Gesammelte Werke. Ernst Wichert

Gesammelte Werke - Ernst Wichert


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und Danziger Schiffskinder, sämtlich mit Eisenhut und Brustharnisch, Schwert und Spieß bewaffnet. Er sagte ihnen, was im Werke sei, und forderte diejenigen auf, vorzutreten, die sich freiwillig bei dem gefährlichen Ausfall beteiligen wollten. Hans von der Buche war der erste, der sich meldete. Dann rief einer von den Danzigern – Klaus Poelke war's, Barbaras Schwestersohn – : Wir Schiffskinder sind sämtlich bereit mitzutun, wo's etwas dreinzuschlagen gibt. Geht's uns drüben schlecht, so schwimmen wir allenfalls über den Graben. Nun schlossen sich auch viele von den schlesischen Söldnern an, und ihre Hauptleute blieben nicht zurück.

      Es war ein stattliches Häuflein, das sich zu dem Wagnis stellte und seitab durch ein enges Tor ausgelassen wurde. Hans von der Buche führte die Schiffskinder.

      Es ging genau nach der Verabredung. Schon glaubten die Polen sich Sieger, als die im Schutz der Dunkelheit Heranschleichenden sich auf die jenseits des Grabens stehenden und zuwartenden Haufen warfen, sie völlig überrumpelten und ihnen ein schweres Blutbad anrichteten. Es war ihnen nicht möglich, die Stärke des Gegners zu schätzen. Wollten sie sich nicht in den Graben drängen lassen, so mußten sie ihre Reihen auflösen und sich truppweise durch die Flucht zu retten suchen. Viele Hunderte wurden erschlagen.

      Sobald die Stürmenden merkten, was drüben vorging, ließen sie von den Mauern ab und suchten die Furt durch den Graben zu gewinnen. Aber immer nur wenige zur gleichen Zeit konnten den Rückweg antreten, und wer das jenseitige Ufer erreichte, wurde von den starken Danzigern ins Wasser gestoßen. Von der Mauer und dem Turm hagelte es nun aber Steine und Balkenstücke hinab auf die Köpfe der Polen, die in langer Linie auf dem schmalen Rande des Grabens standen und sich die Flucht versperrt sahen. Bald ergriff sie Verzweiflung. Sie stürzten übereinander weg, ganze Haufen wurden erdrückt oder im Graben ersäuft. Drüben entstand ein entsetzliches Handgemenge, aus dem wenige heil entkamen.

      Ein erneuter Angriff mit frischen Truppen aus dem Lager unterblieb für diese Nacht.

      Auch von den tapferen Verteidigern der Burg hatte so mancher seine Wunden zu verbinden. Hans von der Buche war getroffen, wennschon nicht schwer. Den Hieb mit der Streitaxt, der ihm von dem Anführer der Polen zugedacht war, hatte Klaus Poelke mit seinem Spieße aufgefangen, so daß er ihm nur die linke Schulter streifte. Derselbe Spieß hatte gleich darauf den langen Gesellen vom Pferde gestochen, worauf denn der Haufe, der bis dahin noch gesammelt um den Führer stand, bald ins Schwanken geraten und aufgelöst worden war.

      Als nun die Danziger Schiffskinder, von den Marienburgern mit lautem Zuruf empfangen, wieder in den Burghof einrückten und sich vor dem Statthalter in Reih und Glied stellten zur Musterung nach dem Gefecht, der aber erfahren wollte, wer sich besonders tapfer gehalten habe, faßte der Junker den Seemann am Arm und zog ihn einen Schritt aus der Reihe hervor. Ich kenne seinen Namen nicht, sagte er, der aber hat mit seinem Spieß den Kampf mit dem Hauptmann der Polen bestanden und den Schwerbewaffneten vom Pferde geworfen. Ihn nenne ich deshalb zuerst.

      Plauen schüttelte ihm die Hand, fragte, wie er heiße, und forderte ihn auf, sich für seine kühne Tat ein Gnadengeschenk zu erbitten.

      Poelke lachte vor sich hin. Es ist recht gern geschehen, gnädiger Herr, sagte er, und nicht viel Lobes wert; wir Schiffer wissen mit den Stangen umzugehen, wenn es auch sonst nicht Spieße sind. Soll ich aber etwas erbitten, so will ich nicht faul sein. Denn so gut wird es mir so bald nicht wieder. Und so hätt' ich denn eine Frage an Ew. Gnaden selbst, und ich bitte Ew. Gnaden recht schön, darauf Antwort zu geben.

      Fragt immerhin, antwortete der Statthalter etwas verwundert.

      Ich hab' nämlich in der Rechten Stadt Danzig eine Muhme, müssen Ew. Gnaden wissen, fuhr der Matrose fort, die dient schon lange Jahre bei einem jungen Fräulein und war des jungen Fräuleins Amme. Die hat mir nun aufgetragen, hier in der Marienburg nach einem jungen Herrn zu forschen, der bei Tannenberg mitgefochten haben soll, ob er lebend oder tot sei. Und sie sagte noch, der Herr Komtur von Schwetz kenne ihn wohl, und es könne sein, daß er sich nach der Schlacht zu ihm begeben habe. Hat mir aber niemand in dem mittleren Schlosse Auskunft geben können. Da meinte ich nun –

      Und wie ist der Name des Mannes, den Ihr erforscht?

