Gesammelte Werke von Charles Darwin (Mit Illustrationen). Чарльз Дарвин
und Spinnen. Sie ist auch gelegentlich allein bei einigen wenigen Gliedern einer Thiergruppe vorhanden, so bei der Gattung Forficula, dem Ohrwurm. Das überaus wichtige Gefühl der Sympathie ist verschieden von dem der Liebe. Eine Mutter kann ihr schlafendes und passiv da liegendes Kind leidenschaftlich lieben, aber man kann kaum sagen, daß sie dann Sympathie für dasselbe fühle. Die Liebe eines Menschen zu seinem Hunde ist verschieden von Sympathie; in ähnlicher Weise ist es die Liebe eines Hundes für seinen Herrn. Wie früher Adam Smith, so hat neuerdings Mr. Bain behauptet, daß der Grund der Sympathie in der starken Nachwirkung liege, welche wir von früheren Zuständen des Leidens oder Vergnügens empfinden. In Folge dessen »erweckt der Anblick einer anderen Person, welche Hunger, Kälte, Ermüdung erduldet, in uns eine Erinnerung an dieselben Zustände, welche selbst in der Idee schmerzlich sind«. Wir werden auf diese Weise veranlaßt, die Leiden eines Anderen zu mildern, um zu gleicher Zeit auch unsere eigenen schmerzlichen Gefühle zu besänftigen. In gleicher Weise werden wir veranlaßt, an der Freude Anderer theilzunehmen.254 Ich kann aber nicht einsehen, wie diese Ansicht jene Thatsache erklärt, daß Sympathie in einem unmeßbar stärkeren Grade von einer geliebten Person als von einer indifferenten erregt wird. Der bloße Anblick des Leidens, ganz unabhängig von Liebe, würde ja schon hinreichen, lebhafte Erinnerungen und Associationen in uns zu erwecken. Die Erklärung dürfte in der Thatsache zu finden sein, daß bei allen Thieren Sympathie allein auf die Glieder einer und derselben Gemeinschaft, daher auf bekannte und mehr oder weniger geliebte Mitglieder, aber nicht auf alle Individuen einer und derselben Species sich bezieht. Diese Thatsache ist nicht überraschender, als die, daß die Furcht bei vielen Thieren sich nur auf gewisse Feinde bezieht. Arten, welche nicht gesellig leben, wie Löwen und Tiger, fühlen ohne Zweifel Sympathie mit dem Leiden ihrer Jungen, aber nicht mit dem irgend eines anderen Thieres. Beim Menschen verstärkt wahrscheinlich Selbstsucht, Erfahrung, Nachahmung, wie Mr. Bain gezeigt hat, die Kraft der Sympathie; denn die Hoffnung, in Erwiderung Gutes zu erfahren, treibt uns dazu, Handlungen sympathischer Freundlichkeit Anderen zu erweisen; und dann wird das Gefühl der Sympathie sehr durch die Gewohnheit verstärkt. Wie compliciert auch die Weise sein mag, in welcher dieses Gefühl zuerst entstanden sein mag, da es eines der bedeutungsvollsten für alle diejenigen Thiere ist, welche einander helfen und vertheidigen, so wird es durch natürliche Zuchtwahl vergrößert worden sein; denn diejenigen Gemeinschaften, welche die größte Zahl der sympathischsten Mitglieder umfassen, werden am besten gedeihen und die größte Anzahl von Nachkommen erzielen.
In vielen Fällen ist es indessen unmöglich, zu entscheiden, ob gewisse sociale Instincte durch natürliche Zuchtwahl erlangt worden sind, oder ob sie das indirecte Resultat anderer Instincte und Fähigkeiten sind, wie der Sympathie, des Verstandes, der Erfahrung und einer Neigung zur Nachahmung, oder ferner, ob sie einfach das Resultat lange fortgesetzter Gewohnheit sind. Ein so merkwürdiger Instinct wie der, Wachen aufzustellen, um die ganze Gemeinschaft vor Gefahr zu warnen, kann kaum das indirecte Resultat irgend einer jener Fähigkeiten gewesen sein; er muß daher direct erlangt worden sein. Auf der anderen Seite mag die Gewohnheit, nach welcher die Männchen einiger socialen Thiere die Herde zu vertheidigen und ihre Feinde oder ihre Beute gemeinsam anzugreifen pflegen, vielleicht aus gegenseitiger Sympathie entstanden sein; aber Muth, und in den meisten Fällen auch Kraft, muß schon vorher und wahrscheinlich durch natürliche Zuchtwahl erlangt worden sein.
