Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant
selber aufgabeln mußt, zwei Sous für die Zeile – 7 – und dann ebenfalls zwei Sous für die Zeile für alle Artikel, die man noch außerdem über verschiedene Themate von Dir haben will – 8 –
Dann achtete er nur noch auf sein Spiel und zählte langsam weiter:
– 9 – 10 – 11 – 12 – 13.
Der vierzehnte Wurf mißlang und er fluchte:
– Diese Gott verdammte Dreizehn bringt mir immer Pech! Verdammtes Aas. Ich sterbe sicher noch an einem Dreizehnten!
Einer der Redakteure, der mit seiner Arbeit fertig war, nahm nun auch einen Fangbecher aus dem Schrank. Es war ein kleiner Mensch, der wie ein Kind aussah, obgleich er wohl fünfunddreißig Jahre zählen mochte. Und ein paar andere Journalisten, die hereingekommen waren, holten sich einer nach dem andern das Spielzeug, das ihnen gehörte. Bald standen sechs neben einander, den Rücken an der Wand und warfen mit ganz regelmäßiger Bewegung die, je nach dem Holze, roten, gelben oder schwarzen Kugeln in die Luft. Und als sie sich stritten, erhoben sich die beiden Redakteure, die noch arbeiteten, auch noch, um das Schiedsrichteramt zu übernehmen.
Forestier gewann mit elf Punkten. Da klingelte der kleine Herr, der wie ein Kind aussah und eben verloren hatte, dem Bureaudiener und befahl:
– Neun Bier!
Und sie fingen dann wieder an zu spielen, indem sie auf die Erfrischung warteten.
Duroy trank ein Glas Bier mit seinen neuen Kollegen, dann fragte er seinen Freund:
– Was hast Du für mich zu thun?
Der andere antwortete:
– Ich habe heute nichts für Dich! Wenn Du willst, kannst Du fortgehen.
– Und unser Artikel? Kommt der heute abend?
– Ja wohl, aber Du brauchst Dich nicht darum zu kümmern,ich lese schon die Korrektur. Mach nur die Fortsetzung für morgen und dann kommst Du wie heute um drei her.
Und Duroy ging, nachdem er allen, ohne zu wissen, wer sie eigentlich waren, die Hand gedrückt, die schöne Treppe wieder hinab, munter und glückselig.
IV
Georg Duroy schlief schlecht, so erregte ihn der Wunsch, seinen Artikel gedruckt zu sehen. Sobald es Tag geworden war er auf und irrte in den Straßen umher, längst ehe die Zeitungsträger mit den Blättern im Laufschritt von Zeitungskiosk zu Zeitungskiosk eilten.
Da lief er zum Bahnhof Saint-Lazare, denn er wußte daß die ›Vie française‹ dort eintreffen würde, ehe sie in sein Stadtviertel kam. Da es immer noch zu früh war, irrte er auf dem Trottoir umher.
Er sah die Zeitungsverkäuferin kommen, die ihr Glashaus öffnete und dann erschien ein Mann, der auf dem Kopfe einen Haufen großer, zusammengefalteter Papiere trug. Er stürzte sich auf ihn. Es waren Figaro, Gil-Blas, Gaulois, Evenement und zwei oder drei andere Morgenblätter, aber die ›Vie ´française‹ war nicht dabei.
Da packte ihn eine Furcht. Wenn man etwa die »Erinnerungen eines Chasseur d’Afrique« bis zum andern Tag verschoben oder vielleicht zufällig der Artikel im letzten Augenblick dem alten Walter nicht gefallen hätte!
Er kehrte zum Kiosk zurück und sah, daß man die Zeitung nun verkaufte, ohne daß er sie hatte bringen sehen. Er eilte hinzu, faltete das Blatt auseinander, nachdem er die drei Sous hingeworfen und durchflog die Kolonnen der ersten Seite – nichts – sein Herz fing an zu schlagen. Er öffnete das Blatt und war ganz erregt, als er unten auf einer Spalte in großen Buchstaben las: »Georg Duroy.« Da war’s. Welche Wonne!
Die Zeitung in der Hand, den Hut schief aufgesetzt, fing er an, ohne an irgend etwas zu denken, seines Weges zu gehen und immer überkam ihn dabei die Lust, die Vorübergehenden anzuhalten, um ihnen zu sagen:
– Kaufen Sie das! Kaufen Sie’s! Es steht ein Artikel von mir drin.
