Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant

Gesammelte Werke von Guy de Maupassant - Guy de Maupassant


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      Plötzlich glaubte Du Roy zu hören, wie eine Stimme sagte:

      »Das ist Laroche und Madame Du Roy.«

      Diese Worte streiften leise sein Ohr wie ein weit entferntes Geräusch. Woher kamen sie?

      Er sah sich nach allen Seiten um und erblickte in der Tat seine Frau, die am Arm des Ministers vorbeiging. Sie plauderten ganz leise mit vertraulichem Lächeln und sahen sich in die Augen.

      Er glaubte zu bemerken, daß man bei ihrem Anblick sich etwas zuflüsterte, er empfand das brutale und törichte Verlangen, auf die beiden loszustürzen und sie mit Fäusten niederzuschlagen.

      Sie machte ihn lächerlich; er dachte an Forestier. Vielleicht sagt man schon: »Dieser betrogene Ehemann Du Roy.« Wer war sie denn eigentlich? Eine kleine Frau dunkler Herkunft, ziemlich geschickt emporgekommen, aber mit kleinen Mitteln und ohne besondere Begabung. Man besuchte ihn, weil man ihn und seinen Einfluß fürchtete, weil er stark war, aber man sprach sicher ungeniert über diese Journalistenehe. Mit dieser Frau könnte er es nie weit bringen, die sein Haus stets verdächtig erscheinen ließ, sie kompromittierte sich selbst und ihn, und man sah an ihrem Auftreten und Benehmen, daß sie eine Intrigantin war. Sie war jetzt ein Gewicht, das er am Fuße schleppte. Ach, wenn er geahnt hätte, wenn er es im voraus gewußt: hätte! Dann würde er ein etwas kühneres und größeres Spiel gespielt haben! Oh, was er für eine schöne Partie gewinnen könnte, wenn er auf Suzanne gesetzt hätte! Wie konnte er so blind sein und dieses alles nicht gesehen haben?

      Sie kamen jetzt in den Speisesaal. Es war eine riesige Halle mit Marmorwänden. An den Wänden hingen alte Gobelins.

      Walter erblickte seinen Redakteur und stürzte auf ihn zu, um ihm die Hände zu drücken. Er war berauscht vor Freude:

      »Haben Sie gesehen? … Sag’ mal, Suzanne, hast du ihm gezeigt? Welch eine Menge von Menschen, nicht wahr, Bel-Ami? Haben Sie den Prinz de Guerche gesehen? Er hat hier eben ein Glas Punsch getrunken.«

      Dann wandte er sich zum Senator Rissolin, der seine stumpfsinnig aussehende Frau mit sich schleppte; sie war aufgeputzt wie eine Jahrmarktspuppe.

      Ein Herr grüßte Suzanne, ein hochgewachsener, schlanker, junger Mann mit blondem Backenbart, etwas kahlköpfig und mit weltmännischen Manieren, wie man sie sofort erkennen kann. Georges hörte seinen Namen nennen: Marquis de Cazolles; und er fühlte plötzlich, wie er auf diesen Mann eifersüchtig wurde. Seit wann kannte sie ihn? Wahrscheinlich, seitdem sie so reich war? Er vermutete einen Nebenbuhler.

      Da faßte ihn jemand am Arm. Es war Norbert de Varenne. Der alte Dichter wanderte mit seinem fettigen Haar in seinem alten Frack durch die großen Räume umher, mit einem gleichgültigen und müden Gesichtsausdruck.

      »Das heißt sich amüsieren«, sagte er. »Nachher wird getanzt, dann geht man zu Bett, und die kleinen Mädchen werden zufrieden sein. Trinken Sie etwas Champagner, er ist ausgezeichnet.«

      Er ließ sich ein Glas einschenken und trank Du Roy zu, der auch eins genommen hatte:

      »Ich trinke auf den Endsieg des Geistes über die Millionen.«

      Dann setzte er mit sanfter Stimme hinzu:

      »Nicht etwa, daß ich sie den anderen nicht gönne; ich möchte sie selbst nicht einmal besitzen. Ich protestiere aus Prinzip.«

      Georges hörte ihm nicht mehr zu. Er suchte Suzanne, die eben mit dem Marquis de Cazolles verschwunden war; er ließ Norbert de Varenne plötzlich allein stehen und machte sich an die Verfolgung des jungen Mädchens. Eine dichte Menge, die das Büfett umlagerte, hielt ihn auf. Als er sich durchgedrängt hatte, stieß er auf das Ehepaar de Marelle.

