Die letzten Keiths auf Balumoog. Wilhelm Ernst Asbeck

Die letzten Keiths auf Balumoog - Wilhelm Ernst Asbeck


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er zu Gottorp in den Turm legen. Bei der Either Fähre, außerhalb des Seedeiches, um das Fährhaus, hatte er eine große, viereckige Schanze erbaut. Zweihundert Kaiserliche mit sechzehn Geschützen besetzten sie. Zwar wurde dieser Feind schon 1629 wieder vertrieben, aber Beelzebub war durch den Teufel verjagt; denn nun ergriffen die Dänen Besitz von ihr und den drei Harden. Schließlich verglich sich der Herzog mit dem König, legte sich, wie ein echter Fronherr, selbst in die Schanze und maßte sich an, Gericht zu halten über freie Friesensöhne. Geld wollte er erpressen, er, wie alle anderen, erhöhtes Landgeld; und zähneknirschend mußte man es gewähren.

      „Möge die verhaßte Zwingburg so tief unter der Erde liegen, wie sie darüber hervorragt!“ ruft Kedel Paysen, und alle stimmen ihm begeistert zu.

      Hitziger wird die Stimmung, schneller leeren sich die Krüge.

      Alle sind felsenfest davon überzeugt, daß der Tag kommen werde, da ihr Wunsch in Erfüllung ginge — — und er kam; schon zwei Jahre später, aber anders, als sie es ahnten!

      Detlef Harmsen meinte: „Und trotz alledem können wir uns noch glücklich schätzen. Denkt an die Pellwormer! Fünf volle Jahre haben sie nun durch die vielen Deichbrüche schon kein trockenes Land mehr gekannt. Denkt an ihre Not!“

      Knudt Arcke, der Bedächtige, ergreift das Wort: „Damit ist es — dem Herrn sei es gedankt! — nun ein für allemal vorbei. Gemeinsam hat ganz Nordstrand die Gefahr überwunden. Weder ihnen noch uns werden die Fluten je wieder schaden! Erinnert Euch, wie Ocke Levsen im Strande rief: ‚nun haben wir eiserne Deiche!‘ Erinnert Euch, wie Iwen Axen aus Rödenis sagte: ‚von heute ab könnt Ihr alle ruhig hinter Euren Wällen schlafen!‘ und wie der Deichgraf von Risum seinen Spaten in den Damm stieß und dem Meere zurief: ‚Trutz, blanker Hans!‘

      Freilich, den Worten erfahrener Männer kann man wohl trauen!

      Mit dem Meere und mit den Menschen ist ein vorläufiger Friede geschlossen. Friedrich der Dritte hatte den Harden Generalpardon erteilt und die Gefangenen in Freiheit gesetzt.

      Man beginnt aufzuatmen; und als erstes, weithin sichtbares Zeichen einer neuen Zeit, da der Bauer wieder sorglos hinter dem Pfluge gehen kann, hat Erk Knudsen die Hochzeitsbitter in den Koog gesandt.

      Stunde auf Stunde ist vergangen. Endlich heißt es, den Rückweg antreten. Die Dämmerung senkt sich hernieder, und es wird Nacht. Seltsam verschleiert liegt das Mondlicht über der Landschaft. Am schmalen, sumpfigen Saumpfad führt der Heimweg entlang. Zur Rechten liegt der langgestreckte See, von weiten Schilfbänken und Moor umrahmt. Verkrüppelte Weidenstämme und ein Gewirr von Buschwerk bedecken ringsum den Boden. Es ist eine verrufene, unheimliche Gegend. Jeder meidet sie. Nur die alte Meike haust hier, tief versteckt, in verfallener Hütte.

      Der fahle Mondschein wirft ein gespenstisches Licht zur Erde nieder. Phantastische Schatten huschen lautlos vorüber. Sind sie vom Winde erzeugt, der Busch und Baum bewegt? Oder sind es Wesen einer anderen Welt?

      Unheimlich wird dem einsamen Wanderer. Vorsichtig geht er, sein Pferd am Halfter führend.

      Nebelschwaden wallen vom See herüber, schweben auf und nieder, formen sich zu seltsamen Gestalten. Wie Schattenwesen sind sie anzuschauen; unruhvolle Geister, die im Jenseits keinen Frieden finden. Unheil bringen sie dem, der ihnen begegnet.

      Lichter hüpfen wie ruhelose Seelen am Boden hin, ziehen wie feurige Punkte durch die Luft und verschwinden im Nichts.

      Peter Taien bekreuzigt sich.

      Stimmen glaubt er zu vernehmen, aber er kann den Sinn ihrer Worte nicht enträtseln. —

      Da lacht es vor ihm auf! — Ein schrilles, häßliches Lachen!

