Die berühmtesten Dramen von Henrik Ibsen. Henrik Ibsen
Herr!
(Geht weiter.) Die Wache (ruft:)
Land hart voraus!
Peer Gynt. Mein Koffer auf Deck!
Meine Kasse!
Der Bootsmann.
Wir können jetzt nicht vom Fleck.
Peer Gynt.
‘s war nur Spaß, Kapitän! Eine bloße Nücke!
Ich helfe dem Koch; ich verdient’ ja den Stock –
Der Kapitän.
Der Klüver sprang!
Der Steuermann. Und da strich das Fock!
Der Bootsmann (schreit von vorn.)
Grund vorm Bug!
Der Kapitän. Sie geht in Stücke.
(Das Schiff stößt auf. Lärm und Verwirrung.)
(Unter Land zwischen Klippen und Brandung.)
(Das Schiff geht unter. Im Nebel erblickt man undeutlich die Jolle mit zwei Mann. Eine Sturzwelle füllt sie; sie kentert; man hört einen Schrei; es wird ganz still. Nach einer Weile sieht man das Boot, den Kiel oben, einhertreiben.) (Peer Gynt taucht in der Nähe des Bootes auf.)
Peer Gynt.
Helft! Boot vom Land! Helft, eh’s zu spät!
Herr, hilf mir, – wie geschrieben steht!
(Klammert sich am Kiel des Bootes fest.) Koch (taucht auf der andern Seite auf.)
Mir sind zu Hause Kind und Weib, –
Herr Gott, mach’, daß ich leben bleib’!
(Hält sich am Kiel.) Peer Gynt.
Weg!
Koch.
Weg!
Peer Gynt. Ich schlag’!
Koch. Ich auch, wenn’s not!
Peer Gynt.
Wenn Du nicht gehst, ich tret’ Dich tot!
Der Bootsbauch trägt nicht zwei! Laß los!
Koch.
Ich weiß. Fort.
Peer Gynt. Selbst fort!
Koch. Komm Du bloß!
(Sie kämpfen miteinander; der Koch schlägt sich eine Hand lahm; er klammert sich mit der andern fest.)
Peer Gynt.
Hand weg!
Koch. Ach, Liebster, – sei doch gut!
Bedenk, wie’s einem Vater tut –
Peer Gynt.
So wär’s für mich noch größre Pein;
Denn ich soll erst noch Vatersein.
Koch.
Laß los! Du hast gelebt; ich nicht!
Peer Gynt.
Marsch; pack’ Dich; sink, – verwünscht Gewicht!
Koch.
In Gottes Namen, räum’ das Feld!
Dich mißt kein Mensch auf weiter Welt –
(Schreit und läßt los.)
Ich sink’ –!
Peer Gynt (packt ihn.)
Ich halt’ Dich fest beim Schopf;
Bet’ flugs Dein Vaterunser, Tropf!
Koch.
Ich weiß kein Wort mehr – mir wird nacht – –
Peer Gynt.
Nur schnell die Hauptsach’ abgemacht –!
Koch.
Herr, gib uns –
Peer Gynt. Mach Dir ‘s Herz nicht schwer.
Du kriegst, was nötig noch zur Zehr.
Koch.
Herr, gib uns unser –
Peer Gynt. Immer noch?
Man merkt’s, Du warst Dein Lebtag Koch.
(Läßt ihn fahren.) Koch (versinkend.)
Uns unser täglich –
(Geht unter.) Peer Gynt. Amen, Mann!
Du warst und bliebst Du selbst. – Wohlan!
(Schwingt sich auf den Bauch des Bootes hinauf.)
Wo Leben ist, darf Hoffnung sein –
Der fremde Passagier (legt die Hand aufs Boot.)
Gutmorgen!
Peer Gynt. Hui!
Der Passagier. Ich hörte schrein; –
Es war doch hübsch, daß ich Sie fand.
Nun? Hatt’ ich vorhin recht erkannt?
Peer Gynt.
Fort! Fort! Ich hab’ kaum Platz allein!
Der Passagier.
Ich rudre mit dem linken Bein.
Ich schwimme, wenn ich bloß die Spitze
Des Fingers halt’ hier in der Ritze.
Ich komm’ betreffs des Leichnams –
Peer Gynt. Still!
Der Passagier.
Da es nun doch zu End’ gehn will –
Peer Gynt.
Mund halten!
Der Passagier.
Wie Sie wünschen, Herr.
(Stillschweigen.) Peer Gynt.
Nun, und –?
Der Passagier.
Ich schweig.
Peer Gynt. Entsetzlicher! –
Was woll’n Sie?
Der Passagier. Warten.
Peer Gynt (rauft sich das Haar.)
Das ist doch –!
Was sind Sie, Herr?
Der Passagier (nickt.)
Ihr Freund!
Peer Gynt. Was noch?
Der Passagier.
Wie, Herr? Erinnr’ ich in der Tat an
Nichts Ähnliches?
Peer Gynt. Ich weiß den Satan – Der Passagier (leise.)
Hat er den Brauch, ein Licht zu zünden
Dicht an des Lebens finstern Gründen?
Peer Gynt.
Am End’ wird alle Furcht zu nichts, –
Und Sie sind gar ein Geist des Lichts?
Der Passagier.
Freund, – hat jed’ Halbjahr Sie bloß einmal
Gebrannt der Angst verzehrend Peinmal?
Peer Gynt.
Furcht fühlt man wohl, wann Schrecken toben; –
Allein wie klingt Ihr Wort verschroben – –
Der Passagier.
Fiel Ihnen einmal bloß im Leben
Der Sieg zu, der in Angst gegeben?
Peer Gynt (blickt ihn an.)
Wenn Sie mich retten wollten, nun,
So konnten Sie dies früher tun.
Kein Witz, zu