes Vergleichsbeispiel für ein Haus aus Metall ist der sagenhafte dritte Apollontempel in Delphi, von dem der kaiserzeitliche Autor und Griechenlandreisende Pausanias im 2. Jh. n. Chr. berichtet:

      »Betreffs des dritten Tempels, daß er aus Bronze gemacht wurde, darüber braucht man sich nicht zu wundern, insofern nämlich Akristios für seine Tochter ein bronzenes Gemach herstellen ließ und in Sparta noch heute das Heiligtum der Athena Chalkioikos besteht und in Rom das wegen seiner Größe und sonstigen Ausstattung bewundernswerte Forum ein bronzenes Dach besitzt. So wäre es wohl nicht unwahrscheinlich, daß auch ein Tempel für Apollon aus Bronze gemacht worden sein soll.« (Übersetzung: Ernst Meyer) (Paus. 10,5,11)

      Wie ein solches »ehernes Haus« ausgesehen haben kann, wird aus einer anderen Stelle bei Pausanias deutlich. Als er nach Sparta kommt, beschreibt er den Tempel der Athena folgendermaßen:

      »Hier ist ein Heiligtum der Athena gebaut mit Beinamen Poliouchos und Chalkioikos; den Bau des Heiligtums begann, wie sie sagen, Tyndareos. Nach seinem Tode wollten dann seine Söhne das Gebäude neu ausbauen, und dafür sollte ihnen die Beute von Aphidna als Grundlage dienen. Da aber auch diese es unvollendet ließen, errichteten die Lakedaimonier viele Jahre später sowohl den Tempel wie das Kultbild der Athena aus Bronze; Gitiadas, ein Einheimischer, führte es aus. (…) In Bronzereliefs dargestellt sind hier viele Taten des Herakles, aber auch vieles von dem, was er freiwillig leistete, und von den Taten der Söhne des Tyndareos unter anderem der Raum der Töchter des Leukippos und Hephaistos, wie er seine Mutter von den Fesseln befreit.« (Übersetzung: Ernst Meyer) (Paus. 3,17,2–3)

      Aus dem Text wird ersichtlich, dass nicht der ganze Tempel aus Bronze errichtet war, vielmehr ist es so zu verstehen, dass das Gebäude an den Wänden reich mit Bronzereliefs geschmückt war. Solche archaischen Bronzereliefs wurden in Olympia und anderenorts gefunden und geben uns einen Eindruck davon, an welche Form der Ausstattung gedacht war.33 Ehern meint hier etwas sehr Wertvolles, etwas, das zu dem Ausstattungsluxus der aristokratischen Elite gehörte, das in der homerischen Lebenswelt auch tatsächlich vorhanden war. Es greift also zu kurz, das Motiv des ehernen Hauses als literarischen Gemeinplatz abzutun, der lediglich allgemein Vorstellungen von ewiger Dauer hervorrufen sollte.34

      In der Odyssee wird insgesamt eher allgemein von den im Olymp lebenden Göttern gesprochen, konkrete Bauten werden nicht genannt. Insgesamt ist der Olymp in der Odyssee weniger stark göttlicher Handlungsraum als in der Ilias. In der Ilias ist die Vorstellung, dass die Götter in Häusern auf dem Olymp wohnten, ausgeprägt.35 Neben den domata wird auch einmal der Begriff oikoi für die Häuser genannt.36 Megaron findet sich als Begriff für die Götterwohnungen zweimal in der Ilias.37 Megaron leitet sich von griechisch megas, »groß« ab und bezeichnet einen großen Saal.38 Es entsteht der Eindruck, dass jeder der olympischen Götter ein eigenes Haus auf dem Olymp hatte und dort geradezu eine göttliche Wohnsiedlung vorgestellt ist.