      Aus dem Nebel wächst eine Gestalt hervor, unwahrscheinlich groß, in schattenhaften Umrissen, kommt näher und näher, schrumpft bei jedem Schritt in sich zusammen, bis plötzlich, ein kleines, verwachsenes Weib, auf den Krückstock gelehnt, vor ihm steht. Sie stößt ihn an und spricht: „Nun, Peter, zu so später Stunde noch unterwegs? Du kommst von Erk Knudsen, mich zur Hochzeit einzuladen? — Hi hi! Es ist lieb von Dir, daß Du auch an die alte Meike gedacht hast; nur eine etwas ungewöhnliche Zeit, die Mitternacht dafür zu wählen. — Hi hi!“

      Peter rafft allen Mut zusammen: „Gib den Weg frei!“

      Ehe er es jedoch verhindern kann, hat sie seine Hand ergriffen.

      „Schau, schau, Peter! — Kennst Du diese Linie? Weißt Du, was sie bedeutet? Kurz ist sie, auffallend kurz; und, schau, ganz unvermittelt bricht sie ab!“

      „Was soll’s? — Ich versteh Dich nicht!“ stößt Taien rauh hervor.

      Die Alte erwidert: „Ist Dir nicht aufgefallen, daß viele Leute auf Nordstrand so kurze Lebenslinien haben? Viele, Peter, sehr viele! — Es sollte Euch zu denken geben!“

      „Fort mit Dir, elende Hexe!“ schreit er. Eine wahnwitzige Wut hat ihn gepackt. Er schwingt den Stock; sausend fällt er nieder; aber wie ein Spuk ist die Alte entschwunden.

      Irgendwo im Unterholz knackt es. Ein höhnisches Lachen schlägt ihm ans Ohr, und spottend ruft es ihm nach: „Hochzeitbitter, bestell dem jungen Paare, die alte Meike werde zur Stelle sein! Und, Bürschchen, denk daran, was ich Dir sagte! — Denk daran!“

      Peter Taien gibt seinem Pferde die Sporen. Nur heraus aus dieser wilden, verruchten Gegend; dorthin, wo man den schützenden Seedeich und menschliche Wohnungen erblickt!

      Endlich, endlich blinkt ihm aus der Ferne ein Licht entgegen — ein Bewohner Volgsbülls, der auf seiner Wurft noch zu so später Stunde wacht.

      Der einsame Wanderer atmet auf. Wie ein Alp fällt es von seiner Seele.

      *

      Alles geht seinen ordnungsgemäßen Lauf. An drei Sonntagen ‚sprangen die Verlobten von der Kanzel‘, wie der Volksmund das öffentliche Aufgebot in der Kirche derzeit nannte.

      Am Vortage der Hochzeit haben Arfst Röden und Inge Tammsen, denen das ehrenvolle Amt der Vorschaffer übertragen worden ist, alle Hände voll zu tun, und sie müssen ihre Augen offen halten, damit auch nichts versäumt wird.

      Erk Knudsens große Scheune hat sich in einen Festsaal verwandelt. Die Fahne der Beltringharde, deren Bannerträger er gewesen, soll die Gäste beim Eintritt begrüßen. Flaggentuche und Girlanden winden sich um Pfeiler und Ballustraden. Ein Podium für die Musikanten ist errichtet worden. Endlos lang erstrecken sich die Tafeln. Weiße Leinentücher verdecken eilfertig hergestellte Nottische. Am Kopfende zur Rechten steht der Ehrensitz der Braut. Über diesem Platz wurde ein großer Prunkteller aus getriebenem Messingblech angebracht. Zu Häupten der linken Seite der Festtafel befindet sich der reich geschnitzte, mit Blumen bekränzte Sessel des Bräutigams. Aber, so groß auch der Raum sein mag, er wird bei weitem nicht reichen, um alle Gäste des Kooges mit seinen fünf Kirchspielen zu fassen.

      Hart am Rande des Hohen-Moores befand sich der Thingplatz, wo Erk Knudsen mit den übrigen elf Ratsmannen der Harde manches Mal über Recht und Gesetz, über Schutz und Trutz gesprochen hatte. Sein Wort fiel schwer ins Gewicht, war er doch nicht nur der Reichste unter ihnen, sondern auch klug und von strengstem Gerechtigkeitssinn gegen sich und alle. So weit man zurückdenken konnte, waren seine Ahnen Führer des freien Friesenvolkes gewesen: Hauptleute, Siegelbewahrer, Ratsmannen, Bannerträger, Bauernschaftsvorsteher und Deichgrafen, ein mit allen Gaben, Gütern und Ehren gesegnetes Geschlecht.

      Zwischen dem Thingplatz und dem Orte Königsbüll, auf geräumigem, freien Gelände, wird eine Zeltstadt errichtet. Lustig ist sie anzuschauen, mit bunten Fähnlein und Wimpeln geschmückt. Hier führt das Vorschafferpaar Oluf Ocken und Anna Wulfsen das Regiment über acht Schafferpaare, junge Leute aus den besten Familien. Unter ihren Händen entsteht ein Festplatz, wie ihn der Hagebüllerkoog kaum je zuvor gesehen hat. Von allen Seiten drängen sich freiwillige Helfer hinzu.

      In den Häusern und Katen sind am Abend Alt und Jung damit beschäftigt, die Flinten und Pistolen sorgfältig zu putzen, denn an solchem Tage darf es an Freudenschüssen nicht fehlen.

      Eine wundervolle Sommernacht ging zur Neige, und


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