Gesammelte Werke. Ernst Wichert

Gesammelte Werke - Ernst Wichert


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von den deutschen Herren werden, das war eine lockende Aussicht. Aber Maria entsagen –? Unmöglich! Jetzt erst fühlte er mit ganzer Stärke, wie fest sie ihm ins Herz gewachsen war.

      Er vermied es, dem Hochmeister zu begegnen. Ungern hätte er ihn erzürnt und für immer seine Gnade verscherzt. Manchmal beschlichen ihn auch bange Zweifel, ob er das Ziel erreichen könnte, das er sich selbst gesetzt. Nie war ihm dergleichen vorher gekommen. Ob er geliebt wurde, war die einzige Frage, und auch da war er der Antwort bald gewiß. Er sah nicht auf seinen Weg, er fühlte ihn nicht unter seinem Fuß; leicht schwebten seine sehnsüchtigen Gedanken an das geliebte Mädchen darüber hin – Anfang und Ende seines glückseligsten Strebens war eins. Nun stellte sich so oft Huxers gedrungene Gestalt vor ihn hin, den Arm vorstreckend und mit der Hand zurückwinkend. Das verwetterte Gesicht des alten Reeders wollte ihm gar nicht vertrautsam erscheinen. Und wer war er nun? Was hatte er zu bedeuten in der Welt? Was bot ihm die Zukunft? Zog gar der Hochmeister seine Hand von ihm ab, so war seines Bleibens nicht länger im Lande. Und ehe er sich im Dienste fremder Fürsten mit dem Schwert eine geachtete Stellung erkämpfte – an so langes Warten dachte Maria schwerlich.

      Dann wieder meinte er, nur vor Tidemann Huxer hintreten und mit kühnem Wort sprechen dürfen: Ich liebe Eure Tochter – gebt sie mir zum Weibe! Wie konnte er seinem einzigen Kinde einen Herzenswunsch versagen, der so ernst gemeint war? Und es war ernst gemeint! Wie er Maria kannte, würde sie nicht von ihm lassen und selbst ihres Vaters Zorn und Drohung nicht fürchten. Und wenn sie nun fest blieb und unerschütterlich zu ihm hielt – was konnte sie trennen? Dann schwanden wieder alle Besorgnisse, und sein Herz jauchzte auf.

      Am liebsten setzte er sich in ein Boot und ruderte auf dem Schloßteich herum bis hoch hinauf zur Mühle. Da war er mit seinen Gedanken allein.

      Eines Abends, als er auf der oberen Galerie stand und, an einen Pfeiler gelehnt, in den Hof hinabschaute, legte sich eine schwere Hand auf seine Schulter. Er wandte sich rasch um und bemerkte den Hochmeister. Nun, Heinrich, fragte derselbe, hast du's überlegt, bist du mit dir einig? In kurzem reise ich nach der Marienburg zurück – es wird wegen wichtiger Beratung in Landessachen ein Generalkapitel berufen werden. Ihm steht die Aufnahme neuer Ordensbrüder zu. Entscheide dich also, ob du das Kreuz nehmen willst.

      Heinz bückte sich und küßte seine Hand. Was zu bedenken ist, gnädigster Herr, antwortete er, kann ich hier nicht bedenken. Gebt mir gütigst Urlaub auf einen Monat oder zwei, damit ich außen umschaue, was ich ergreifen möchte, und prüfe, wie meinem Herzen zumute ist. Betrachtet meine jungen Jahre, gnädigster Herr, und scheltet meine grüne Torheit nicht. Auch Euch stand wohl in solcher Zeit nicht der Sinn nach dem Kreuz unseres Erlösers. Ich will Euch die Wahrheit bekennen als meinem gütigen Oheim: mein Herz ist voll Liebe zu einem schönen Mädchen, und wenn ich dessen Hand erwerbe, schätz ich mir alles andere gering. Schlägt aber diese liebste Hoffnung fehl, dann weiß ich mir nichts Sehnlicheres, als das Kreuz auf mich zu nehmen. Was ich dann Gott in Eure Hand gelobe, das meine ich halten zu können.

      Er sah den hohen Herrn dabei recht treuherzig an, und was er sprach, sprach er ohne Stocken, ob er schon fürchtete, scharf angefahren zu werden. Zu seiner Verwunderung glänzte aber des Meisters Auge feucht. Geh denn – geh, sagte derselbe mild und freundlich. Und möge dir's erspart sein, zu erfahren, was ich erfahren habe, ehe ich unter Christi Kreuz den Frieden fand. Nun sage ich selbst: übereile nichts – bedenke – prüfe! Ich will deinem Glück nicht im Wege stehen – mögest du es ohne mich finden.

      Er küßte ihn auf die Stirn, wandte sich rasch ab und ging.