      Um dieses Bild weiter zu konkretisieren, sei zunächst aus der Ilias zitiert. Der Kontext der Erzählung sind die Kämpfe vor Troja, bei denen die Götter sich bis auf Eris, die Göttin des Streits, zurückgezogen haben:

      »Denn sie allein von den Göttern war bei den Kämpfenden,

      die anderen Götter waren nicht bei ihnen, sondern in Ruhe

      saßen sie in ihren Hallen (megara), wo einem jeden

      die schönen Häuser (domata) erbaut waren in den Falten des Olympos.« (Hom. Il. 11,75–77)

      Eine andere Passage, in der lebendig das Leben in diesen Häusern beschrieben wird, steht in der Ilias. Die Situation ist, dass Thetis zu Hephaistos auf den Olymp kommt, um ihn um neue Waffen für ihren Sohn Achill zu bitten:

      »Zu dem Haus (doma) des Hephaistos aber kam die silberfüßige Thetis,

      dem unvergänglichen, bestirnten, hervorstrahlend unter den Unsterblichen,

      dem ehernen (chalkeon), das er selbst gemacht hatte, der Krummfüßige.

      Und sie fand ihn, wie er sich schwitzend um die Blasebälge herumbewegte,

      geschäftig, denn Dreifüße, zwanzig im ganzen, fertigte er,

      rings an der Wand zu stehen der guterstellten Halle (megaron).

      Und goldene Räder setzte er einem jeden von ihnen unter den Fuß,

      daß sie ihm von selbst zum Versammlungsplatz der Götter liefen

      und wieder ins Haus zurückkehrten, ein Wunder zu schauen.

      Ja, die waren soweit vollendet, nur die Ohren waren noch nicht

      angesetzt, die kunstreichen, die fügte er eben an und schlug die Bänder.

      Während er sich damit abmühte mit kundigem Sinn,

      indessen kam zu ihm heran die Göttin, die silberfüßige Thetis.

      Da lief heraus und sah sie Charis mit dem glänzenden Stirnband.

      Die schöne, die zur Frau hatte der ringsberühmt Hinkende.

      Und sie wuchs ihr ein in die Hand, sprach das Wort und benannte es heraus:

      ›Warum, langgewandete Thetis! Kommst du zu unserem Haus,

      Ehrwürdige und Liebe? Früher kamst du nicht häufig!

      Aber komm herein! Daß ich dir Bewirtungen vorsetze.‹

      So sprach sie und führte sie herein, die Hehre unter den Göttinnen,

      und ließ sie niedersitzen auf einem Stuhl (thronos) mit silbernen Nägeln,

      einem schönen, kunstreichen, und darunter war ein Schemel für die Füße.

      Und sie rief Hephaistos, den kunstberühmten, und sagte die Rede:

      ›Hephaistos! Komm doch heraus! Thetis verlangt etwas von dir!‹«

      Die Antwort des Hephaistos, der sich überschwänglich freut, sei übergangen und weiter geht es im Text:

      »Sprach es, und vom Amboshalter stand auf die schnaufende Ungestalt,

      hinkend, und unten regten sich die dünnen Schenkel.

      Die Blasebälge stellt er weg vom Feuer, und alles Gerät,

      mit dem er gearbeitet, sammelte er in einem silbernen Kasten.

      Und mit einem Schwamm wischte er sich ab das Gesicht und die beiden Arme

      und den Nacken, den starken, und die behaarte Brust,

      tauchte in den Rock und ergriff den Stab, den dicken, und ging hinaus,

      hinkend, und ihn stützend, den Herrn, liefen Dienerinnen,

      goldene, die lebenden Jungfrauen glichen.

      Die haben drinnen Verstand im Innern und drinnen auch Stimme

      und Kraft, und wissen von den unsterblichen Göttern her die Werke.

      Die keuchten, den Herrn unterstützend, daher, der aber schleppte

      sich hin, wo Thetis war, und setzte sich auf einen schimmernden Stuhl (thronos),

      wuchs ihr ein in die Hand, sprach das Wort und benannte


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