Wäldar ka nüd jedar sin!. Alois Niederstätter
winterliche Hinterwald von der Alpe Baumgarten (Gemeinde Bezau) aus.
Deutlich kleiner als die heute landläufige Vorstellung vom Umfang des Bregenzerwalds ist der Befund der Historikerzunft. Sie beschränkt ihn auf den vom 14. bis ins beginnende 19. Jahrhundert bestehenden, mit bedeutenden Sonderrechten ausgestatteten Gerichtssprengel dieses Namens, der nicht etwa zu Bregenz, sondern zur Herrschaft Feldkirch gehörte. Er umfasste Egg, Schwarzenberg, Andelsbuch, Bezau, Bizau, Reuthe, Mellau, Au, Schnepfau sowie als Exklave Krumbach und Unterlangenegg. Selbstverständlich verwendeten die älteren Landesbeschreibungen den Begriff »Bregenzerwald« ausschließlich in diesem Sinn. Seine Entstehung verdankt dieser Sprengel einer im Jahr 1338 von den damaligen Landesherren, den Grafen von Montfort, vollzogenen Besitzteilung.
Dass die Urkunden und der Volksmund diesen Bezirk auch den »hinteren« Bregenzerwald – kurz: »Hinterwald« – nennen, lässt die Existenz eines entsprechenden Gegenstücks erwarten. Einen »Vorderwald« gab es allerdings nur inoffiziell. Man meinte damit das nördlich der Subersach gelegene Gebiet der Ortschaften Lingenau, Hittisau und Sibratsgfäll. Sie waren verwaltungsmäßig als »Gericht« Lingenau der Herrschaft Bregenz zugewiesen. Die gleichfalls bis ins frühe 19. Jahrhundert bestehenden »Gerichte« Alberschwende und Sulzberg (mit Doren und Riefensberg) wurden bis in die jüngere Vergangenheit überhaupt nicht zum Bregenzerwald gezählt. Die moderne Einteilung trägt dem Rechnung, indem für dieses Gebiet nicht das »Wälder« Bezirksgericht Bezau zuständig ist, sondern jenes in Bregenz.
Die historischen Verwaltungssprengel Vorarlbergs. Karte von 1783.
Der heutige Bregenzerwald und seine Gemeinden:
An der Grenze zum Rheintal: das Bödele (Gemeinde Schwarzenberg) oberhalb von Dornbirn, 1953.
Auch sprachlich lassen sich Vorder- und Hinterwälder leicht unterscheiden: Im vorderen Bregenzerwald ist der Allgäuer Einfluss sehr deutlich. Charakteristische Merkmale sind etwa die sogenannte »Entrundung« des Vokals »ü« zu einem »i« (also etwa »Hiisr« statt »Hüüsr« für »Häuser«, »Lit« statt »Lüt« für Leute) sowie auch von »ö« zu »e« (»Kepf« statt »Köpf« für »Köpfe«). Typisch für den Vorderwald ist es außerdem, Wörter wie »breit«, »heiser« oder »Laib« mit einem »oi«-Laut auszusprechen. Als »allgäuischste« Gemeinde der Region gilt Riefensberg. Die Hinterwälder Dialekte erkennt man unter anderem am offenen »o« in »broot« (»breit«) oder »Sool« (»Seil«), an der Diphthongierung von »a« beispielsweise in »Aubet« (»Abend«), »Haur« (»Haar«), »Schauf« (»Schaf«), »Saulz« (»Salz«) oder an der Entwicklung von »e« zu »i« in »Hinne« (»Henne«), »winda« (»wenden«). |
Das alte historische Korsett hat der Bregenzerwald längst gesprengt, den Sulzberg ebenso vereinnahmt wie die Siedlungen Damüls und Warth, deren Bewohner, wie es heißt, im Spätmittelalter als »Walser« aus dem Schweizer Wallis zugewandert seien. Zuletzt expandierte er sogar bis an den Rand des Rheintals, indem sich die Gemeinden Buch und Langen bei Bregenz der 1970 ins Leben gerufenen Regionalplanungsgemeinschaft (kurz: Regio) Bregenzerwald anschlossen. Dass der Bregenzerwald damit die einzige »wachsende« Talschaft Vorarlbergs ist, mag für die Attraktivität des »Wäldertums« stehen.
