Gesammelte Werke. Ernst Wichert

Gesammelte Werke - Ernst Wichert


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sie mit einem vollstimmigen Amen, daß man's bis ins Lager und in des Königs Zelt hinein vernahm.

      Dort aber glaubte man nicht mehr an langen Widerstand. Bald verbreitete sich die Kunde, daß der Orden das Kulmer Land, Michelau und Pommerellen angeboten hätte, Landschaften, um die seit seinem Einzug in Preußen so viel Blut der Edelsten vergossen war. Wer sich zu solchen Bedingungen verstand, der traute seinem Glücke schlecht. Die Deutschen im Lager sahen nun wohl ein, daß der Orden sich selbst verloren gebe und daß in des Königs Hand ihr Heil liege.

      Der Bischof Johannes verfehlte nicht, Letzkau genauen Bericht zu erstatten, wie er selbst ihn beim Schreiber des Königs eingezogen hatte. Der Bürgermeister erschrak im Innersten; so groß hatte er sich des Ordens Einbuße selbst beim schmählichsten Frieden nicht denken können. Und der König war damit nicht zufrieden? Dann war es gewiß, daß er seinen Feind vernichten wollte – er hatte die Macht, ihn zu vernichten.

      Es mußte Letzkau und seinen Genossen nun eine glückliche Wendung des Geschicks erscheinen, daß ein Vergleich nicht zustande gekommen war. Nach einem solchen wär's für Danzig in der Tat zu spät gewesen, mit dem Könige zu verhandeln: die Stadt hätte sich bedingungslos ergeben müssen. Nun war der Statthalter trotzig zurückgekehrt, der Kampf wurde fortgesetzt. Vielleicht nur kurze Zeit! Aber diese kurze Zeit gehörte ihnen doch. Für Letzkau gab es jetzt nur noch die eine Rücksicht: seine Stadt unter des Königs Herrschaft zur mächtigsten im Lande zu machen, ihr für die Unterwerfung den reichsten Gewinn an Freiheiten und Gütern zu sichern.

      Hatte er bis dahin nur den Zuschauer und Beobachter gespielt, so entwickelte er nun plötzlich die rührigste Tätigkeit nach allen Seiten. Den einen seiner Begleiter schickte er nach Danzig zurück, dem Rat zu melden, worauf er sich vorzubereiten habe. Die Sendboten der Städte versammelte er um sich und setzte ihnen die Artikel auf, über die sie bei der Huldigung mit dem König einig werden wollten. Alle Beschwerden, die sie gegen den Orden gehabt hatten, sollten von der neuen Herrschaft abgestellt werden; durch ganz Polen und Litauen sollte ihnen der Handel frei sein; zu keiner Abgabe durften sie verpflichtet werden. Der Bischof Johannes vermittelte zwischen den Städten und dem Könige.

      Auf seinem Schlosse zu Subkau war's auch, wo Letzkau für Danzig noch einen besonderen Vertrag verabredete. Für die Unterwerfung versprach der König, dieser Stadt alle Freiheiten zu bestätigen, ihr Gebiet bis ans Meeresufer zu erweitern und noch zwei Meilen nach der Nehrung hin, ihr die Ordensspeicher zu übergeben, freie Verfügung über den Hafen und die Kornausfuhr zu lassen. Nachts im Lager wurde der wichtige Brief unterzeichnet. Der König ging bereitwilligst auf alles ein, um nur erst schnell Herr des ganzen Landes zu werden. Seine Versprechungen kosteten ihm auch wenig.

      So glaubte Letzkau für Danzig wohl gesorgt und sich der Stadt Dank erworben zu haben. Als er nun aber dorthin zurückkehrte, fand er zu seiner Verwunderung schon die Tore geöffnet und den polnischen Hauptmann in ihren Mauern. Arnold Hecht hatte ihn nicht erwarten können. Täglich verstärkte sich die Partei des Königs im Rat und in der Bürgerschaft. Es entstanden Aufläufe vor dem Rathause, man drohte Gewalt zu gebrauchen. Arnold Hecht sah sich gern zu einem entscheidenden Schritt genötigt. Sobald er gewiß war, daß es sich im Lager nur noch um Erledigung von Förmlichkeiten handelte, gab er nach und ließ den Kastellan von Kalisch mit vielen seiner Hauptleute in die Stadt ein.

      Wie einen Retter und Befreier begrüßte ihn die nun ganz haltlose Bürgerschaft. Goldene Berge erhoffte man vom Könige, dessen Freigebigkeit außer Zweifel war. Handel und Gewerbe würden nun erst blühen, da sich ihnen ein unermeßliches Gebiet öffne. In allen Brauhäusern wurde Bier geschenkt. Im Artushof und in den Gemeindegärten gab's Fest auf Fest. Jubelnd zogen die Menschenmassen durch die Straßen, nahmen die polnischen Herren in ihre Mitte, wo sie sich zeigten, und gaben ihnen unter lauten Hurras das Geleit zu den Häusern der Ratsherren, in denen sie tafelten. Herr Janisch von Thuliskowo wurde im Triumph durch die ganze Stadt geführt und mit allem bekannt gemacht, worauf die Danziger stolz waren. Ihre Speichergassen, Holz- und Teerbracken, selbst ihre Schiffsbauplätze auf der Lastadie mußte er sehen und bewundern. Nie hatten sie einem von den Ordensleuten die Einsicht in diese Werkstätten ihres Handels gewährt. Bei diesen Umzügen fehlten die Trompeter und Pfeifer des Hofes nie. Man machte absichtlich möglichst viel Lärm und Geschrei, damit »die auf dem Schlosse« es bemerkten und sich ärgerten.

