Gesammelte Werke. Ernst Wichert

Gesammelte Werke - Ernst Wichert


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Buben kommen.

      Er war so voll Haß und Groll, daß ihm kein Mittel verwerflich schien, wenn es zum Ziele führte, die Pläne der Königsfreunde zu enthüllen. Er hütete sich wohl, die Brüder ins Vertrauen zu ziehen; ihnen sagte er nur, daß es sich in dem Briefe um die Auslösung eines Gefangenen handle, die er seinerzeit durch den Hochmeister betreiben wolle. Einen seiner Diener aber, den er schon nach Preußen mitgebracht und dessen treue Anhänglichkeit und Verschwiegenheit sich oft erprobt hatte, beauftragte er vorerst mit den nötigsten Erkundigungen.

      Der Verkehr zwischen der Rechtstadt und der Altstadt war auch in dieser Zeit keineswegs ganz aufgehoben. Bei Tage standen das Haustor und Breite Tor offen, und die Wächter ließen jeden unangefochten durch, den sie für unverdächtig hielten. Auch fuhren die Fischer vom Hakelwerk ungehindert die Mottlau hinauf und stellten ihre Waren auf dem Fischmarkt aus. Es konnte also für einen einzelnen Mann, der nicht Waffen trug, keine sonderliche Schwierigkeit haben, vom Schloß in die Rechtstadt zu gelangen.

      Peter Engelke trug einiges Wildbret hinein, das ihm aus seines Herrn Küche geliefert war, ließ sich Huxers Haus zeigen und bot es dort zum Kauf an. Sogleich wurde Barbara gerufen, die in ihrer Gürteltasche die Wirtschaftskasse trug. Sie wurden bald handelseinig. Engelke behauptete nun aber, einen weiten Weg gemacht zu haben und sehr müde zu sein. Er durfte daher noch eine Weile auf dem Schemel am warmen Herd sitzenbleiben, erhielt auch eine Kanne Tafelbier. Während er es langsam austrank, erkundigte er sich nach diesem und jenem, was das Haus anging, besonders, ob das junge Fräulein noch nicht ans Heiraten denke. Barbara wurde nach ihrer Weise bald gesprächig. Der Papa habe wohl einen ansehnlichen Freier für sie, der jedem Mädchen in der Stadt eine Ehre erweisen würde, sagte sie; aber das arme Fräulein – und dabei brachte sie die Schürze an die Augen – habe einen großen Kummer gehabt und denke an solche weltliche Dinge gar nicht. Ging's nach ihrem Sinn, so wäre ihr ein Kloster gerade recht, aber dergleichen müsse man ihr aus den Gedanken reden, das sei Christenpflicht.

      Was das für ein Kummer gewesen sei, darüber wollte sie doch bei aller Plauderhaftigkeit nicht mit der Sprache heraus. Sie meinte nur, dem Tod sei kein Kraut gewachsen, und das Herz frage nicht beim Kopf an, wer Hausrecht habe, und dergleichen.

      Ob wohl der Beichtvater auf das Fräulein einwirke, stellte er hin; er wisse von mehreren Fällen, wo die Kirche aus solcher Bekümmernis Nutzen gezogen habe. Daran ist nicht zu denken, entgegnete sie. Mein Fräulein geht nach des Herrn Vaters Wunsch zur Beichte nach der Marienkirche und hält sich zu des hochwürdigen Pfarrherrn Tiedemann Stuhl. Der ist aber bekannt als ein Geistlicher, der von den Klöstern und ihren gottseligen Werken nicht viel hält. Ja, man will wissen, daß er mit dem Magister Huß in Prag geheimen Verkehr habe, der ketzerische Lehren unters Volk bringen soll – aber ich will so etwas nicht nachsprechen. Nur ich für mein Teil, ich halte ihn nicht für ganz zuverlässig und gehe lieber zu den Schwarzmönchen, die von alters beim lieben Gott sehr angesehen sind. Sicher ist sicher.

      Engelke hatte indessen sein Bier ausgetrunken und mußte sich nun wohl verabschieden. Er fragte aber beim Weggehen an, ob er einmal wieder etwas in die Küche bringen könne; er sei ein Jäger und habe von der Jagd seinen Erwerb. Dagegen wollte sie nichts einwenden, wenn er das Wildbret billiger verkaufe, als man's beim Händler auf dem Markte habe. Sie war eine sparsame Frau.

      So erfuhr der Komtur, daß die Amme des Fräuleins bei den Dominikanern beichte; darauf ließ sich weiterbauen.

      Das Dominikanerkloster war das älteste in der Stadt. Es stand auf einem freien Platz unter der Mauer links vom Haustor, wenn man auf dasselbe zuging. Das Gebäude war alt und nicht unähnlich einer Burg; die eine Seite vor dem kurzen, massiven Turm zeigte sich denn auch mit Zinnen besetzt und wie zur Verteidigung in Notfällen eingerichtet. Auf der andern Seite des Turms schloß sich die Kirche mit gewaltig hohen und schmalen Fenstern an. Die Dominikaner hießen in Preußen ganz allgemein die Schwarz- oder Graumönche.