Von den verschiedenen Instincten und Gewohnheiten sind einige viel stärker als andere, d. h. einige verursachen entweder mehr Vergnügen, wenn sie ausgeführt werden, und mehr Unbehagen, wenn sie verhindert werden, als andere, oder, und dies ist wahrscheinlich völlig ebenso bedeutungsvoll, sie werden viel beständiger in Folge der Vererbung befolgt, ohne irgend ein specielles Gefühl der Freude oder des Schmerzes zu erregen. Wir selbst sind uns dessen wohl bewußt, daß manche Gewohnheiten viel schwerer zu heilen oder zu ändern sind, als andere. Man kann daher auch oft bei Thieren einen Kampf zwischen verschiedenen Instincten beobachten, oder zwischen einem Instinct und einer gewohnheitsgemäßen Neigung: so wenn ein Hund auf einen Hasen losstürzt, gescholten wird, pausiert, zweifelt, wieder hinausjagt oder beschämt zu seinem Herrn zurückkehrt; oder wenn eine Hündin zwischen der Liebe zu ihren Jungen und zu ihrem Herrn kämpft, denn man sieht sie sich zu jenen wegschleichen, gewissermaßen als schäme sie sich, nicht ihren Herrn zu begleiten. Das merkwürdigste mir bekannte Beispiel aber von einem Instinct, welcher einen anderen bezwingt, ist der Wanderinstinct, welcher den mütterlichen überwindet. Der erstere ist wunderbar stark; ein gefangener Vogel schlägt zu der betreffenden Zeit seine Brust gegen den Draht seines Käfigs, bis sie nackt und blutig ist; er veranlaßt junge Lachse, aus dem Süßwasser herauszuspringen, wo sie ruhig weiter leben könnten, und führt sie damit unabsichtlich zum Selbstmord. Jedermann weiß, wie stark der mütterliche Instinct ist, welcher selbst furchtsame Vögel ermuthigt, größerer Gefahr sich auszusetzen, doch immer mit Zaudern und im Widerstreit mit dem Instincte der Selbsterhaltung. Nichtsdestoweniger ist der Wanderinstinct so mächtig, daß spät im Herbst Ufer- und Hausschwalben häufig ihre zarten Jungen verlassen und sie elendiglich in ihren Nestern umkommen lassen.256
Wir können wohl sehen, daß ein instinctiver Antrieb, wenn er in irgendwelcher Weise einer Species vortheilhafter ist als irgend ein anderer oder entgegengesetzter Instinct, durch natürliche Zuchtwahl der kräftigere von beiden werden kann; denn diejenigen Individuen, welche ihn am stärksten entwickelt haben, werden in größerer Zahl andere überleben. Ob dies aber der Fall ist mit dem Wanderinstinct in Vergleich mit dem mütterlichen, ließe sich wohl bezweifeln. Die größere Beständigkeit und ausdauernde Wirkung des Ersteren zu gewissen Zeiten des Jahres und zwar während des ganzen Tages, dürften ihm eine Zeit lang eine überwiegende Kraft verleihen.
Fußnote
234 s. z. B. über diesen Gegenstand: Quatrefages. Unité de l'espèce humaine, 1861, p. 21 etc.
235 Dissertation on Ethical philosophy. 1837, p. 231 etc.
236 Kritik der praktischen Vernunft (Sämmtliche Werke, herausgegeben von Rosenkranz; 8. Th. p. 214.)
237 Mr. Bain giebt (Mental and Moral Science, 1868, p. 543-725) eine Liste von sechsundzwanzig englischen Autoren, welche über diesen Gegenstand geschrieben haben und deren Namen hier allgemein bekannt sind; diesen lassen sich die Namen von Bain selbst, von Lecky, Shadworth Hudgson, Sir J. Lubbock und noch anderer beifügen.
238 Sir B. Brodie bemerkt, daß der Mensch ein sociales Thier sei (Psychological Enquiries, 1854, p. 192), und stellt dann die bezeichnende Frage auf: »sollte dies nicht die streitige Frage über die Existenz eines moralischen Gefühls beilegen?« Ähnliche Ideen sind wahrscheinlich Vielen schon gekommen, wie schon vor langer Zeit dem Marcus Aurelius. J. S. Mill spricht in seinem berühmten Buche über »Utilitarianism« (1864, p. 46) von den socialen Gefühlen als einer »kraftvollen natürlichen Empfindung« und als »dem natürlichen Grunde des Gefühls für utilitäre Moralität«. Ferner sagt er: »Gleich den andern erworbenen, oben erwähnten Fähigkeiten ist die moralische Kraft, wenn nicht ein Theil unserer Natur, so doch ein natürlicher Auswuchs aus ihr, wie jene fähig, in gewissem niedern Grade spontan hervorzutreten«. Im Gegensatze zu alle dem sagt er aber auch: »wenn nun, wie das meine eigene Überzeugung ist, die moralischen Gefühle nicht angeboren, sondern erlangt sind, so sind sie doch aus diesem Grunde nicht weniger natürlich«. Nur mit Zögern wage ich von einem so tiefen Denker abzuweichen; doch läßt sich kaum bestreiten, daß die socialen Gefühle bei den niederen Thieren instinctiv oder angeboren sind; und warum sollten sie dann beim Menschen es nicht ebenso sein? Mr. Bain (s. z. B. The Emotions and the Will. 1855, p. 481) und andere glauben, daß das moralische Gefühl von jedem Individuum während seiner Lebenszeit erlangt werde. Nach der allgemeinen Entwicklungstheorie