Die Lösungsbegabung. Markus Hengstschläger
auch das Ausmaß der Verbesserungen sind wahrlich beeindruckend. Ob in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Lebenserwartung, Chancengerechtigkeit, Sicherheit, Wohlstand, Freiheit und vielem mehr – es besteht kein Zweifel daran, dass es der Menschheit noch nie so gut ging wie heute. Und all das ist das Resultat des Fortschrittes (Rosling: Factfulness, 2018; Pinker: Enlightenment Now, 2018).«
Es bleibt zu hoffen, dass es der größte Wunsch aller Menschen, ob Wissenschaftler, Künstler, Personen, die im Sozialbereich arbeiten, Politiker, Lehrer, Eltern, Handwerker, Unternehmer etc. ist, die Welt durch ihr Wirken, ihr Lebenswerk, durch den Erfolg ihrer Ideen oder Handlungen, um ein Stück weit besser zu machen. Ein wesentlicher Aspekt dreht sich dabei darum, seine Talente und all die harte Arbeit einzusetzen, um etwas Neues zu erschaffen.
Und es gibt wahrlich noch viel zu tun. In so vielen Bereichen wie beispielsweise Klima, Armut, Hunger, Bildung, Gesundheit, Menschenrechte, Ethik, die Gefahr eines Atomkrieges, Pandemien, der Einfluss disruptiver Technologien aus der Verschmelzung von Bio- und Informationstechnologie, die Flüchtlingsproblematik, Terrorismus, Rassismus oder auch Populismus herrscht immer noch dringender Bedarf an kreativen, innovativen Lösungsansätzen. Bei allen Komponenten, die das Überleben des Menschen gefährden, tritt global immer mehr, aber auch immer noch zu wenig Übereinstimmung ein. Aber zum Beispiel bei politischen oder wirtschaftlichen Fragestellungen gibt es keine globale Übereinstimmung, keine gemeinsame Identität oder Loyalität. Die Frage, was denn nun das Bessere wäre, wird nicht selten global und lokal (»glokal«) kontrovers diskutiert. Aber neben den großen, medial äußerst präsenten und daher weltweit debattierten, gibt es noch unzählige »kleinere«, aber deswegen nicht unwichtige Fragestellungen, für die Lösungen mehr als dringend gebraucht werden. Und wir alle müssen täglich in unserem Alltag unzählige Probleme lösen. Ganz allgemein ist zu sagen, dass eine zu geringe Kreativität, eine zu geringe Lust auf Neues in der Gegenwart die Zukunft des Menschen aufs Spiel setzen würde. Der Mensch muss immer wieder seine Komfortzone verlassen. Und Krisensituationen oder gar die Todesangst vor einer Virus-Erkrankung sollten dafür eigentlich nicht notwendig sein.
»Geht es im wirtschaftswissenschaftlichen Zusammenhang darum, etwas Neues zu erschaffen, trifft man unweigerlich auf ein Schlagwort – Innovation. Ausgehend von den Arbeiten des österreichischen Nationalökonomen Joseph Schumpeter (Schumpeter: The Theory of Economic Development, 1912) unterscheidet man zwischen Invention (der Erfindung) und Innovation. Inventionen sind die zugrunde liegenden Ideen vor der Markteinführung, wohingegen Innovationen deren Umsetzung und Verwertung am Absatzmarkt darstellen. Und wenn eine Innovation schließlich gewinnbringend verbreitete Anwendung am Markt findet (sich verkaufen lässt) und sich durchsetzt, spricht man gern auch von Diffusion. So verstanden, handelt es sich dementsprechend erst dann um eine Innovation, wenn das Resultat kreativen Denkens und Lernens zu Produkten, neuen Verfahren oder Dienstleistungen führt, die sich am Markt auch verwerten lassen und durchsetzen.«
Innovationen in diesem ökonomischen Sinn sind unverzichtbare Hebel des Fortschrittes des Menschen. Dennoch wird aus sehr nachvollziehbaren Gründen der Begriff »Innovation« heute wesentlich breiter definiert und verwendet. So brauchen wir zum Beispiel Innovationen für den Klimaschutz, innovative Konzepte im Zusammenhang mit der Flüchtlingsdebatte oder etwa eine innovative Europapolitik. Speziell, wenn es etwa um globale Herausforderungen für die Menschheit geht, hat bereits in den letzten Jahrzehnten eine breitere Definition und Anwendung des Innovationsbegriffes Fuß gefasst (Meissner, Polt, Vonortas: Towards a broad understanding of innovation and its importance for innovation policy, 2016).