      Zwischen den Dominikanern in Danzig und dem Rat war immer einige Spannung. So durfte Plauen nun auf die Dienste der Mönche rechnen. Er ließ durch Engelke einen der Brüder bitten, ins Schloß zu kommen, nahm ihn in sein Gemach und bewog ihn, ihm seine Kutte zu leihen und auf seine Rückkehr zu warten. So, in der mönchischen Tracht und die Kapuze über den Kopf gezogen, konnte er unerkannt aus dem Schloß und durch die Stadt bis zum Kloster gelangen. Dort besprach er mit dem Prior das Nähere. Es kam zunächst darauf an, Maria Huxer zu bestimmen, ihre Amme ins Kloster zu begleiten; der Komtur wollte dann in der Mönchskutte als Pater Severus ihr Vertrauen zu gewinnen suchen und sich womöglich den Zugang zu dem Patrizierhause durch sie öffnen. Man wußte im Kloster längst durch Barbara, was es mit des Fräuleins Kummer für eine Bewandtnis hatte.

      Als sich nun am nächsten Sonntag das fromme Weiblein wieder zur Beichte einfand und auch ihren Pater um Rat anging, wie sie das Herz des armen Kindes trösten könnte, meinte derselbe, es sei doch noch nicht so ganz gewiß, daß der Junker, um den sie sich härme, in der Tannenberger Schlacht sein Leben verloren habe.

      Das ist leider gewiß, antwortete sie. Denn sein Freund, der Junker von der Buche, hat ihn tot auf dem Felde liegen sehen und hat ihm des Fräuleins Ring abgezogen. Und den Ring hat er ihr von der Marienburg durch meinen Schwestersohn Klaus Poelke, der ein treuer Mensch ist, zugeschickt. Es ist des Fräuleins Ring, und darum bleibt auch an des Junkers Tod kein Zweifel.

      Das solle sie doch nicht behaupten, meinte der Pater. Mitunter liege einer wie tot, und Gott tue sein Wunder an ihm, daß er wieder zu atmen anfange.

      Nun wurde sie doch aufmerksam auf solche Rede und fragte schüchtern, ob das im vorliegenden Falle Bedeutung habe, und was sie von seinem Trost halten solle.

      Ich will Euch sagen, antwortete der Pater, daß wir in Erfahrung gebracht haben, wie in dem Ordenshause an den Herrn Komtur ein Brief abgegeben worden, der aus Polen komme und von einem gefangenen, an seinen Wunden kranken Manne Mitteilung mache. Es seien einige Anzeichen, daß derselbe vor der Schlacht hier in Danzig gewesen, und auch von einem Ringe solle in dem Brief etwas zu lesen sein.

      Jesusmaria! rief Barbara und bekreuzte sich. Sollte es möglich sein? Aber bei Gott ist freilich kein Ding unmöglich, und wenn er will, kann er auch die Toten erwecken. Oh, lieber Pater, erkundigt Euch näher, was an der Sache ist, damit ich meinem armen Fräulein nicht das Herz noch schwerer mache, wenn's hinterher ein Irrtum sein sollte. Ich verspreche Euch, zur Fastnacht zwei große Wachskerzen auf dem Hauptaltar zu stiften, jede von zehn Pfund Gewicht. Ist denn nicht der Name genannt?

      Er soll genannt sein, aber ich kenne ihn nicht. Das beste wäre, wenn Euer Fräulein selbst hierher käme. Ich will den Bruder Severus, von dem ich dies alles erfahren habe, zu bestimmen suchen, daß er noch weiter auf dem Schlosse nachfrage und womöglich den Brief mitbringe. Was nützt es Euch, ihn zu sehen, da Ihr nicht lesen könnt? Das Fräulein aber könnte sich wohl Gewißheit verschaffen.

      In größter Aufregung eilte Barbara nach Hause, nahm Maria in ihr Stübchen und erzählte ihr Wort für Wort alles, was der Pater nach der Beichte gesprochen hatte.

      Maria wurde abwechselnd bleich und rot. Sie hielt mit beiden zitternden Händen das Kreuzchen an ihrer Halskette und drückte es wieder und wieder auf ihre Lippen. Ach, Barbara, stotterte sie, liebe, gute Barbara – wenn's keine Täuschung wäre –, wenn er lebte! Mein Herz hat ja immer noch gezweifelt! Und nun fiel sie ihr um den Hals, küßte sie stürmisch und schluchzte laut.

      Ja, mein Herzenskind, sagte die mitleidige Frau, indem sie ihr die Schulter streichelte, das kann nun sein, und das kann auch nicht sein. Aus dem Briefe muß sich doch der Name ergeben und was sonst für nähere Umstände vorliegen. Denn von dem Ringe –

      Das ist es eben, daß des Ringes gedacht sein soll, Barbara. Wer anders als er sollte – Ach, Barbara, wenn ich den Brief lesen könnte –

      Man will ihn Euch ja zeigen, wenn Ihr ins Kloster kommt.

      Aber es ist mir verboten, zu den Dominikanern zu gehen.

      Freilich wohl.

      Und mein Vater muß doch guten Grund haben –

      Das mag hingestellt bleiben, Kindchen. Ich für mein Teil glaube, daß der heilige Dominikus ein so achtbarer Heiliger ist, als irgendein


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