Gesammelte Werke. Ernst Wichert

Gesammelte Werke - Ernst Wichert


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von Euch nicht hören sollen, Konrad Letzkau, sagte er halb über die Achsel weg. Man weiß ja doch, daß Ihr in des Königs Lager gewesen seid, als der Orden die Marienburg verteidigte.

      Arnold Hecht zupfte den Bürgermeister am Mantel und raunte ihm zu: Bleib's ihm nicht schuldig, Konrad.

      Der Komtur wandte sich rasch um. Habt Ihr etwas zu sagen, so sagt's laut. Wenn nicht, so laßt mich Eure Heimlichkeit nicht merken.

      Hecht knurrte unwillig etwas in den Bart. Letzkau aber nahm wieder das Wort. Gnädiger Herr, es wäre viel zu sagen auf das, was Ihr uns vorgeworfen habt. Aber ich fürchte, wir kämen heute nicht zu Ende, wenn wir uns gegenseitig aufrechneten, was uns verdrossen hat. Weil kein Vertrauen im Lande war, deshalb hat der Orden im Unglück so viel Abfall erfahren.

      Er wird sich in Zukunft vorsehen, rief der Komtur, daß man ihm nicht wieder seine Guttaten mit Verrat lohne.

      Das hörten die Umstehenden, und ein Murren lief durch die Reihen der Ratmannen und Schöppen. Wer spricht von Verrat? sagten sie.

      Der Komtur sah mit einem herausfordernden Blick über sie hin, als käme ihm Widerspruch gerade recht. Ich kenne euch alle besser, als ihr glaubt, sagte er nach einer Weile, und lasse mich durch das nicht irremachen, was ihr jetzt in der Not versprecht. Davon soll noch weiter die Rede sein vor dem Herrn Hochmeister, da ihr selbst ihn doch anruft. Bis dahin will ich auf euer demütiges Bitten von meiner Macht nicht Gebrauch machen, wenn ihr eidlich gelobt, Frieden zu halten und alle Gewalt abzutun. Wie ihr Vertrauen verdienen werdet, wird man euch Vertrauen schenken.

      Wir aber meinen einen Vergleich zu schließen, entgegnete Letzkau, bei dem jeder Teil nachläßt und empfängt. So sehr hat uns wahrlich die Not nicht gedrängt, daß wir uns ergeben müßten auf Gnade und Ungnade. Was aber geschieht, geschieht zu beider Teile Bestem. Ist noch etwas unklar bei diesem gütlichen Abkommen, so wär's klüger, von neuem zu verhandeln, als einander künftig mit Vorwürfen zu begegnen.

      Der Komtur machte eine abwehrende Bewegung mit der Hand. Was nützt es, mit Worten zu fechten? Einig werden wir doch nimmer. Es bleibt bei dem, was in der Jungstadt verabredet ist. Legt also die Hand aufs Kruzifix und tut euer Gelöbnis.

      Wir tun's für die Stadt, sagte Hecht und schritt die Stufen zum Altar hinauf.

      Letzkau stand noch einen Augenblick nachdenklich, dann folgte er. Wir verpflichten durch diesen Schwur nicht nur uns, bemerkte er, sondern auch Euch und euer Kapitel, gnädiger Herr. Wolle ihn Gott so annehmen.

      Der Komtur antwortete nicht darauf. Gleich nach beendeter Zeremonie verließ er die Kirche und begab sich nach dem Schlosse zurück. Der Rat aber ging in den Ratsstuhl und wohnte dem Gottesdienste in corpore bis zum Schlusse bei. Dicht gedrängt stand im breiten Schiffe zwischen den massigen Pfeilern die Gemeine. Das Gebet um Frieden war heute auf allen Lippen.

      Als Letzkau nach seinem Hause zurückgekehrt war, meinte er die Stille des Feiertags am besten nützen zu können zu einem ausführlichen Schreiben an den Herrn Hochmeister. Dazu schloß er sich gleich nach der Mittagsmahlzeit, zu der sich Barthel Groß mit Frau Anna und den Kindern als liebe Gäste gesellten, in sein Stübchen ein und befahl, daß niemand ihn vor Abend störe. Er berichtete dem Fürsten alles, was geschehen war, und sprach umständlich seine Meinung aus über das, was dem Lande not tue und für alle Zeiten ein gutes Einvernehmen zwischen Herrschaft und Untertanen schaffen könne.

      In den ersten Nachmittagsstunden schickte Arnold Hecht den Ratsboten zu ihm und ließ ihn eiligst zu sich rufen. Er wurde aber nicht vorgelassen, sondern dahin beschieden, daß der Kumpan von Geschäften selbst abmachen möge, was keinen Aufschub leide und nicht bedenklich sei. Was aber bedenklich sei, möge die Feiertage über ruhen.

