Aus den Akten der Agence O. Georges Simenon

Aus den Akten der Agence O - Georges  Simenon


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      »Warum zum Teufel stecken Sie sich nicht endlich Ihre Zigarette an?«

      »Verzeihen Sie … Eine alte Angewohnheit … Ich zünde sie nie an.«

      Sie hatte gedacht, dass es mit ihm ein Leichtes sein würde, und dabei hat sie noch nie einen so leidenschaftslosen Typen getroffen wie diesen großen rothaarigen jungen Mann, der ihr mit einer derart außergewöhnlichen Entschlossenheit hinterherläuft.

      »Aber warum behalten Sie sie dann im Mund?«

      »Ich weiß nicht. Wenn es Sie wirklich stört …«

      »Warum geben Sie sich als Detektiv Torrence’ Fotograf aus?«

      »Wie bitte? Was meinen Sie damit?«

      »Versuchen Sie nicht, mir was vorzumachen. Heute Morgen hatten Sie eine dicke Kamera um den Hals. Sie haben so getan, als würden Sie Fotos machen. Aber Sie haben vergessen, die Kappe von der Linse zu nehmen …«

      Er lächelt und gibt zu:

      »Nicht schlecht …«

      »Was machen Sie in der Agence?«

      »Ich arbeite dort.«

      »Und höchstwahrscheinlich sind Sie unterbezahlt.«

      »Woher wissen Sie das?«

      »Sie tragen Anzüge von der Stange, die einlaufen, wenn es regnet.«

      Sie haben die Île Saint-Louis erreicht. Sie seufzt.

      »Ich frage mich, was ich mit Ihnen machen soll. Von der Tatsache, dass ich gerne meine Kleider wechseln würde, mal ganz abgesehen.«

      »Das bezweifle ich nicht.«

      »Warum sagen Sie, dass Sie es nicht bezweifeln?«

      »Weil Sie das Kostüm in Eile angezogen haben, in letzter Minute, sodass Sie keine Zeit mehr hatten, die Falten aus den Ärmeln zu bügeln. Normalerweise kleiden Sie sich sorgfältiger, vornehmer vermutlich, denn Sie haben Ihre Strümpfe nicht gewechselt, und Sie tragen Strümpfe für hundertzehn Franc das Paar. Ein bisschen teuer für die Tochter eines Provinznotars.«

      »Sind Sie vielleicht Strumpfexperte?«

      Er senkt den Blick und wird rot.

      »Wie dem auch sei«, sagt er, »Ihr Komplize oder Ihre Komplizen erwarten Sie und fangen an, sich Sorgen zu machen. Ich möchte gerne mal wissen, wie Sie denen mit mir auf den Fersen eine Nachricht zukommen lassen wollen. Sie müssen schließlich auch einen Platz zum Schlafen finden. Sie müssen …«

      »Schöne Aussichten!«

      »Das wollte ich auch gerade sagen …«

      Gedankenverloren beobachten sie eine Kette von Lastkähnen, die ein Schlepper flussaufwärts zieht.

      »Andererseits«, fährt Émile in seiner angeborenen Demut fort. »Wenn Sie nicht in Ihrem eigenen Bett schlafen, werden wir es morgen früh wissen.«

      Sie schaudert, sieht ihn an und sagt:

      »Erklären Sie mir das.«

      »In Anbetracht des Stadiums, das wir inzwischen erreicht haben, wäre es taktlos von mir, diese Bitte abzuschlagen. Folgen Sie für einen Moment meinem Gedankengang. Wenn das Taschentuch, das während des Diebstahls im Juwelierladen verloren wurde, ein ausreichend schlagender Beweis war, um Sie zu dieser Tat heute Morgen zu veranlassen …«

      »Beeilen Sie sich! Es ist kalt hier draußen.«

      »Ich wollte sagen, dass es zwei Arten von Wäschereizeichen gibt. Die für private Kunden; die sind nicht so kompromittierend. Aber moderne Wäschereien haben einen großen Kundenstamm. Darum benutzen sie für die Wäsche der großen Hotels besondere Zeichen …«

      »Das ist unsinnig!«, fällt sie ihm ins Wort.