      Er soll Heinz von Waldstein geheißen sein, gnädiger Herr.

      Da verfinsterte sich des Statthalters Stirn. Er ist in der Schlacht gefallen, antwortete er dumpf. Laßt Euch Bericht von diesem geben, der's auch mir gemeldet hat.

      Er zeigte auf Hans von der Buche, wandte sich ab, nahm kurzen Abschied von seinem Vetter und verließ die Vorburg. Es war nach der Freude über den Sieg eine schmerzliche Erinnerung gewesen. Sie warf zugleich ihren Schatten vor sich hin auf das Schmerzliche, das ihm an diesem Tage noch bevorstand. Es war bereits nach Mitternacht, als er wieder in seinem Gemache anlangte. Er warf sich auf sein hartes Lager, der Schlaf kam aber nicht. Zum Morgenamt ging er nach der Kirche. Gleich nach der Prime, um sechs Uhr früh, war das Kapitel berufen.

      Es wurde beschlossen, unverzüglich einen Herold zum König nach Stuhm zu schicken und ihn um freies Geleit für den Statthalter zu ersuchen. Der Ritter Wigand von Marburg sollte ihn begleiten und darauf achten, daß den üblichen Förmlichkeiten ein Genüge geschehe. Er war in solchen Dingen der erfahrenste. Einen Fall wie diesen freilich hatte er auch nicht erlebt.

      Einige Stunden konnte Plauen nun der Ruhe pflegen. Erst gegen Mittag kamen die Boten zurück und meldeten, daß Wladislaus sich bereit erklärt habe, den Statthalter in seinem Lager zu empfangen. Sein Schreiber hatte den Geleitbrief ausgestellt. Aber es habe geheißen, daß der König sehr zornig sei und von Verhandlungen wenig wissen wolle.

      Nach dem einfachen gemeinsamen Mahl, das nach strenger Ordensregel schweigend eingenommen wurde, wählte Plauen mehrere Ritter zu seiner Begleitung, betete mit ihnen in der Kapelle über der Hochmeistergruft und bestieg trüben Mutes sein Roß. Ein Fähnlein berittener Lanzenknechte – die stattlichsten, die man hatte wählen können – folgte der kleinen Ritterschar. Im Angesicht des Lagers richtete Plauen sich hoch auf im Sattel und ritt nun in stolzer Haltung in die Zeltgassen ein. Man sollte merken, daß das Unglück ihn nicht gebeugt habe.

      Der König war schon in seinem prächtigen Zelt angelangt, und auch der Großfürst hatte sich auf sein Geheiß eingefunden. Ein zahlreiches Gefolge von Edelleuten in bunten Kleidern hielt die Zugänge besetzt. Im Lager hatte sich schnell die Kunde verbreitet, daß der Statthalter des Ordens in Person erscheinen wolle, um Frieden zu bitten. Alles strömte dem königlichen Zelte zu, ihn zu sehen. Den meisten war es eine frohe Aussicht, daß die Belagerung ihr Ende haben sollte. Denn in der Umgegend gab es wenig mehr zu plündern, und der gestrige Kampf an der Vorburg hatte gezeigt, daß man nicht werde ohne viel Blutvergießen der stolzen Feste Herr werden können.

      Der Bischof Johannes von Kujawien hatte sein Zelt nicht weit von dem des Königs. Er führte Konrad Letzkau und die andern Danziger Herren hinein und sagte ihnen: Wir sind zur rechten Zeit gekommen, ein sonderliches Schauspiel zu sehen. Der Orden will sich vor dem König demütigen. Gebt acht, wenn der Statthalter vorbeireitet. Ihr werdet nun hoffentlich nicht länger zweifeln, daß euch fortan nur des Königs Gnade nützen kann, und ich fürchte, ihr habt schon zu lange gezögert, sie anzurufen.

      Das fürchtete Letzkau selbst. Er war den vorigen Tag mehr bedacht gewesen, die Sendboten der anderen Städte zu überreden, sich in allen Dingen zu einem gemeinsamen Handeln zu verpflichten, als mit des Königs Kanzler in Verhandlungen einzutreten. Sein scharfes Auge hatte rasch mancherlei Mißstände im Lager entdeckt, die dem Bischof selbst entgangen waren, und die Mauern der Burg zeigten sich nicht so sehr beschädigt, daß auf baldige Übergabe zu rechnen war. Mit stiller Freude hatte ihn dann am Morgen die Nachricht erfüllt, daß der nächtliche Angriff auf die Vorburg tapfer abgeschlagen sei. Wenn des Königs Waffen hier der schwächsten Stelle gegenüber so wenig Erfolge hatten, wie weit war er von der Eroberung des Hochschlosses entfernt! Nun schien er sich doch schwer getäuscht zu haben.

      Wenn Heinrich von Plauen um Frieden zu bitten kam, mußte die Not aufs höchste gestiegen, jede Hoffnung geschwunden sein, durch hartnäckigen Widerstand das Kriegsglück zu zwingen. Das bestürzte ihn. Gab der Orden den Kampf auf, so mußte auch Danzig sich bedingungslos unterwerfen, und ihn würde in den Augen seiner Mitbürger die Schuld treffen.

      Ich


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