Gesammelte Werke. Ricarda Huch

Gesammelte Werke - Ricarda Huch


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Heeresstande angehörte, war von seinen Eltern im protestantischen Glauben erzogen, geriet aber nach deren frühem Tode unter den Einfluß der Jesuiten und wurde katholisch. Wie auch andere, die durch Zufälle zum Glaubenswechsel gedrängt wurden, war er gegen beide Bekenntnisse gleichgültig, überhaupt von Natur nicht religiös veranlagt. Nicht einmal das unbestimmte Gefühl der Abhängigkeit von einer höheren geistigen Macht, noch weniger das Gefühl der Verpflichtung gegen dieselbe, scheint ihn jemals bewegt zu haben; um so mehr bedeutete ihm das Schicksal, von dem er glaubte, daß es durch Kundige in den Sternen zu lesen sei. Seine kriegerische Laufbahn begann er in den Kämpfen gegen die Türken und gegen Venedig. Als der böhmische Aufstand ausbrach, trat er sofort für den Kaiser ein, und zwar mit einer Rücksichtslosigkeit, die selbst in jenem wilden und zügellosen Lande auffiel. Schon seine erste Ehe mit einer älteren Witwe scheint der junge Mann um des Reichtums willen geschlossen zu haben, den sie ihm zubrachte. Bei den Güterkonfiskationen nach der Schlacht am Weißen Berge, wo wertvolle Besitzungen an Ferdinands Günstlinge verschleudert wurden, bereicherte er sich noch mehr; er gehörte nun zu den reichsten Magnaten Böhmens. Auf die Herrschaft Friedland verlieh ihm Ferdinand den Herzogstitel.

      War Wallenstein raubsüchtig und machtgierig, so unterwarf er doch seine unbändigen Triebe einer großen Idee und überragte dadurch einen Mansfeld weit. Er wollte Macht, aber er wollte eine wohltätige, vernünftige Macht schaffen, die von ihm unabhängig dauern würde, wenn sie auch zunächst für ihn und durch ihn wirken sollte. Seine planende Seele, die magisch zum allergrößten Ziele gezogen wurde, richtete sich auf die Begründung der Kaisermacht. Man kann annehmen, daß er Ferdinand zu klar durchschaute, als daß er ihn für die Stellung, die ihm vorschwebte, geeignet hätte halten können; andererseits wird er kaum an die Möglichkeit gedacht haben, sich selbst zum Kaiser zu machen. In geheimnisvoller Weise war er dennoch eins mit seiner Idee, mit dem zu schaffenden Kaisertum; er war der Mittelpunkt, von dem aus sich das Traumbild gestaltete. Seltsam, daß der Fremdling im Reich, denn als solchen muß man ihn trotz der damaligen Verbundenheit Böhmens mit demselben ansehn, mit so mächtigem Drang und Verständnis das Schicksal der deutschen Nation ergriff. Auch war es weniger die mittelalterliche Überlieferung, die ihn bewegte, als das Beispiel Frankreichs und Spaniens, denen die Zusammenfassung der Macht in der Hand des Königs eine so augenscheinliche politische Überlegenheit verschaffte. Gerade weil er ein Fremder war, unterschätzte er den Widerstand, der in den eigentümlichen Verhältnissen des Reiches lag und den selbst Karl V. nicht hatte überwinden können. Und wie sehr waren durch die Reformation, oder durch den Widerstand, den Karl V. ihr geleistet hatte, die zentrifugalen Kräfte gestärkt! Allerdings waren gerade dadurch auch die Umstände für Wallenstein günstiger, als sie vor 75 Jahren für den großen Kaiser waren. Dieser Krieg war nicht wie ein anderer, den vielleicht eine Schlacht oder die Eroberung eines wichtigen Platzes beenden konnte; er war wie eine Krankheit an einem zerrütteten Körper, die man weiterwüten läßt, weil man sie nicht bekämpfen kann. Auflösung und Fäulnis erzeugten Heere, die wie Schimmel die Erde überzogen und die einst fruchtbar grüne verdarben. War eins vernichtet, so liefen die hungrigen Soldaten irgendeinem Werber zu, aus den verwüsteten Dörfern retteten sich heimatlose Männer und Frauen unter einer beliebigen Fahne. Was war einem Manne, der befehlen konnte, unmöglich? Das Schwert herrschte zwischen dem Verfall, nicht das Recht und das Herkommen. Es hieß, Wallenstein habe zum Kaiser gesagt, 20 000 Mann getraue er sich nicht zu ernähren, wohl aber 50 000. Das war für jene Zeit eine gewaltige Armee. Ferdinand, der wie sein Ahnherr Maximilian ein Streuhütlein war, hätte nicht 20 000, geschweige denn 50 000 Mann im Felde ernähren können; aber 50 000 konnten besser als 20 000 sich erzwingen, was sie brauchten. Wallenstein liefen die meisten zu; er war streng, oft grausam, aber er war großartig, ein Herrscher. Nach dem Bekenntnis fragte er nicht, Protestanten waren bei ihm ebensowohl gelitten wie Katholiken. Es mochte ihm eine Einigung zwischen den Bekenntnissen vorschweben, wie Heinrich IV. sie für Frankreich ermöglicht hatte. Dieser überlegene Standpunkt war dem Kaiser und den katholischen Fürsten nicht nur fremd, sondern anstößig.

