Gesammelte Werke von Cicero. Марк Туллий Цицерон

Gesammelte Werke von Cicero - Марк Туллий Цицерон


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Geschäft.«

      Kap. XXII. (§ 70.) Nun behauptet Epikur zwar, der ja Euer Licht ist, dass ein unsittlicher Mensch nicht angenehm leben könne. Allein ich kümmere mich nicht um das, was er behauptet oder bestreitet; ich habe zu ermitteln, was er, der das höchste Gut in der Lust findet, folgerecht sagen sollte. Was bringst Du also bei, weshalb Thorius, weshalb Chius Postumius, weshalb der Meister Aller, dieser Orata, nicht angenehm gelebt haben sollen? Epikur selbst bestreitet, wie ich bemerke, dass das Leben der Schwelger getadelt werden könne, wenn sie nicht völlig thöricht sind, d.h. wenn sie weder Begierden noch Furcht haben. Da er nun gegen Beides eine Arznei verspricht, so verheisst er auch der Schwelgerei volle Freiheit; denn wenn diese Zustände beseitigt sind, hat er an der Lebensweise der Schwelger nichts auszusetzen. (§ 71.) Somit könnt Ihr, wenn Ihr Alles nach der Lust bestimmt, die Tugend weder schützen noch bewahren; denn wer des Unrechts um der Unannehmlichkeiten wegen sich enthält, kann kein guter und rechtlicher Mensch sein, und Du kennst, glaube ich, den Spruch:

      »Niemand ist fromm, der die Frömmigkeit aus Furcht nur übt.«

      Zweifelt ja nicht an der Wahrheit dieser Worte; denn wenn der Mensch fürchtet, ist er nicht gerecht, und noch weniger wird er es sein, wenn er zu fürchten aufgehört, und er wird keine Furcht haben, wenn er seine Unthaten verbergen oder durch seine grosse Macht Alles durchsetzen kann, und er wird sicherlich lieber für einen sittlichen Menschen mögen gehalten werden, ohne es zu sein, als ein solcher zu sein, ohne dass man ihn dafür hält. So bringt Ihr uns das Schlechteste und lehrt uns statt der wahren und sichern Gerechtigkeit nur den Schein einer solchen, damit wir unser untrügerisches Gewissen nicht achten und dafür nach den trügerischen Meinungen Anderer haschen. (§ 72.) Dasselbe lässt sich von den übrigen Tugenden sagen, deren Grundlagen Ihr in die Lust, gleichsam wie ins Wasser legt. Meinst Du wohl, dass wir jenen erwähnten Torquatus tapfer nennen können? Denn wenn ich auch Dich, wie Du sagst, nicht versöhnen kann, so freue ich mich doch Deiner Familie und Deines Namens. Ja wahrhaftig, jener vortreffliche, mir so gewogene Mann, A. Torquatus, steht mir vor Augen; Ihr Beide müsst ja wissen, wie sehr er mir zugethan war und wie ausgezeichnet er sich gegen mich in jenen Zeiten benommen hat, die Alle kennen. Ich selbst, welcher dankbar sein und dafür gehalten sein will, wurde es gegen ihn nicht sein, wenn ich nicht gewusst hätte, dass er meinetwegen, nicht seinetwegen mein Freund war; Du müsstest denn es »seinetwegen« nennen weil das rechtliche Handeln Allen Vortheil bringt. Wenn Du dies meinst, so haben wir gewonnen; denn wir wollen und kämpfen nur dafür, dass der Lohn der Pflicht in ihr selbst enthalten sei. (§ 73.) Dies will aber Dein Lehrmeister nicht, denn er verlangt bei allen Dingen die Lust gleichsam als Lohn. – Doch ich kehre zu Torquatus zurück. Wenn er nur seiner Lust wegen mit dem Gallier auf dessen Herausforderung am Anio kämpfte und aus dessen Beute nur die Halskette und den Beinamen sich erwarb, so würde ich ihn hiernach, wenn er es aus irgend einer andern Ursache gethan, als weil er diese Thaten für eines Mannes würdig hielt, für keinen tapfern Mann halten. Wenn ferner die Scham, die Bescheidenheit, die Sittsamkeit, mit einem Wort das Maasshalten nur durch die Furcht vor Strafe oder Schande sich aufrecht erhalten und nicht durch seine eigene Heiligkeit sich schützen kann, werden da nicht der Ehebruch, die Unzucht und Wollust in allen Arten hervorkriechen und hervorbrechen, sobald ihnen Verborgenheit oder Straflosigkeit oder Zügellosigkeit in Aussicht gestellt ist? (§ 74.) Was endlich sagst Du, mein Torquatus, dazu, wenn Du mit diesem Namen, diesem Verstand und Ruhm, das Ziel, auf welches Du Alles, was Du thust, denkst und erstrebst, beziehst, und den Grund, weshalb Du Alles, was Du unternimmst, zu vollführen strebst, ja Alles, was Du für das Beste in dem Leben hältst, wenn Du also Alles dies nicht wagst in einer Versammlung auszusprechen? Welchen Preis müsste man Dir bieten, der Du bald ein Staatsamt übernehmen und vor dem Volke sprechen wirst? denn Du musst dann bekannt machen, welche Regeln Du bei dem Rechtsprechen innehalten werdest, und dabei vielleicht auch Einiges, so weit es Dir passend scheint, von Deinen Vorfahren oder Dir selbst nach alter Sitte sagen; welchen Preis, sage ich, müsste man Dir bieten, damit Du bekannt machest, Du würdest in Deinem Amte Alles um der Lust willen thun und hättest in Deinem ganzen Leben nur um der Lust willen gehandelt? – Du sagst, wie ich Dich für so blödsinnig halten könne, dass Du vor Leuten so sprechen solltest, die diese Dinge nicht verstehn. – Nun gut, dann sage es als Richter, oder wenn Du die umstehenden Zuhörer fürchtest, so sage es im Senate! Du wirst es niemals thun, und weshalb nicht? Weil es eine unsittliche Rede sein würde. Und so hältst Du mich und den Triarius für geeignet, dergleichen unsittliche Reden anzuhören?

