Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant

Gesammelte Werke von Guy de Maupassant - Guy de Maupassant


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Ende März sprach man plötzlich von der bevorstehenden Heirat der beiden Schwestern. Rose sollte sich mit dem Grafen Latour-Yvelin und Suzanne mit dem Marquis de Cazolles vermählen. Beide Herren waren Hausfreunde geworden; man behandelte sie mit einer besonderen Gunst und Rücksicht und erwies ihnen merkliche Vorrechte. Georges und Suzanne verkehrten ganz frei und mit einer brüderlichen Vertrautheit miteinander; sie plauderten stundenlang zusammen, machten sich über alle Welt lustig und schienen sehr gut zueinander zu stehen.

      Er sprach nicht mehr über eine etwaige Heirat des jungen Mädchens, noch über die einzelnen Bewerber, die in Frage kämen.

      Eines Tages hatte der Direktor Du Roy zum Frühstück mitgebracht, Frau Walter mußte gleich nach dem Essen fort, um mit einem Lieferanten etwas zu besprechen, und Georges sagte zu Suzanne:

      »Kommen Sie, wollen wir die Fische füttern?«

      Jeder nahm sich vom Tisch ein großes Stück Brot und sie gingen in den Wintergarten.

      Rings um das riesige Becken lagen Kissen auf dem Fußboden, so daß man bequem niederknien, und die schwimmenden Tiere aus der Nähe beobachten konnte. Die jungen Leute nahmen sich jeder eins und legten sich nebeneinander, dann beugten sie sich über das Wasser und begannen Brotkügelchen hineinzuwerfen, die sie zwischen den Fingern drehten. Als die Fische das merkten, drängten sie sich sofort heran, sie zuckten mit den Schwänzen und schlugen mit den Flossen das Wasser, rollten ihre großen hervorstehenden Augen, drehten sich herum und tauchten dann unter, um die versinkenden Kügelchen zu haschen, dann stiegen sie gleich wieder zur Oberfläche empor, um noch mehr Futter zu fordern.

      Der Ausdruck ihrer Mäuler war irgendwie seltsam und komisch; ihre Bewegungen waren schroff und hastig, und sie sahen wie kleine märchenhafte Ungetüme aus. Vom Goldsandgrunde hoben sie sich feuerrot ab, sie schossen wie Flammen durch das durchsichtige Wasser oder standen still und zeigten dabei die blauen Säume ihrer Schuppen. Georges und Suzanne sahen ihre umgekehrten Gesichter im Wasser und lächelten ihren Spiegelbildern zu.

      Plötzlich sagte er ganz leise:

      »Das ist nicht nett von Ihnen, Suzanne, daß Sie Geheimnisse vor mir haben.«

      »Wieso?« fragte sie.

      »Entsinnen Sie sich nicht mehr, was Sie mir an dem Fest hier an dieser Stelle versprochen haben?«

      »Nein, nicht.«

      »Sie wollten mich jedesmal um Rat fragen, wenn jemand um Ihre Hand bittet.«

      »Nun, und?«

      »Man hat doch um Sie angehalten.«

      »Wer denn?«

      »Sie müßten das doch besser wissen.«

      »Nein, ich schwöre es Ihnen.«

      »Doch, Sie wissen’s bestimmt. Dieser lange Geck, der Marquis de Cazolles.«

      »Er ist erstens kein Geck.«

      »Möglich, aber er ist dumm, durch das Spielen ruiniert und verbraucht durch Heiratsanträge und Ausschweifungen. Das wäre wirklich eine schöne Partie für Sie, die Sie ein hübsches, frisches und kluges Mädchen sind!«

      Sie fragte lächelnd:

      »Was haben Sie denn gegen ihn?«

      »Ich? Nichts.«

      »Aber doch. Er ist gar nicht so, wie Sie ihn schildern.«

      »Ich bitte Sie, doch, er ist ein Idiot und Intrigant.«

      Sie drehte sich etwas zur Seite und sah nicht mehr ins Wasser:

      »Was haben Sie denn?«

      Da sprach er, als hätte man ihm ein Geheimnis aus dem Innern seiner Seele herausgerissen.

      »Ich … Ich … Ich habe … Ich bin eifersüchtig auf ihn.«

      Sie war etwas überrascht.