      Als Letzkau einritt, kam ihm gerade ein solcher lärmender Haufe entgegen. An der Spitze ging sein Kumpan Hecht mit einigen jüngeren Herren vom Rat. Sie hatten in des Kastellans Herberge mit den Polen gezecht. Was gibt's hier? rief er, sein Pferd in den Weg stellend.

      Hecht schwenkte lustig seinen Hut, an dem eine Feder steckte. Ah, seid Ihr's endlich, Herr Bürgermeister? Wir haben in Eurer Abwesenheit Gäste eingeladen. Nichts für ungut! Die Danziger waren die lange Klausur satt und streckten ihren Freunden draußen die Hand über die Mauer zu.

      Ihr habt sehr voreilig gehandelt! schalt Letzkau. Wenn ich nun nicht brächte, was Ihr erwartet?

      So müßten wir freilich die Herren mit den langen Schnauzbärten wieder zum Tor hinauslassen und von neuem die Mauern besetzen. Weiter wär's kein Schade.

      Und wenn der König erfahren hätte, wie wohlgesinnt ihm die Stadt ist, auf welche Bedingungen, meint Ihr, hätte ich abgeschlossen?

      Die Bürgerschaft war nicht zu halten, und ich denke, den König wird's nicht gegen uns verdrießlich stimmen, wenn er hört, wie gut man seinen Hauptmann aufgenommen hat, noch bevor die Stadt förmlich übergeben war.

      Kommt in einer Stunde aufs Rathaus, schloß Letzkau, ich habe Ernstliches mit Euch und einigen Genossen zu reden.

      Dort sagte er: Es gefällt mir nicht, daß der Rat so die Leitung aus der Hand gibt. Die Gewerke sind schon ohnedies aufsässig genug und auf allerhand Neuerungen bedacht. Meinen sie nun in einer so wichtigen Sache ihren Willen durchgesetzt zu haben, und sehen die Polen, was sie zu ihrem Gunsten vermögen, so haben wir künftig einen schweren Stand.

      Er legte den Vertrag der Stadt Danzig mit dem Könige vor. Darüber entstand viel Freude, denn einen so günstigen Abschluß hatte man nicht erwarten dürfen. Nun erkannten alle mit reichlichem Dank an, daß er für ihr Wohl bedacht gewesen sei, und versprachen, seinen Weisungen streng nachzukommen.

      So hört mich an, nahm Letzkau das Wort. Vor allen Dingen müssen die fremden Gäste ersucht werden, wieder die Stadt zu verlassen. Was wir auf Grund dieses königlichen Briefes mit dem Herrn Kastellan von Kalisch zu verhandeln haben, muß vorerst draußen im Lager in aller Ordnung verhandelt werden. Dann aber bedenket, daß wir alle Brücken hinter uns abbrechen. Ich habe lange diesen Schritt überlegt, und wahrlich, mit schwerem Herzen hab' ich ihn getan. Nun er getan ist, nützt kein Zögern und Umschauen. Vorwärts müssen wir dem König entgegen und uns so befestigen, daß wir fortan unzertrennlich sind. Wir haben des Ordens Herrschaft abgeworfen, das wird uns der Orden nie verzeihen, wenn er wieder zu Kräften kommt. Deshalb darf er nicht wieder zu Kräften kommen, hier in Pommerellen wenigstens nicht. Danzig muß eine königliche Stadt bleiben, wie auch sonst der Friedensschluß laute. Darum rate ich, daß wir sofort dem Könige huldigen und den Orden aus dem Schloß und seinem sonstigen Besitz vertreiben, selbst aber Besitz von dem ergreifen, was uns des Königs Gnade zugebilligt hat. Denn nur was wir uns nehmen, das werden wir haben. Es ist auch nicht meine Meinung, daß wir das Schloß des Königs Hauptleuten überlassen, damit der König nicht nach Willkür gegen uns verfahre wie vorher der Orden, wenn er erst an seiner Stelle die Macht hat. Können wir's nicht allein für uns haben, so wollen wir's wenigstens mit ihnen zugleich in Pfand nehmen. Jetzt ist der König zu allen Zugeständnissen bereit. Leicht ändert er seinen Sinn, wenn erst die Marienburg genommen ist. Was heute geschieht, das braucht morgen nicht mehr zu geschehen.

      Der Rat stimmte freudig zu.

      Nun kehrte der Kastellan, der unter der Hand verständigt wurde, ins Lager zurück. Dorthin kamen Sendboten der Stadt, zeigten ihm des Königs Brief vor und führten ihn in feierlichem Zuge, Trompeter und Pfeifer voran, nach der Stadt und in die Marienkirche, in der die ganze Bürgerschaft versammelt war. In deren Namen huldigte der Rat mit einem Eidschwur dem König, daß die Rechte Stadt Danzig ihm treu und gehorsam sein wolle, so lange er sie bei ihren verbrieften Freiheiten erhalte, und die Bürger stimmten zu.

      Als


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