Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola
rief die Sarriette kichernd. Frau Quenu, schneiden Sie mir doch zwölf dünne Schnitten ab. Ich will Lerchen braten. Jules verlangt Lerchen. Sie befinden sich wohl, Onkel?
Der Laden war voll mit ihren fliegenden Röcken. Sie lächelte allen zu, war weiß wie Milch; der frische Wind der Hallen hatte auf einer Seite ihr Haar zerzaust. Gavard hatte sie bei den Händen gefaßt; sie aber sagte mit ihrer Keckheit:
Ich wette, daß Sie von mir sprachen, als ich eintrat. Was sagten Sie, Onkel?
Lisa rief sie zu sich.
Ist das dünn genug geschnitten? fragte sie.
Auf einem Brettende hatte sie Speck in dünne Schnitten zerlegt. Sie wickelte sie in Papier und fragte:
Wünschen Sie nichts anderes?
Wenn ich schon da bin, sagte die Sarriette, geben Sie mir ein Pfund Schweinefett. Ich liebe gebratene Kartoffeln; für zwei Sous gebratene Kartoffeln und ein Bund Radieschen geben für mich das beste Frühstück ... Ja, ein Pfund Schweinefett, Frau Quenu.
Die Metzgersfrau hatte ein Blatt dickes Papier auf die Wage gelegt. Aus dem auf einem Brett stehenden Topfe nahm sie mittelst eines kleinen Buchsbaumspatens das Fett und häufte es mit geschickter Hand auf dem Papier an, wo es ein wenig zu zerfließen begann. Als die Schale sich senkte, nahm sie das Papier, faltete es zusammen und drückte mit den Fingerspitzen die beiden Enden ein.
Das macht vierundzwanzig Sous und sechs Sous für den Speck macht dreißig Sous ... Wünschen Sie nicht anderes?
Die Sarriette sagte nein. Sie zahlte, immer lachend, ihre Zähne zeigend, den Männern ins Gesicht schauend, mit ihrem grauen Rocke, der sich herumgedreht hatte, ihrem lose geknüpften roten Busentuch, das den weißen Ansatz ihrer Brust sehen ließ. Ehe sie ging, drohte sie noch Gavard:
Sie wollen mir also nicht sagen, was Sie erzählten, als ich eintrat? Ich sah Sie von der Mitte der Straße aus lachen ... Oh, der Duckmäuser! Ich liebe Sie nicht mehr ...
Sie verließ den Laden und lief quer über die Straße. Die schöne Lisa sagte trocken:
Fräulein Saget hat sie uns auf den Hals gesandt.
Dann ward es wieder still. Gavard war betroffen von der Art und Weise, wie Florent seinen Vorschlag aufgenommen hatte. Die Metzgersfrau nahm zuerst mit freundlicher Stimme wieder das Wort:
Sie haben unrecht, Florent, diese Stelle abzulehnen ... Sie wissen, wie schwer es ist, ein Amt zu finden. Sie sind in einer solchen Lage, in der man keine Umstände macht.
Ich habe meine Gründe angegeben, erwiderte er.
Sie zuckte mit den Achseln.
Das ist doch nicht so ernst zu nehmen ... Ich begreife, daß Sie die Regierung nicht lieben. Aber es hindert doch nicht, daß man sein Brot verdiene; es wäre zu dumm ... Und dann, mein Lieber: der Kaiser ist kein schlimmer Mann. Wenn Sie von Ihren Leiden erzählen, lasse ich Sie nur reden und denke mir mein Teil. Wußte er es denn, daß Sie schimmeliges Brot und verdorbenes Fleisch aßen? Er kann nicht überall dabei sein. Sie sehen, er hat uns nicht gehindert, unseren Geschäften obzuliegen ... Sie sind durchaus nicht gerecht.
Gavard geriet immer mehr in Verlegenheit. Er konnte es nicht dulden, daß in seiner Gegenwart der Kaiser gelobt werde.
Nein, nein, Frau Quenu, murmelte er; Sie gehen zu weit. Es ist ein Hundepack ...
Ach, Sie! ... unterbrach ihn die schöne Lisa lebhaft, – Sie ruhen nicht eher, als bis Sie bestohlen und für Ihre Geschichten abgetan werden. Reden wir nicht von Politik, das bringt mich nur in Zorn. Es handelt sich um Florent, nicht wahr? Da meine ich, daß er die Aufseherstelle annehmen soll. Ist dies nicht auch deine Ansicht, Quenu?
Quenu, der bisher geschwiegen, war von dieser plötzlichen Frage seiner Frau sehr unangenehm berührt.
Es ist eine gute Stelle, bemerkte er vorsichtig.
Da abermals ein verlegenes Stillschweigen eintrat, sagte Florent:
Ich bitte euch, lassen wir das. Mein Entschluß ist gefaßt; ich werde warten.
Sie werden warten? rief Lisa ungeduldig aus.
