Gesammelte Werke. Ernst Wichert

Gesammelte Werke - Ernst Wichert


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hinab und über den Hof nach der Halle leiten, wo ihn Herr Jakob von Kroczinski mit der ganzen Gevatterschaft empfing. Des Königs Arzt war eine Persönlichkeit, die er meinte, hoch in Ehren halten zu müssen, damit er bei Hofe nichts Übles von Sczanowo berichte. In der Küche flammten schon die Herdfeuer und drehten sich unter den Händen flinker Köche und Mägde die Spieße.

      Der Kranke schlief rasch wieder ein. Als der Kaplan sich entfernen wollte, trat das Mädchen vor und sagte: Besorgt das Eis und den Beutel – ich selbst werde die Nacht durch bei ihm wachen. Er wollte Einspruch erheben, aber sie wies ihn zurück. Was ich angefangen habe, will ich zu Ende führen.

      Erst gegen Morgen ließ sie sich durch den Pater ablösen. Sie war dann auch nicht zugegen, als der Arzt seinen zweiten Besuch machte. Er fand die Wirkung der Eisumschläge ganz nach Wunsch, die Entzündung gehoben, entfernte das wilde Fleisch von den Wundrändern, tränkte einen Pfropfen gezupfter Leinwand mit einer Essenz von leuchtender Farbe und füllte damit die Vertiefung aus. Darüber legte er ein kleines Tuch und begoß dasselbe mit der Flüssigkeit, die er schon gestern angewandt hatte und die sofort einen säuerlichen Geruch durch das ganze Gemach verbreitete. Dem Kaplan sagte er, wie lange die Wunde nun unberührt bleiben solle und wann der Pfropf noch zweimal zu erneuern sei. Er ließ ihm dazu das Fläschchen mit dem Elixier zurück. Auch lehrte er ihn aus besonderen Kräutern einen Trank bereiten und gab ihm ein weißes Pulver, das er dazuschütten sollte. Zweistündlich habe der Kranke davon einen Löffel voll einzunehmen.

      Es ist doch nichts dabei, fragte der geistliche Herr etwas ängstlich, was ein christlicher Priester sich hüten muß, selbst unwissentlich zu gebrauchen?

      Der Jude zuckte verächtlich die Schultern. Ihr möget mit ruhigem Gewissen schlafen, Hochwürdigster; bis jetzt hat der Teufel mir noch nicht die Ehre getan, einen Bund anzubieten. Was soll er mit dem Juden anfangen, der ja doch verflucht ist? Lächelnd fuhr er fort: Aber es kann doch sein, daß er ein wenig die Hand im Spiel gehabt hat. Er lockt uns arme Sterbliche durch schöne Weiber. Wenn nicht das hübsche Kind für den Junker gebeten hätte, wer weiß … Aber seid ruhig! Und wollt Ihr ganz sicher gehen, so räuchert das Zimmer hinter mir aus, damit kein böser Stank zurückbleibe. Vale!

      Damit entfernte er sich, ohne noch einen Blick auf den Kranken zu werfen. Der Kaplan nahm aber seinen Rat für alle Fälle ernst, holte aus der Kapelle das Räucherfaß und schwang es treppauf, durch das Turmzimmer und wieder treppab, Gebete murmelnd.

      Der Arzt mußte noch ein Frühstück einnehmen, bei dem der Ungarwein nicht gespart wurde. Seine Begleiter wurden beim Haushofmeister gespeist und konnten nur mühsam zu Pferde steigen, so waren sie des Trunkes voll.

      Natalia hatte sich am Abend und Morgen nicht sehen lassen. Erst als Leib Israel in den Schlitten gestiegen war und mit Pelzdecken umstopft wurde, trat sie aus der Vorhalle zu ihm heran und sagte: Gebt Ihr Hoffnung?

      Die beste, antwortete er; so Gott will, ist er gerettet. Dann warf er ihr einen Seitenblick aus den halbgeschlossenen Augen zu. Euer Lohn darf Euch nicht gereuen, Fräulein.

      Sie richtete sich stolz auf. Wißt Ihr das? antwortete sie. Wenn er heute gefordert würde – vielleicht zahlte ich ihn nicht mehr, gälte es auch sein Leben. Aber es ist geschehen, und wir sind einander nichts schuldig.

      Die Pferde zogen an. Bald verklang das Schellengeläute hinter der Uferhöhe.

      26. IN DER KUTTE

       Inhaltsverzeichnis

      Seit des Hochmeisters Bruder, der jüngere Heinrich von Plauen, als Komtur in das Danziger Schloß eingezogen war, hatte sich dort gar viel geändert. Er fand einen Ritterkonvent, der sich von der Ordensregel entwöhnt hatte, faule Priesterbrüder, die gern die Nachtgezeiten verschliefen, und eine Besatzung von Söldnern, die, weil sie schlecht gelohnt waren, selbst meinten, die Herren spielen zu können. Bei der Übergabe des Inventars zeigte sich's, daß die Waffen- und Vorratskammer leer waren, selbst von dem silbernen Küchengerät manches Stück fehlte. Es war durchweg eine verlotterte Wirtschaft.