      »Sie?«

      »Jawohl, ich!«

      »So! Und weshalb, wenn ich fragen darf?«

      »Weil ich in Sie verliebt bin, und Sie wissen das sehr gut, Sie böses Mädchen!«

      »Sie sind verrückt, Bel-Ami«, sagte sie streng.

      Er fuhr fort:

      »Ich weiß es wohl, daß. ich verrückt bin. Sollte ich Ihnen so etwas gestehen, ich, ein verheirateter Mann? Ich bin mehr als verrückt, ich tue unrecht, ich bin beinahe ehrlos. Mir bleibt keine Hoffnung und ich verliere den Verstand, wenn ich daran denke. Und wenn ich höre, daß Sie heiraten werden, überfällt mich eine Wut, so daß ich imstande bin, jemanden umzubringen. Sie müssen mir das verzeihen, Suzanne, bitte!«

      Er schwieg, und die Fische, die kein Futter mehr bekamen, standen unbeweglich in einer Reihe wie englische Soldaten und blickten die gesenkten Gesichter der beiden Menschen an, die sich nicht mehr um sie kümmerten.

      Das junge Mädchen flüsterte halb traurig, halb lustig:

      »Es ist so schade, daß Sie verheiratet sind. Aber was wollen Sie denn tun? Man kann dem nicht abhelfen. Es ist erledigt.«

      Er wandte sich plötzlich zu ihr um und sagte ihr ganz nahe ins Gesicht:

      »Und wenn ich frei wäre, würden Sie mich dann heiraten?«

      Sie antwortete und ihre Stimme klang dabei ganz aufrichtig :

      »Ja, Bel-Ami, ich würde Sie heiraten, denn Sie gefallen mir mehr als alle anderen.«

      Er stand auf und stammelte:

      »Ich danke Ihnen … danke … ich flehe Sie an, geben Sie niemandem Ihr Jawort. Warten Sie eine Weile. Ich bitte Sie darum. Wollen Sie mir das versprechen?«

      Sie murmelte verlegen, ohne zu begreifen, was er wollte:

      »Ich verspreche es Ihnen.«

      Du Roy warf ein großes Stück Brot, das er noch in seinen Händen hielt, ins Wasser und eilte hinaus, ohne sich zu verabschieden, als hätte er den Kopf verloren.

      Alle Fische stürzten sich gierig auf den Brotklumpen, der herumschwamm, ohne von den Fingern geknetet zu sein, und sie zerrten daran mit ihren gefräßigen Mäulern. Sie schleppten es an die andere Seite des Bassins, sprangen und wirbelten um ihn herum und bildeten eine Art lebendiger Blume, die kopfüber ins Wasser gefallen war.

      Suzanne stand unruhig und erstaunt auf und ging langsam zurück. Der Journalist war fort.

      Er ging in voller Ruhe nach Hause und fragte Madeleine, die gerade einen Brief schrieb :

      »Willst du Freitags bei Walter essen? Ich gehe jedenfalls hin.«

      Sie überlegte:

      »Nein, ich fühle mich nicht ganz wohl. Ich bleibe lieber zu Hause.«

      »Tue, wie du willst, niemand zwingt dich.«

      Dann nahm er seinen Hut und ging sofort wieder weg.

      Seit langem spürte er ihr nach, überwachte und beobachtete sie, so daß er genau wußte, mit wem sie verkehrte und was sie trieb. Die Stunde, auf die er wartete, war endlich gekommen. Der Ton, mit dem sie »Ich bleibe lieber zu Hause« antwortete, hatte ihn nicht getäuscht.

      Die folgenden Tage benahm er sich sehr nett und liebenswürdig ihr gegenüber. Er schien sogar heiter zu sein, was er jetzt im allgemeinen nicht mehr war, so daß sie einmal zu ihm sagte:

      »Siehst du, jetzt wirst du wieder nett und lieb.«

      Am Freitag zog er sich frühzeitig an, um, wie er behauptete, noch ein paar Besorgungen zu erledigen, noch bevor er zum Chef ging. Dann verließ er um 6 Uhr seine Wohnung, gab seiner Frau einen Kuß und suchte sich eine Droschke auf der Place Notre Dame de Lorette.

      Er sagte dem Kutscher:

      »Fahren Sie nach der Rue Fontaine und halten Sie gegenüber der Nummer 17. Sie bleiben da stehen, bis ich Ihnen


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