      Diese Antwort kam Hecht ganz gelegen. Die Sache, um die es sich handelte, ging hauptsächlich ihn selbst an. Bald nach seiner Rückkehr aus der Kirche nämlich waren zwei seiner Kaufgesellen, die er mit einigen beladenen Weichselkähnen stromaufwärts zur Beaufsichtigung der Schiffer mitgeschickt hatte, auf schaumbedeckten Pferden angeritten gekommen und hatten berichtet, daß es zwischen den Schiffsknechten und den Leuten des Vogts von Dirschau Streit gegeben habe, daß der Vogt hinzugekommen sei mit seinen Bewaffneten und die Kähne samt dem Gute mit Beschlag belegt, die Schiffsführer aber in festen Gewahrsam gebracht habe und in seinem Turm festhielte. Er habe gesagt, daß ihm vom Herrn Komtur zu Danzig befohlen sei, jede Unbill streng zu strafen. Darauf hätten sie sich eiligst in der Stadt Pferde genommen und seien in kaum vier Stunden herübergeritten, den Unfall zu melden. Es scheine ihnen, daß der Vogt nur die Gelegenheit vom Zaune gebrochen habe, sich des Danziger Gutes zu bemächtigen.

      Diese Nachricht stieg Hecht so zu Kopfe, daß er feuerrot wurde vor Zorn und drohte, dem Vogt das Räuberhandwerk zu legen. Er hatte sich schon in der Kirche geärgert und innerlich wegen des Komturs übermütigen Betragens erbost. Nun hatte er aber doch in gutem Vertrauen, daß die Feindseligkeiten eingestellt wären, seine Weichselschiffe fortgeschickt, ohne den Sonntag Palmarum abzuwarten. Es war ihm schlecht bekommen. Wie immer schnell aufgeregt, redete er sich ein, daß der Komtur ihnen eine Falle habe stellen wollen, und dachte am letzten daran, mit ihm wegen Freigabe seines Gutes zu verhandeln. Bitten war überhaupt nicht seine Sache. Rasch durchzugreifen, schien ihm auch hier das geratenste. Er befahl also den Kaufgesellen, die Pferde in einen Herbergsstall zu bringen und tüchtig füttern zu lassen, sich selbst aber in einigen Stunden wieder bereit zu halten.

      Dann holte er den Stadtschreiber ab und nahm ihn mit nach dem Rathause. Er hieß ihn einen Brief schreiben an den Vogt zu Dirschau, wie er es ihm vorsagen würde, und schickte indessen zu Letzkau, Barthel Groß, Huxer und einigen anderen Ratmannen. Einige davon kamen auch, andere ließen sich wegen des Feiertags entschuldigen. Barthel Groß hatte selbst einiges Gut unterwegs und war besorgt deshalb. Huxer riet, man solle sich beim Komtur beschweren, der ja nun beweisen könne, wie ernst es ihm mit der Freundschaft sei. Ich denke, da brauchen wir keines Beweises! rief Hecht hitzig. Er wartet nur darauf, daß wir uns irgendwo Unglimpf gefallen lassen, um uns bald überall an den Ohren zu zausen. Gerade weil's so anfängt, müssen wir ihm zeigen, daß wir seiner Diener Unverschämtheit noch weniger dulden wollen als seine eigene. Er wird sich dann danach achten.

      So schrieb er nun im Namen des Rates der Rechten Stadt Danzig: »Herr Vogt, wisset! Gebet Ihr nicht auf der Stelle wieder, was Ihr aufgehalten und den Unsern genommen habt, so wollen wir gedenken, wie wir uns Euer erwehren und der Eueren!« Siegelte auch mit des Rates Siegel.

      Das ist ein Absagebrief, meinte Huxer. Wollt Ihr eine Fehde beginnen mit des Ordens Vogt? Das wird in der Marienburg übel vermerkt werden.

      Mag's doch! entgegnete Hecht, sich die Schweißtropfen mit dem Ärmel von der Stirn wischend. Soll man uns als freie Männer ansehen oder wie leibeigene Bauern behandeln? Gegen uns ist schon mehr vorgebracht, und wir verantworten's dann in einem hin.

      Der Brief ging ab und kam noch denselben Abend spät in des Vogts Hand. Der aber vertröstete die Boten mit Antwort bis zum nächsten Tage und schickte noch in der Nacht einen Reitenden an den Komtur nach Danzig mit kurzem Bericht, gab ihm auch den Absagebrief des Rats mit und ließ melden, daß er die Schiffe nicht freigeben wolle, bis er dazu Befehl erhalte. Das geschah ganz heimlich, und die Kaufgesellen erfuhren davon nichts, begaben sich vielmehr in ihrer Herberge zur Ruhe. Am Montag früh langte der Reitende auf dem Danziger Schlosse an und richtete sogleich seinen Auftrag aus.

      Der Komtur schäumte vor Wut, als er den Absagebrief las. So frech ist der Herrschaft in diesem Lande noch nicht begegnet worden! rief er. Sagen die verräterischen Buben uns Fehde an, eine Stunde nachdem sie uns Frieden und Gehorsam gelobt? Aber ich will sie züchtigen! Wahrlich, es wird Zeit, zu handeln! –

      Am Sonntag gegen Abend war auch der Großschäffer von Marienburg, Herr Ludecke von Palsat, in Geschäften nach Danzig gekommen und alter Gewohnheit nach bei seinem Freunde, dem Ratsherrn Niklas Thomas, in der Langgasse abgestiegen. Er freute sich, zu hören, daß der Streit zwischen dem Schloß und der Stadt verglichen sei, denn er war ein gemütlicher Herr, der sich wenig um die politischen Dinge, desto mehr aber um Handel und Wandel kümmerte, weshalb er denn zu dem Großschäfferamt geschickt befunden war. Da nun Thomas auch wußte, daß er gern gut tafelte und am liebsten zwischen den Schüsseln die Geschäfte besprach, hatte er


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