      Der junge Komtur brachte ein strenges Regiment. Im Kapitel wurde das Ordensstatut verlesen, die Soldhauptleute behandelte er wie der vornehme Herr, der überall die Entscheidung sich vorbehält. Die Weideplätze am Fluß und die Waldungen auf der Nehrung, die sich die Rechte Stadt Danzig vom König hatte verschreiben lassen, nahm er recht augenfällig wieder für den Orden in Besitz, und in das Blockhaus am Ausfluß der Weichsel legte er eine starke Besatzung, weniger wohl, um den Vitalienbrüdern zu drohen, als den Danzigern zu zeigen, daß er auch hier über die Schiffahrt Herr sein wolle.

      Er beging das ganze Schloß von den Böden bis zu den Kellern hinunter. Bei dieser Revision kam er auch zu den Kammern im Kellergeschoß des Haupttores, die als Gefängnisse benutzt wurden. Einige derselben fand er besetzt mit wild aussehenden, bärtigen Gesellen. Wer sind die Leute, fragte er, und weshalb sind sie eingekerkert?

      Das sind die Seeräuber, gnädiger Herr, wurde ihm geantwortet, die im Frühjahr von dem Danziger Kapitän Halewat eingebracht sind. Er hat sie gefangen mit Hilfe einiger von den Brüdern des Ordens, deshalb ist den Danzigern das Gericht über sie untersagt. Herr Johann von Schönfels hat ihnen aber nicht ans Leben wollen, sondern meinte sie besser aufzubewahren, bis man sie gegen gefangene Ordensleute auswechseln könnte. So sind sie halb und halb vergessen.

      Schlagt uns lieber die Köpfe herunter, rief einer von den Gefangenen, dem der rote Bart über das zerfetzte Kleid bis zum Gürtel hinabhing, als daß ihr uns hier wie räudige Hunde auf faulem Stroh liegen laßt ohne Luft und Licht. Oder gebt uns die Freiheit, damit wir's den Danzigern eintränken können. Ich denke, wir sind beide gleich schlecht auf sie zu sprechen.

      Der Komtur warf den Kopf auf. Wer ist der freche Bursche?

      Der freche Bursche ist Marquard Stenebreeker, antwortete der Rotbart mit verbissenem Lachen. Ich hoffe, Ihr habt von ihm gehört.

      Als von einem kühnen Räuberhauptmann – in der Tat. Es ist schade, daß man Euch nicht zur rechten Zeit um einen Kopf kürzer gemacht hat, die unverschämte Zunge wäre gleich mitgegangen. Nun mag ich meinem Vorgänger nicht die Nachlese halten. Es kann sein, daß Ihr noch einmal Euren Preis habt, darum soll man Euch weiter füttern. Aber wahrhaftig, die Luft ist schlecht und das Stroh faul. Ich will nicht, daß Ihr uns die Pest ins Schloß bringt. Gebt ihnen ein reinliches Gefängnis mit einem Luft- und Lichtloch nach dem Wasser hinaus. Den Danzigern, sagt Ihr, wollt Ihr's eintränken? Das gefällt mir. Vielleicht findet sich einmal Rat und Gelegenheit dazu. Wenn ich allein mit ihnen nicht fertig werde, will ich mir Euren Beistand erbitten.

      Er ging lachend weiter. Marquard Stenebreeker und seine Gesellen aber konnten mit seinem Spruch zufrieden sein. Sie wurden noch selbigen Tages ein Geschoß höher einquartiert, erhielten frisches Stroh und fortan auch bessere Kost. Das Licht- und Luftloch freilich war so eng, daß ein menschlicher Leib sich schwer durchzwängen konnte, und mit dicken Eisenstäben verwahrt. An ein Entweichen war daher nicht zu denken.

      Sobald der Komtur sein Regiment im Schlosse festgestellt hatte, ging er an die Ausführung seiner weiteren Pläne, ohne sein Kapitel mit langen Beratungen zu behelligen. Den Bürgermeister der Jungstadt nebst seinem Kumpan und die sechs Ratmannen ließ er zu sich entbieten, und sie erschienen sogleich in ihren Feiertagskleidern. Die beiden Kämmerer hatten den rückständigen Zins von den Häusern mit, der während des Krieges nicht eingezogen war, und legten ihn auf den Tisch nieder. Ihr hättet nicht warten sollen, schalt der Komtur, bis man euch mahnte. Sie entschuldigten sich, so gut sie konnten.

      Ich will's näher untersuchen, sagte der Gebietiger in rauhem Tone. Es wundert mich überhaupt, daß ihr Jungstädter nicht vorwärts und in die Höhe kommt. An der Herrschaft Unterstützung hat es euch wahrlich nicht gefehlt. Schämt euch! Ich erwarte in Zukunft bessere Dinge von euch!

      Der Bürgermeister verneigte sich tief. Brecht nicht so leicht über uns den Stab, gnädiger Herr, bat er. Der Handel ist wie ein Baum. Man kann nicht einen Stamm in die Erde stecken und sagen: Nun blühe und trage Früchte. Und wär's die fruchtbarste Erde, der Stamm bleibt dürr, und


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