      Er traf sich regelmäßig mit der Frau, aber den Mann hatte er seit längerer Zeit nicht gesehen. Er streckte ihm beide Hände entgegen und sagte:

      »Ich muß Ihnen vielmals danken, mein Lieber, für den Ratschlag, den Sie mir durch Clotilde geben ließen. Ich habe durch die Marokkoanleihe gegen 100000 Francs verdient. Das verdanke ich Ihnen. Sie sind wirklich ein bezaubernder Freund.«

      Die Männer, die herumstanden, drehten sich um und blickten der hübschen, eleganten Brünette nach.

      »Als Gegenleistung«, erwiderte Du Roy, »müssen Sie mir Ihre Frau abtreten, oder vielmehr, ich biete ihr den Arm an. Eheleute muß man immer trennen.«

      Herr de Marelle verbeugte sich:

      »Sehr gut. Sollte ich Sie aus den Augen verlieren, so treffen wir uns hier nach einer Stunde.«

      »Abgemacht.«

      Die beiden jungen Leute mischten sich unter die Menge, und der Ehemann folgte ihnen.

      »Die Walters haben doch Glück,« wiederholte Clotilde, »aber es gehört auch Tüchtigkeit und Geschäftssinn dazu.«

      Georges antwortete: »Ach was, energische und starke Menschen erreichen immer ihr Ziel, so oder so.«

      »Jede der beiden Töchter«, fuhr sie fort, »bekommt ihre 20 oder 30 Millionen Mitgift. Und Suzanne ist außerdem auch hübsch …«

      Er sagte nichts. Es ärgerte ihn, seine eigenen Gedanken von einem anderen aussprechen zu hören.

      Sie hatte das Gemälde noch nicht gesehen. Er schlug ihr vor, sie dort hinzuführen. Sie fanden Vergnügen daran, Bosheiten über die Leute zu sagen und sich über unbekannte Gesichter lustig zu machen. Saint-Potin kam an ihnen vorüber; sein Frack war dicht mit Orden besteckt, was sie sehr belustigte. Ihm folgte ein früherer Botschafter mit einer kleineren Ordensschnalle.

      Du Roy erklärte:

      »Was für eine buntgemischte Gesellschaft.«

      Boisrenard, der ihm die Hand schüttelte, hatte auch sein Knopfloch mit dem grüngelben Bändchen geschmückt, das er auch an dem Duelltage getragen hatte. Die Vicomtesse de Percemur, ungeheuer auffallend gekleidet, unterhielt sich mit einem Herzog in dem kleinen Louis-XVI-Boudoir.

      »Ein galantes tête-à-tête«, sagte Georges leise; als er durch den Wintergarten ging, sah er seine Frau mit Laroche-Mathieu hinter einem Palmenbusch halb versteckt sitzen. Sie schienen zu sagen: »Wir haben uns hier ein Rendezvous gegeben, ein öffentliches Rendezvous. Und pfeifen auf die Meinung der Gesellschaft.«

      Madame de Marelle fand den »Jesus« von Markowitsch überraschend schön, und sie ging wieder zurück. Den Ehemann hatten sie verloren.

      »Und Laurine,« fragte er, »ist sie mir immer noch böse?«

      »Ja, immer noch. Sie will dich nicht mehr sehen und geht fort, wenn man von dir redet.«

      Er antwortete nicht. Aber diese plötzliche Feindseligkeit des kleinen Mädchens bedrückte ihn und stimmte ihn traurig.

      An einer Tür begegneten sie Suzanne; sie rief Georges zu:

      »Ah, da sind Sie ja, Bel-Ami! Sie müssen jetzt allein bleiben, ich entführe Ihnen die schöne Clotilde, um ihr mein Zimmer zu zeigen.«

      Und die zwei Damen gingen raschen Schrittes weiter. Sie glitten durch das dichte Menschengewühl und verschwanden in der Menge. Gleich darauf rief eine Stimme leise:

      »Georges.«

      Es war Frau Walter. Sie fuhr mit leiser Stimme fort:

      »Oh! Wie grausam sind Sie! Warum quälen Sie mich so ohne Grund? Ich habe Suzette gebeten, Ihre Begleiterin zu entführen, damit ich Ihnen ein Wort sagen kann. Hören Sie mich an, ich muß … ich muß Sie heute abend sprechen … oder … oder … Sie wissen gar nicht, was ich tun werde. Gehen Sie in den Wintergarten, links finden Sie eine Tür, und durch diese gelangen Sie in den Garten. Gehen Sie geradeaus, die Allee entlang, am Ende befindet sich eine Laube. Erwarten Sie mich da in zehn Minuten. Wenn Sie das nicht wollen, so schwöre ich Ihnen: ich mache hier sofort einen Skandal!«

      Er antwortete hochmütig:

      »Meinetwegen. Ich werde in zehn Minuten an dem verabredeten Ort sein.«

      Dann trennten sie sich,


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