      Am anderen Morgen kam der Großschäffer ihn aus seiner Schlafkammer abholen. Er mußte ihn über die Schloßbrücke nach der Altstadt hinein begleiten. Dort führte er ihn in eine Herberge, in der er selbst sein städtisches Quartier hatte, reichte ihm einen ledernen Beutel, der schwer mit Goldstücken gefüllt war, und sagte ihm, daß er vom Herrn Hochmeister beauftragt sei, ihn zur Reise auszurüsten. Sein Pferd stand dort schon gesattelt. In dem Mantelsack, der aufgeschnallt war, sollte er ein gutes Kleid und feines Leinen finden. Der Herr Hochmeister sendet Euch seinen Gruß, sagte er, und hofft, daß Euch dies auf Euren Wegen nütze. Reicht's nicht zu, so wendet Euch lieber an mich als an ihn. Weiß ich doch nun, daß ich ihm eine Freundlichkeit erweise, wenn ich Euch helfe. Ich hoffe auch, Ihr besucht mich bald auf meiner Burg Rheden – wenn nicht meinet, so doch des Freundes in Buchwalde wegen. Das Fräulein wird dort aus Polen erwartet. Soll ich einen Gruß bestellen? Gott befohlen, Junker!

      Er wartete nicht ab, bis Heinz seinen Dank gestammelt hatte. Der aber schwang sich aufs Pferd und trabte frohen Muts zum Tor hinaus.

      An demselben Tage ließ der Hochmeister viele Briefe schreiben und siegeln. Es war ein Städtetag nach Braunsberg angesagt auf den 12. April. Nun schrieb er an die Ratmannen von Thorn und Elbing, Graudenz und Kulm und an viele andere Städte, auch an die Bannerführer und Landrichter der Gebiete und an alle angesehensten und edelsten Landesritter, daß sie sämtlich zu diesem Tage erscheinen sollten, zu dem auch er eintreffen werde, des Landes Wohl mit ihnen zu beraten und seinen Spruch wegen der Stadt Danzig zu vernehmen.

      Danzig soll offen gerichtet werden vor dem ganzen Lande! rief er.

      Georg von Wirsberg aber erhielt Auftrag, nach Rheden zu gehen und dort Vorsorge zu treffen, daß die fällige Schuld an den König pünktlich entrichtet werde. Alles Geld sollte er dort zusammenbringen, das vom Schloß noch eingehe, auch alles Silbergeschirr aus den benachbarten Komtureien in seinen Gewahrsam nehmen und einschmelzen lassen. Sein eigenes kostbares Tafelgeschirr befahl der Hochmeister aus der Marienburg nach Rheden zu schaffen und in gleicher Weise zu verwenden.

      Es ziemt uns nicht, sagte er, von silbernen Schüsseln zu essen, wenn das Land darbt.

      34. DIE EIDECHSEN

       Inhaltsverzeichnis

      Hans von der Buche baute mit großem Eifer seinen Hof in Buchwalde wieder auf.

      Er hatte Zimmerleute, Maurer und Dachdecker teils von Thorn, teils von Kulm und Graudenz beschafft und zahlte ihnen einen hohen Lohn. Es war nicht leicht, in dieser Zeit selbst gegen die lockendsten Anerbietungen die erforderliche Zahl von Bauhandwerkern zusammenzubringen und zusammenzuhalten. Denn meilenweit im Kulmer Lande waren die Höfe von den durchziehenden Polen niedergebrannt und eingeäschert worden; gerade in dieser Gegend, wo sich doch so viele heimliche Freunde für sie bemühten, hatten sie am schlimmsten gehaust. Es war viel Elend im ganzen Lande.

      Da merkte Hans von der Buche nun erst recht, wieviel Dank er dem alten Waldmeister schuldete, der sein Vieh und Wirtschaftsgerät geborgen und auch dem gänzlichen Verfall des Hofes entgegengearbeitet hatte. Im Walde am Melno-See wurde Holz geschlagen; die Preußen aus der Heidenschanze halfen es zurichten und auf den Hof schaffen. Auch ließen sie sich als Brettschneider und Ziegelarbeiter dingen. Die städtischen Zimmerleute richteten die Ställe und Scheunen, stellten die Umwehrung des Hofes wieder her. Dann ging's an das Wohnhaus, dem die Hälfte des Daches neu aufgesetzt werden mußte. Im Innern ließ der Gutsherr die Gemächer neben der Halle wohnlich herrichten und ritt deshalb von Zeit zu Zeit selbst nach Thorn hinüber, um Einkäufe an wollenen Teppichen zur Bekleidung der Wände und Belegung der Fußböden zu machen. Er kaufte auch bunte Gläser, die in dieser geschäftsstillen Zeit billig zu haben waren, und ließ sie in die Bleieinfassungen der Fenster einsetzen, so daß nun das Sonnenlicht farbig einfiel wie in den Kapellen der Kirchen. Auch zwei Holzschnitzer beschäftigte er, die Tische mit gewundenen Füßen und Stühle mit geschweiften und mannigfaltig verzierten Lehnen herstellen mußten. Ein Maler färbte Laden und Kisten zu allerhand Gerät blau und rot, versuchte auch die Deckel mit Blumen und Rankenwerk zu zieren. In der Schmiede wurde an den eisernen Beschlägen gearbeitet, und der Junker zeichnete selbst die Formen mit Kohle vor, wie er sie draußen im Reich in Nürnberg und Augsburg gesehen hatte. Früh und spät war er auf dem Platze, um zu beaufsichtigen, anzutreiben, guten Rat zu erteilen.

      Schwerlich dachte er dabei an seine eigene Bequemlichkeit. Er wohnte noch immer im alten Hause und schien für seine Person gar wenig Bedürfnisse zu haben. Auch auf seine Stiefmutter meinte er nicht Rücksicht nehmen zu dürfen. Fühlte


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