      Wallenstein war ein geborener Herrscher und ein Staatsmann, nicht ein mit zahlreichen Fäden an die Vergangenheit gebundener Kaiser. Die jahrhundertalte Verknüpfung des Kaisertums mit dem Papsttum, das Netz der Beziehungen zu den Fürsten, das alles bestand für ihn nicht; aber auch der Raum, den er ins Auge faßte, war ein anderer als der, welcher für die Kaiser der letzten Jahrhunderte in Betracht gekommen war. Um den deutschen Norden hatten sich die Habsburger wenig bekümmert; Wallenstein, den das Geschick zur Bekämpfung des Dänenkönigs nordwärts führte, sah die Ebenen voll wallenden Korns, sah die trotzigen Städte und die fleißigen Menschen, sah das Meer. Auch Tilly war im Norden, erstürmte hier und da eine Stadt, tat was ihm aufgetragen war, und dachte sogar daran, sich hier ein kleines Fürstentum auszusparen; Wallenstein entwarf ein neues Deutschland. Es war groß an ihm, daß er das, was er plante, gleich angriff. Daß der besiegte Christian von Dänemark sich nach Mecklenburg zurückgezogen hatte, nahm er zum Vorwand, um die Herzöge dieses Landes abzusetzen und sich vom Kaiser mit Mecklenburg belehnen zu lassen. Er hatte nun ein Fürstentum am Meere. Den Dänen jagte er auf seine Inseln zurück, ihn fürchtete er nicht. Sorge machte ihm nur der König von Schweden, Gustav Adolf. Vielleicht konnte er ihn dadurch unschädlich machen, daß er ihn dauernd durch Polen beschäftigte; inzwischen galt es eine Flotte zu schaffen. Damit kam er allerdings zunächst nicht über den Titel eines Generals des Ozeanischen und Baltischen Meeres hinaus, den er sich vom Kaiser verleihen ließ; aber was sich sonst anbot, um Deutschlands Stellung zur See zu stärken, benutzte er. Schon längst wünschte Spanien, sich mit einem nordischen Küstenstaat zur Verdrängung Hollands vom Meere zu verbünden. Wallenstein ging eifrig auf diesen Plan ein: eine Gesandtschaft begab sich nach Hamburg mit dem Vorschlag zur Gründung einer spanisch-hansischen Gesellschaft, die den Handelsverkehr mit Spanien auf hansischen Schiffen übernehmen sollte. Damit der Name Spaniens nicht Argwohn errege, sollte die Gesellschaft allein unter kaiserlicher Oberhoheit stehen. Aber es zeigte sich nun, wie fremd und verdächtig auch der Name des Kaisers in diesen Gegenden war. Hamburg hatte erst kürzlich, um sich gegen die Nachstellungen Dänemarks zu sichern, die Anerkennung seiner Reichsfreiheit vom Kaiser erbeten und sie auch bestätigt erhalten; trotzdem erschien der katholische Kaiser wie eine Macht, vor der man auf der Hut sein müsse. Auch die heilsamsten, berechtigtsten und würdigsten Ideen können sich nicht durchsetzen, solange die Wirklichkeit noch die Gestalt anderer, einst herrschender Ideen trägt, die sich in anderer Richtung bewegten, so daß die neue, wo sie sich auch bilden will, auf festen Widerstand stößt.

      Bald sollte sich zeigen, was für verhängnisvolle Folgen in der Tat die Stärkung der kaiserlichen Macht jetzt hatte. Nachdem Wallenstein und Tilly ganz Niedersachsen dem Kaiser unterworfen und den König von Dänemark zum Frieden gezwungen hatten, dachte die katholische Partei daran, diese Lage zu ihren Gunsten auszubeuten, indem sie sich der geistlichen Güter bemächtigte, die seit 1555 von den Protestanten eingezogen waren. Wenn der Kaiser auch nicht ohne Bedenken war, weil er voraussah, daß er sich durch diese Maßregel die Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen, deren Anhänglichkeit ihm so nützlich gewesen war, zu Feinden machen würde, entsprach sie doch überwiegend seinen Wünschen und Interessen: die Stifte Magdeburg und Halberstadt, deren Inhaber geächtet waren, übergab er seinem Sohne, dem Erzherzog Leopold Wilhelm. Nach langwierigen Vorarbeiten wurde im März 1629 das Restitutionsedikt erlassen. Wallenstein, obwohl er für nötig und möglich hielt, sämtliche Fürsten der kaiserlichen Zentralgewalt zu unterwerfen, und persönlich mit Abneigung oder Verachtung auf sie herabsah, billigte doch das Edikt nicht, welches den größeren Teil der Nation, deren ängstliche Halbheit bisher dem Kaiser zugute gekommen war, zu entschlossenen Feinden des Kaisers machen würde. Aber eben dieser Wallenstein mit seiner Klugheit, seinem Hochmut, seiner Gewalttätigkeit und seinen undurchsichtigen Plänen war den katholischen Fürsten, besonders dem neuernannten Kurfürsten von Bayern, verhaßt. Sie haßten den Emporkömmling, der sich in ihre Reihen drängte, der ihre Unabhängigkeit bedrohte. Daß er den Kaiser mächtig gegen die Protestanten gemacht hatte, war ihnen recht, nicht daß er es ihnen gegenüber sei. Es versteht sich, daß Ferdinand diesen General, der ihn zum Herrn seiner Feinde gemacht hatte und zum Herrn im Reich machen wollte, nicht gern entließ; auch war er sich seiner Verpflichtung ihm gegenüber einigermaßen bewußt. Aber er war Maximilian von Bayern nicht minder Dankbarkeit schuldig, überhaupt besaß er nicht so viel Kühnheit, um sich der Stellung zu bemächtigen, die Wallenstein ihm zudachte. Er hatte nichts von einem Revolutionär;


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