      »Trotzdem sind Sie blass geworden! Wie dem auch sei, ich nehme an, dass Sie und Ihr Komplize oder Ihre Komplizen in einem Hotel wohnen, wahrscheinlich in einem der größeren. Das Wäschereizeichen hätte uns auf Ihre Spur gebracht. Jetzt ist es nur noch Teil eines Punschs, den hoffentlich niemand trinken wird! Ich würde vorschlagen, wenn Sie nichts dagegen haben – es ist wegen der Schnecken, die ich gegessen habe –, in die kleine Bar dort zu gehen und an der Theke ein Bier zu trinken?« Sie folgt ihm herablassend.

      »Zwei Bier vom Fass!«

      »Das erklärt immer noch nicht, warum Sie, falls ich heute Nacht nicht in meinem Bett schlafe, wissen …«

      »Nun, Sie haben gesehen, dass ich meinen Kollegen weggeschickt habe.«

      »Der, der so aussieht wie ein Hund auf Entenjagd?«

      »Genau. Er und ein paar andere haben jetzt viel Arbeit vor sich. Morgen früh werden wir dann die Namen und Beschreibungen aller Frauen Ihrer Altersgruppe haben, die in Pariser Hotels registriert sind und die die Nacht nicht in ihrem Zimmer verbracht haben. Auf Ihr Wohl! Wirt, was schulde ich Ihnen?«

      »Ich habe Ihnen vorhin eine Frage gestellt.«

      »Haben Sie das? Ich erinnere mich nicht …«

      Sie laufen wieder den Fluss entlang.

      »Was verdienen Sie in der Agence O? Was würden Sie sagen, wenn …«

      »Das hängt davon ab, wie viel Sie bei sich haben.«

      Sie nimmt ihn beim Wort und öffnet ihre Handtasche. Sie sind an der Spitze der Insel angekommen, von der aus man oben Notre-Dame sehen kann. Der Nebel hat sich gelichtet.

      »Wenn ich Ihnen …«

      Sie zählt die Scheine. Dreißig … vierzig …

      »… fünfzigtausend Franc geben würde?«

      Sie ist außer sich vor Freude. Auf keinen Fall kann dieser schlecht gekleidete junge Mann, der aussieht wie ein armer Angestellter, ein solches Vermögen ablehnen.

      »Sie müssen nur die Metro verpassen, die ich nehmen werde …«

      »Aber dann«, antwortet er ruhig, »hätten Sie gar kein Geld mehr bei sich. Nein, bestimmt nicht! Fünfzigtausend Franc ist alles, was Sie in Ihrer Tasche haben. Und wenn Sie Ihren Komplizen nicht wiederfinden würden? Wenn er Angst bekommen und schon das Weite gesucht hätte?«

      Sie kann sich ein leises Lächeln nicht verkneifen.

      »Sie lehnen ab? Ist es nicht genug?«

      »Es ist zu viel und nicht genug. Ich bin nicht gut im Rechnen. Die Arbeit gestern Nacht hat Ihnen Schmuck im Wert von achthunderttausend Franc eingebracht. Und letzten Monat in der Rue de la Paix zwei Millionen. Der Einbruch am Boulevard Poissonnière …«

      »Ich frage Sie zum letzten Mal. Ja oder nein?«

      Daraufhin flüstert er, unbeholfen galant:

      »Ich genieße Ihre Gesellschaft viel zu sehr.«

      »Es wird Ihnen noch leidtun.«

      Jetzt tut sie so, als beachtete sie ihn überhaupt nicht mehr. Sie überquert die Brücke und hält ein Taxi an. Ohne auf eine Einladung zu warten, steigt er gleich mit ein. Das Taxi hält vor einem Geschäft für Damenunterwäsche in der Rue Saint-Honoré.

      »Ich kann mir kaum vorstellen, dass Sie …«

      »Oh, ich liebe feine Unterwäsche«, versichert er ihr.

      Er folgt ihr von Abteilung zu Abteilung. Als sie zur Kasse gehen, fragt die Verkäuferin:

      »Wohin sollen wir die Ware schicken?«

      Und plötzlich kommt ihr eine Idee, und sie platzt heraus:

      »Geben Sie alles dem Diener meines Mannes hier.«

      Schuhe … Seidenstrümpfe … Hin und wieder wirft sie ihm einen ironischen Blick zu, aber er ist nicht das kleinste bisschen verunsichert und hält die Pakete gut fest, außer als er seine Brille putzen


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