Gesammelte Werke von Cicero. Марк Туллий Цицерон

Gesammelte Werke von Cicero - Марк Туллий Цицерон


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oft angenehmer als andere Lust; allein trotzdem werde es doch nur der Lust wegen begehrt. (§ 49.) Du siehst, wie weit hier die Ansichten auseinander gehn. Ein bedeutender Philosoph, der nicht blos Griechenland und Italien, sondern auch die ganze Barbarenwelt in Aufregung versetzt hat, will nicht wissen, was das Sittliche sei, wenn es nicht die Lust sein solle, man müsste denn das darunter verstehn, was im Gerede der Menge gepriesen werde. Ich halte indess letzteres oft für schlecht, und wenn es dies einmal nicht ist, so ist es doch nur dann nicht schlecht, wenn die Menge das an sich Rechte und Lobenswerthe lobt, und es kann nicht deshalb, weil es Viele loben, als das Sittliche gelten, sondern weil es der Art ist, dass, auch wenn die Menschen es nicht kennten oder schwiegen, es dennoch seiner Schönheit und Gestalt wegen lobenswerth bleiben würde. Deshalb sagt derselbe Philosoph, besiegt von der Natur, der er nicht widerstehn kann, an einem andern Ort das, was auch Du vorher ausgesprochen hast, nämlich dass ein angenehmes Leben ohne Sittlichkeit nicht möglich sei. (§ 50.) Was meint er also hier mit Sittlich? Etwa dasselbe wie Angenehm? so dass es also hiesse: Man könne nicht sittlich leben, wenn man nicht sittlich lebe? Oder soll es nur den Beifall der Menge bedeuten? Dann könnte man also nach ihm ohne diesen nicht angenehm leben? Aber was Verkehrteres gäbe es wohl, als das Leben des Weisen von den Reden der Thoren abhängig zu machen? Was versteht er also hier unter Sittlich? Gewiss nur das, was um seiner selbst willen mit Recht gelobt werden kann. Denn geschähe es der Lust wegen, was wollte da ein Lob bedeuten, das man sich vom Fleischmarkt holen kann? Er ist nicht der Mann, der, wenn er hier des Sittlichen erwähnt und ein Leben ohne dasselbe nicht für angenehm gelten lässt, darunter jenen Beifall der Menge meinte, und dass dieser zum angenehmen Leben nöthig sein sollte, oder dass er irgend etwas Anderes darunter verstände, als das an sich Rechte, was um seiner Kraft und Natur und um seiner selbst willen gelobt wird.

      Kap. XVI. (§ 51.) Deshalb schienst Du mir, mein Torquatus, als Du sagtest, Epikur verkünde laut, es gebe ohne ein sittliches, weises und gerechtes Leben auch kein angenehmes Leben, selbst darauf stolz zu sein. So gross ist die Macht dieser Worte um der Würde und der Dinge willen, die sie bezeichnen, dass Du Dich gehoben fühltest, mitunter anhieltest und, uns anblickend, gleichsam behauptetest, die Sittlichkeit und Gerechtigkeit werde auch von Epikur mitunter gelobt. Wie schön stand Dir der Gebrauch dieser Worte an, ohne die man die ganze Philosophie entbehren würde! Denn nur aus Liebe zu diesen Worten, die Epikur nur selten nennt, zur Weisheit, Tapferkeit, Gerechtigkeit und Mässigung haben die geistreichsten Männer sich dem Studium der Philosophie zugewendet. (§ 52.) »Der Augen Sinn,« sagt Plato, »ist der schönste in uns, und doch sieht man die Weisheit damit nicht; welche feurige Liebe würde sie erwecken, wenn man sie sehen könnte!« Weshalb wohl? Etwa weil sie pfiffig ist und am besten den Lüsten aufzubauen versteht? Weshalb wird die Gerechtigkeit gelobt? Oder woher kommt jenes vielgehörte alte Sprichwort: »Mit wem man im Dunkeln das Fingerspiel spielen kann?« Dieser Ausspruch für eine Sache reicht weit; man soll in allem Handeln auf die Sache, nicht auf die Zeugen sehn. (§ 53.) Denn nur unerheblich und schwach ist es, wenn Du sagtest, dass die Unredlichen durch ihre Gewissensbisse gepeinigt würden und durch die Furcht vor der Strafe, die sie entweder träfe oder deren Gefahr sie immer in Angst erhielte. Man braucht sich den schlechten Mann nicht furchtsam und schwachen Gemüths vorzustellen, so dass er bei seinen Thaten sich selbst peinigte und sich vor Allem fürchtete; vielmehr gehört auch Der hierher, welcher Alles klug auf die Nützlichkeit bezieht und scharfsinnig, gewandt und geübt leicht ausfindet, wie er heimlich ohne Zeugen und Mitwisser seinen Betrug verüben kann. (§ 54.) Meinst Du, dass ich von L. Tubulus spreche? der als Prätor den Prozess gegen die Mörder leitete, aber so offen sich bei der Entscheidung bestechen liess, dass der Volkstribun P. Scävola im nächsten Jahre bei dem Volke die Anfrage stellte, ob deshalb nicht eine Untersuchung eröffnet werden solle, und als das Volk diesem Antrage durch Beschluss beitrat, wurde vom Senat die peinliche Untersuchung dem Consul Cn. Caepio aufgetragen, so dass Tubulus selbst in die Verbannung ging und nicht zu antworten wagte; denn die Sache war allbekannt.