»Innovation is the generation of new products or services that have a market and that people are willing to spend money on. But this definition is somewhat limited, in my opinion. A broader definition describes innovation more as a mindset; a way of looking at the world. An approach that questions the usual and helps create the unusual«, sagt Professor Soumitra Dutta, der Mitherausgeber von zwei wichtigen internationalen Innovationsberichten, dem Global Innovation Index (in Kooperation mit der World Intellectual Property Organization) und dem Global Information Technology Report (in Kooperation mit dem World Economic Forum in Davos) (Dutta: It’s about creating something unusual, 2016). Der Global Innovation Index vergleicht die Länder dieser Welt nach ihrer Innovationskraft, ihrer Innovationsleistung. Unter Berücksichtigung vieler Input-Indikatoren wie etwa das politische und wirtschaftliche Umfeld, Humanressourcen, Bildung, Infrastruktur, Forschung und Entwicklung, entsprechende Investitionen etc. und Output-Indikatoren wie zum Beispiel wissenschaftliche und technologische Leistungen oder neu entwickelte kreative Produkte etc. wird an jedes Land ein Innovation Score vergeben. Seit Jahren belegt die Schweiz hier weltweit den Spitzenplatz, im Jahr 2019 gefolgt von Schweden, den USA, der Niederlande, dem United Kingdom, Finnland, Dänemark, Singapur, Deutschland, Israel, Korea, Irland, Hongkong, China, Japan, Frankreich, Kanada, Luxemburg, Norwegen, Island und Österreich (um die ersten 21 bis zu Österreich zu nennen; www.globalinnovationindex.org). Es gibt auch ein entsprechendes European Innovation Scoreboard der EU-Kommission, das im Jahr 2019 von Schweden angeführt wurde, gefolgt von Finnland, Dänemark, den Niederlanden, Luxemburg, Belgien, dem United Kingdom, Deutschland, Österreich, Irland, Frankreich usw. Die europäischen Schlusslichter bilden Bulgarien und Rumänien (zu finden unter www.ec.europa.eu). Auch der österreichische Rat für Forschung und Technologieentwicklung bewertet jedes Jahr in einem detaillierten Leistungsbericht die Stärken und Schwächen des österreichischen Forschungs-, Technologie- und Innovationssystems im internationalen Vergleich (www.ratfte.at/leistungsberichte.html). Österreich ist durchaus ein Forschungsland. Allerdings besteht noch Luft nach oben, etwa im Bildungssystem, bei kompetitiv vergebenen Mitteln für Grundlagenforschung, den Rahmenbedingungen für Unternehmensgründungen, bei Risikokapital oder dem Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Andererseits unternimmt Österreich aber gerade viele begrüßenswerte Anstrengungen, um zu den sogenannten Innovation-Leaders aufzuschließen. Länder mit natürlichen Rohstoffen, die oft sogar als Forschungs- und Innovationsbremse wirken, können es sich leisten, die Ergebnisse von Innovationsketten aus anderen Ländern zu kaufen. Billiglohnländer verfolgen oft die Strategie, das, was andere erfinden, einfach nur viel billiger zu produzieren. Aber für Länder (beziehungsweise Unternehmen in diesen Ländern), die diese Optionen auf Dauer nicht haben, gilt: innovate or die.
»Das Wort Innovation leitet sich von dem lateinischen Verb innovare ab und bedeutet daher ›Erneuerung‹. Verwendet wird der Begriff ›Innovation‹ heutzutage in vielen verschiedenen Fachgebieten und Anwendungsbereichen. In der Geisteswissenschaft beschreibt er das Forschen nach neuen Erkenntnissen, in der Wirtschaft bezeichnet man so das am Markt erfolgreiche Resultat von Forschung und Entwicklung, in der Kunst und Kultur sucht man neue innovative Ausdrucksformen oder Designinnovationen, man spricht von sozialen Innovationen bei neuen sozialen Praktiken, die gut für die Gesellschaft und ihre Mitglieder sind, der Begriff »Bildungsinnovationen« beschreibt Erneuerungen im Bildungsbereich, juristische Innovationen spiegeln sich oft in neuen Gesetzen wider, es werden internationale Preise für politische Innovationen vergeben, es besteht dringender Bedarf an Umweltinnovationen, man spricht sogar von innovativer Kindererziehung und vielem mehr.«
Innovationen werden häufig nach ihrem Ziel kategorisiert. Die so entstehenden Kategorien weisen oft Überlappungen auf, was strikte Abgrenzungen unmöglich macht. Eine gängige Unterscheidung wird zwischen Produktinnovationen und Prozessinnovationen getroffen. Erstere inkludieren materielle und immaterielle Werke, also etwa das Smartphone oder eine entsprechende Kundendienstleistung. Eine große und relevante Gruppe stellen die sogenannten Technologieoder Verfahrensinnovationen dar. Dazu zählt man zum Beispiel auch die Entwicklungen neuer digitaler Technologien. Innovationen können etwa genauso die Organisation eines Unternehmens betreffen. Es gibt Innovationen, die Geschäftsmodelle (beispielsweise die Geschäftsstrategie) oder den Service (etwa das Betreuen von Reklamationen) betreffen, und es gibt auch zum Beispiel Managementinnovationen. Bei den sogenannten Umweltinnovationen wie neuen Konzepten für den Umweltschutz oder den Sozialinnovationen wie etwa neue Strategien zur Bekämpfung von Hunger, Armut oder Chancenungleichheit ist eine Verwertung am Markt im finanziellen Sinn nicht das Ziel. Politische, urbane oder