Er hätte am liebsten aus vollen Lungen gerufen wie gewisse Leute des Abends auf den Boulevards:
– Lest die ›Vie francaise‹! Lest den Artikel von Georg Duroy: »Erinnerungen eines Chasseur d’Afrique«!
Und plötzlich empfand er den Wunsch, den Artikel selbst zu lesen, ihn zu lesen an einem Ort, wo andere Menschen waren, in einem besuchten Café. Und er suchte ein Lokal, wo schon Menschen saßen. Er mußte weit gehen. Endlich setzte er sich in eine Art Weinstube, in der schon mehrere Leute Platz genommen hatten und verlangte in demselben Ton wie er etwa einen Absynth verlangt hätte, einen Grog, ohne an die frühe Stunde zu denken. Dann rief er:
– Kellner, geben Sie mal die ›Vie française‹!
Ein Mann mit weißer Schürze erschien:
– Thut mir sehr leid, die halten wir nicht. Wir haben blos Rappel, Siècle, Lanterne und Petit Parisien.
Duroy erklärte wütend in empörtem Ton:
– Das ist ja ‘ne schöne Bude. Holen Sie mir mal das Blatt!
Der Kellner lief davon und brachte es. Duroy fing an, seinen Artikel zu lesen und sagte dabei mehrmals ganz laut: Ausgezeichnet! Ausgezeichnet! um die Aufmerksamkeit seiner Nachbarn auf sich zu ziehen und bei ihnen die Neugier auf den Inhalt des Blattes zu erregen. Dann ließ er die Zeitung auf dem Tisch liegen und ging davon. Der Wirt bemerkte es und rief ihm nach:
– Mein Herr! Mein Herr, Sie haben Ihre Zeitung vergessen!
Und Duroy antwortete:
– Ich habe sie gelesen, ich will sie Ihnen da lassen. Uebrigens steht heute eine riesig interessante Sache drin.
Er bezeichnete sie nicht näher. Aber als er fortging, sah er, wie einer der Gäste die ›Vie française‹ vom Tische nahm, wo er sie hatte liegen lassen.
Er dachte: was soll ich jetzt machen. Und er entschloß sich, ins Bureau zu gehen, um sein Monatsgehalt in Empfang zu nehmen und um seine Entlassung zu bitten. Er zitterte schon im voraus vor Freude bei dem Gedanken an das Gesicht, das sein Chef und seine Kollegen machen würden. Vor allen Dingen belustigte ihn der Gedanke, wie außer sich der Chef sein würde.
Er ging langsam, um nicht vor halb zehn Uhr da zu sein, da die Kasse erst um Zehn geöffnet wurde.
Sein Bureau war ein großes dunkles Zimmer, wo während des Winters beinahe den ganzen Tag über Gas gebrannt werden mußte, da die Fenster auf einen schmalen Hof und andere gegenüberliegende Bureaux gingen. Es waren acht Angestellte und in einer Ecke saß noch ein höherer Subalternbeamter hinter einer spanischen Wand.
Duroy holte sich zuerst seine hundertachtzehn Franken und fünfundzwanzig Centimes, die in einem gelben Umschlage im Tischfache des Kassirers lagen. Dann trat er mit Siegermiene in den großen Arbeitsraum, in dem er schon so viele Tage zugebracht.
Sobald er eingetreten war, rief ihn der Sekretär, Herr Potel:
– Ach, Sie sind’s, Herr Duroy. Der Chef hat schon ein paar Mal nach Ihnen gefragt. Sie wissen, er duldet es nicht, daß man zwei Tage hintereinander ohne ärztliches Attest fehlt.
Duroy der mitten im Zimmer stand, hielt den Augenblick jetzt für gekommen und sagte laut:
– Das ist mir höchst wurst.
Die Beamten waren ganz erschrocken und Herrn Potels verdutztes Haupt erschien über der spanischen Wand, hinter der er wie in einem Kasten saß.
Er schloß sich darin ein, weil er immer Zug fürchtete, denn er litt an Rheumatismus. Er hatte nur ein paar Löcher in den Überzug des Wandschirmes gemacht, um seine Leute überwachen zu können.
Alles war totenstill. Man hätte eine Fliege summen hören. Endlich fragte Herr Potel zögernd:
– Was haben Sie gesagt?