Dem nach außen zur Schau gestellten Selbstverständnis – man kann durchaus von einer »Talschaftsideologie« sprechen – steht im Innern ein gleichermaßen kräftig entwickelter Partikularismus gegenüber. Dass etwa Großdorf – als Fraktion der Gemeinde Egg – eine eigene Freiwillige Feuerwehr, einen eigenen Kameradschaftsbund sowie eine eigene Viehzuchtgenossenschaft besitzt, ist einer von vielen augenfälligen Belegen für die Fähigkeit der »Wälder«, diese beiden Positionen miteinander zu verbinden.
Egg und Großdorf, Flugaufnahme 1983.
Zugänge
1841 vermerkte der Geograph Johann Georg Staffler: »Als eine Alpengegend hatte der Bregenzerwald vor ungefähr 50 Jahren noch keine fahrbare Straße, und seine Verbindung mit den Nachbarbezirken mußte mühesam auf Saumwegen unterhalten werden«. Der wichtigste Zugang aus dem Rheintal führte von Schwarzach aus über Linzenberg sowie Farnach nach Alberschwende und weiter über die Lorena nach Schwarzenberg. Von Dornbirn aus gelangten Fußgänger, Reiter und Saumtiere über Winsau nach Alberschwende sowie über die Lose – das heutige Bödele – nach Schwarzenberg. 1546 scheinen die »sömer [Säumer], die die straß über die Losen« benutzten, erstmals urkundlich auf. Im ausgehenden 18. Jahrhundert entstand eine Verbindung von Bregenz aus über Fluh, Langen und Doren bis nach Krumbach.
Säumer mit ihren Tragtieren im ausgehenden 19. Jahrhundert.
Erst 1836 wurde der Bau einer für den Fuhrverkehr geeigneten »Kommerzialstraße« von Schwarzach durch das Schwarzachtobel nach Alberschwende in Angriff genommen. Geplant hatte sie Alois Negrelli (1799–1858, 1850 nobilitiert als »Ritter von Moldelbe«), der »geistige Vater« des Suezkanals. Die Weiterführung von Alberschwende nach Egg erfolgte 1844/45 sowie in den folgenden Jahren über Egg-Tuppen und Bersbuch nach Bezau. Gleichfalls nach Negrellis Plänen wurde 1833 zur Verbesserung der Route ins Allgäu die Gschwendtobelstraße mit der noch bestehenden Gschwendtobelbrücke zwischen Lingenau und Großdorf erbaut. 1886 eröffnete man die Fahrstraße von Dornbirn-Haselstauden über den Achrain nach Alberschwende. Wer nicht zu Fuß gehen wollte, dem stand von der Mitte des 19. Jahrhunderts an eine in der Regel alle zwei Tage zwischen Bregenz und Bezau verkehrende Postkutsche zur Verfügung. Sie benötigte für diese Strecke etwa sechs Stunden.
Die Gschwendtobelbrücke über die Subersach zwischen Lingenau und Großdorf entstand nach einem Plan von Alois Negrelli, dem »geistigen Vater des Suezkanals«.
Noch heute ist Alberschwende das Tor zum Bregenzerwald.
Der Hochtannbergpass wurde erst 1954 von Schröcken aus mit einer Autostraße erschlossen.
An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert machten der rasch an Bedeutung gewinnende Fremdenverkehr und das Einsetzen der Motorisierung einen weiteren Ausbau des Straßennetzes erforderlich. Die Maßnahmen betrafen vor allem die Verbindungen von Au nach Damüls, von Bregenz über Langen zur Staatsgrenze, von Lingenau über Hittisau und Sibratsgfäll zur Staatsgrenze sowie von Bezau nach Schröcken. Erst 1954 wurde von dort aus der Hochtannbergpass mit einer Straße erschlossen.
Schon im Jahr 1870 waren die Gemeindevertretungen der Bregenzerwälder Ortschaften übereingekommen, die Planung einer Bahntrasse von Bregenz nach Bezau in Auftrag zu geben. Sie sollte die Talschaft wirtschaftlich besser erschließen sowie an das überregionale Eisenbahnnetz und an die Bodenseeschifffahrt anbinden.
Allein bis zum Ansuchen an das Handelsministerium, die technischen Vorarbeiten in Angriff nehmen zu dürfen, vergingen aber noch 21 Jahre. Der Vorarlberger Landtag stimmte dem Vorhaben im Januar 1894 zu, obwohl zahlreiche Gemeinden vor allem im Süden des Landes, die Nachteile für ihre Region befürchteten, dagegen Einspruch erhoben hatten. 1899 genehmigte das Ministerium den Bau einer Schmalspurbahn (Spurweite 760 Millimeter) durch das Tal der Bregenzerach