Zwei Flammen röteten ihre Wangen. Wie sie mit ihren breiten Hüften dastand, eingehüllt in ihre weiße Schürze, mußte sie sich Gewalt antun, um nicht ein hartes Wort fallen zu lassen. Jetzt trat eine neue Kundin ein, die ihren Zorn ablenkte. Es war Frau Lecoeur.
Könnten Sie mir ein halbes Pfund Aufschnitt geben, zu fünfzig Sous das Pfund?
Sie tat anfänglich, als sehe sie ihren Schwager nicht; dann grüßte sie ihn mit einem stummen Kopfnicken. Sie betrachtete die drei Männer vom Kopf bis zu den Füßen und hoffte ohne Zweifel an der Art, wie sie auf ihren Abgang warteten, ihr Geheimnis zu erraten. Sie fühlte, daß sie die Gesellschaft störe; das machte sie noch eckiger, noch mürrischer in ihren platt herabfallenden Röcken, mit ihren langen Spinnenarmen, ihren ineinandergeschlungenen Händen, die sie unter der Schürze hielt. Als sie hüstelte, fragte Gavard, den das Stillschweigen in Verlegenheit brachte:
Sind Sie vielleicht erkältet?
Sie antwortete mit einem sehr trockenen Nein. An den Stellen ihres Gesichtes, wo die Knochen hervortraten, war die Haut gespannt und ziegelrot; das unheimlich funkelnde Feuer ihrer Augen verriet ein Leberleiden, das unter ihrer neidvollen Verbitterung schlummerte. Sie wandte sich wieder zu dem Pulte und folgte jeder Bewegung der sie bedienenden Lisa mit dem argwöhnischen Blick einer Käuferin, die überzeugt ist, daß man sie betrügt.
Geben Sie mir keine Servelatwurst, sagte sie; ich mag sie nicht.
Lisa hatte ein dünnes Messer ergriffen und schnitt Wurstscheiben ab. Dann ging sie zum geräucherten Schinken und zum gewöhnlichen Schinken über, löste dünne Schnitten ab, bei diesem Tun etwas vornüber gebeugt, genau auf das Messer achtend. Ihre gepolsterten, lebhaft gefärbten Hände, die mit weicher Zartheit das Fleisch berührten, behielten davon gleichsam eine fette Geschmeidigkeit und Finger mit bauchigen Gliedern. Sie griff jetzt nach einer breiten Schüssel und fragte:
Sie wollen doch gespicktes Kalbfleisch, nicht wahr?
Frau Lecoeur schien lange mit sich zu Rate zu gehen, dann nahm sie an. Die Wursthändlerin schnitt jetzt von dem Inhalte der verschiedenen Schüsseln ab. Sie nahm auf die Spitze einer breiten Messerklinge Scheiben von gespicktem Kalbfleisch und von Hasenpastete und legte jede Scheibe auf das Papier, das auf der Wage lag.
Geben Sie mir nicht Schweinskopf mit Pistazien? fragte Frau Lecoeur mit ihrer unangenehmen Stimme.
Sie mußte auch Schweinskopf mit Pistazien geben. Allein die Butterhändlerin ward immer begehrlicher; sie verlangte jetzt zwei Schnitten Gelatine, sie liebte auch diese. Lisa, die erregt mit dem Messerhefte spielte, sagte ihr vergebens, daß die Gelatine getrüffelt sei und daß sie davon nur in den Aufschnitt zu drei Franken das Pfund geben könne. Die andere fuhr fort, die Schüsseln zu mustern und suchte, was sie noch verlangen könne. Als der Aufschnitt gewogen war, verlangte sie noch Gelée und Gurken dazu. Der Geléeblock, der die Form eines Napfkuchens hatte und auf einer Porzellanplatte ruhte, zitterte unter ihrer zornbebenden Hand, und als sie zwei große Gurken aus dem hinter dem Ofen stehenden Topfe holte, spritzte der Essig hoch auf.
Ich zahle fünfundzwanzig Sous, nicht wahr? fragte Frau Lecoeur, ohne sich zu beeilen.
Sie sah sehr wohl den dumpfen Zorn Lisas. Sie weidete sich daran, holte das Geld sehr langsam hervor, gleichsam verloren unter den Münzen in ihrer Tasche. Sie betrachtete Gavard von der Seite, ergötzte sich an dem verlegenen Schweigen, das ihre Anwesenheit verlängerte und nahm sich vor, nicht zu gehen, da man vor ihr geheim tue. Endlich steckte die Metzgersfrau ihr ein Paket in die Hand, und sie mußte gehen. Sie entfernte sich wortlos nach einem langen Rundblick durch den Laden.
Als sie fort war, brach Lisa los.
Auch die hat uns die Saget gesendet. Hetzt denn die alte Hexe uns die ganze Markthalle auf den Hals, um zu erfahren, was wir sprechen ... Und wie schlau diese Weiber sind! ... Hat man je gehört, daß man um fünf Uhr abends panierte Koteletten oder kalten