      Kap. XVII. Es handelt sich also nicht um den Unsittlichen, sondern um den listigen Unsittlichen, wie es Q. Pompejus war, der das mit den Numantiern abgeschlossene Bündniss verleugnete; auch nicht um einen solchen, der vor Jedweden sich fürchtet, sondern hauptsächlich um einen solchen, der die Vorwürfe des Gewissens nicht beachtet und dem es ein Leichtes ist, dasselbe zum Schweigen zu bringen. Ein so versteckt und heimlich Handelnder verräth sich so wenig, dass er es sogar dahin bringt, über fremde Unthaten scheinbar sich zu betrüben. Was ist dies aber anders als Geriebenheit? (§ 55.) Ich entsinne mich, dass ich anwesend war, als P. Sextilius Rufus seinen Freunden erzählte, er sei der Erbe des Q. Fadius Gallus, in dessen. Testament stand, dass dieser ihn gebeten habe, die ganze Erbschaft seiner Tochter zuzuwenden. Sextilius leugnete dies und konnte es ungestraft thun, denn wer sollte ihn widerlegen? Niemand von uns glaubte ihm, auch war es wahrscheinlicher, dass Derjenige lüge, der ein Interesse dabei hatte, als Jener, der geschrieben hatte, dass er um das gebeten habe, wozu er verpflichtet war. Sextilius fügte auch hinzu, dass er auf das Voconische Gesetz beeidigt, nicht wage, es zu verletzen, die Freunde müssten denn anderer Meinung sein. Ich war damals noch jung, aber es waren auch viele höchst angesehene Männer dabei, die sämmtlich der Meinung waren, dass er der Fadia nicht mehr zu geben brauche, als nach dem Voconischen Gesetze auf sie kommen könne. So behielt Sextilius die grosse Erbschaft, während er, wenn er der Ansicht Derer gefolgt wäre, die das Rechte und Sittliche allem Nutzen und Vortheile vorziehn, er nichts behalten haben würde. Glaubst Du nun etwa, dass er deshalb ängstlich und besorgt gewesen? Nichts weniger als dies, vielmehr war er bei seinem durch diese Erbschaft erlangten Reichthume glücklich darüber und hielt viel auf das Geld, was er nicht allein nicht gegen die Gesetze, sondern nach denselben erlangt hatte, und was Ihr selbst mit Gefahren aufsuchen lasst, weil man sich damit viele und grosse Freuden verschaffen könne. (§ 56.) Wenn daher Die, welche behaupten, dass das Rechte und Sittliche um sein selbst willen zu erstreben sei, sich um der Sitte und des Anstandes willen, in Gefahren stürzen, so wollt dagegen Ihr, die Ihr Alles nach der Lust bemesst, dass man sich in Gefahren stürze, um grosse Lust zu gewinnen und da, wo es sich um Bedeutendes und um grosse Erbschaften handle, weil man mit Gelde sich die meisten Genüsse verschaffen könne. Auch Euer Epikur muss, wenn er seinem höchsten Gute nachgehn will, so handeln wie Scipio, den grosser Ruhm erwartete, wenn er den Hannibal nach Afrika zurücktrieb. Welchen grossen Gefahren unterzog sich dieser deshalb nicht! denn er bezog all sein Streben auf die Sittlichkeit und nicht auf die Lust; ebenso muss aber auch Euer Weiser, wenn ein grosser Vortheil ihn lockt, selbst sein Leben blossstellen, wenn es nöthig ist. (§ 57.) Kann er im Geheimen die Unthat verüben, so wird er sich freuen, und wird er erwischt, so wird er die Strafe verachten, denn er ist bereit und gerüstet, den Tod nicht zu scheuen, in die Verbannung zu gehn, ja selbst den Schmerz zu ertragen, den Ihr wieder da, wo Ihr für die Schlechten eine Strafe androht, für unerträglich erklärt, aber bei den Weisen für erträglich haltet, weil bei diesen das Gute immer überwiegen soll.

      Kap. XVIII. Nun wollen wir aber annehmen, dass der unrecht Handelnde nicht blos listig, sondern auch übermächtig sei, wie etwa M. Crassus, der seines Guts sich zu bedienen pflegte, und wie jetzt unser Pompejus, dem man für sein redliches Benehmen Dank wissen muss, da er ungestraft hätte so ungerecht sein können, wie er wollte. Und wie vieles Ungerechte kann verübt werden, was Niemand zu tadeln bekommt.(§ 58.) Wenn Dein Freund im Sterben Dich bittet, seine Erbschaft der Tochter zu überlassen, und dies nicht so schriftlich aufgesetzt hat, wie Fadius es gethan hatte, auch Niemandem es mitgetheilt hat, was würdest Du da thun ? Du wirst die Erbschaft allerdings abgeben; auch selbst Epikur vielleicht, wie Sextus Peducäus, der Sohn des Sextus that, derselbe, welcher in seinem Sohne, unserm Freunde, uns ein Bild seiner Menschenfreundlichkeit und Rechtlichkeit hinterlassen hat. Dabei war er ein vortrefflicher und gerechter Mann. Obgleich Niemand wusste, dass C. Plotius, der reiche römische Ritter zu Nursia, ihn darum gebeten hatte, so ging er doch aus freien Stücken zu dessen Frau, theilte ihr, die keine Ahnung davon hatte, den Auftrag des Mannes mit und übergab ihr den Nachlass. Ich frage Dich aber, der Du sicher eben so gehandelt hättest, ob Du nicht einsiehst, wie die Natur so gewaltig ist, dass selbst Ihr so handelt, obgleich Ihr selbst sagt, dass von Euch Alles auf Euren Vortheil und Eure Lust bezogen wird. Daraus erhellt, dass Ihr nicht der Lust, sondern der Pflicht folgt und dass die richtige Natur mehr vermag, als die verdorbene Vernunft. (§ 59.) Karneades sagt, dass, wenn ich


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