      Kap. XXIII. (§ 75.) Doch es sei so. Schon das Wort Lust ist ohne Würde, und dies liegt nicht blos daran, dass wir es nicht verstehn; Ihr wiederholt nämlich fortwährend, dass wir das nicht einsehn, was Ihr unter Lust versteht. Ist es denn eine so schwer zu fassende und so dunkle Sache? Wenn Ihr von untheilbaren Körpern und Zwischenwelten sprecht, die es weder giebt, noch geben kann, so verstehn wir es; aber die Lust, welche schon der Sperling kennt, sollten wir die nicht verstehen können? Was meinst Du, wenn ich es dahin bringe, dass Du einräumst, ich wisse nicht blos, was die Lust sei, sie ist nämlich eine angenehme Bewegung in den Sinnen, sondern auch, was sie nach Deiner Meinung sein soll? Denn bald meinst Du jene Lust, von der ich eben gesprochen habe, und giebst ihr den Namen der Lust in Bewegung, d.h. die, welche mannichfachen Wechsel zulässt; bald meinst Du eine andere höchste Lust, die nicht gesteigert werden kann, und diese soll vorhanden sein, wenn aller Schmerz fehlt und welche Du die ruhende Lust nennst. (§ 76.) Nun, es mag dies eine Lust sein; sage nur in einer Versammlung, Du thuest Alles blos, um Dich vor Schmerz zu schützen. Und wenn auch dies Dir nicht gross und sittlich genug gesprochen scheint, so sage, dass Du in Deinem Amte und in Deinem ganzen Leben Alles nur um Deines Nutzens willen thun würdest; und nur das, was Dich fördert und Alles nur um Deinetwillen; welchen Beifall in der Volksversammlung und welche Hoffnung auf das Consulat, was Dir so nahe liegt, würdest Du da wohl erwarten können? So willst Du also einer Lehre folgen, von der Du für Dich und die Deinigen zwar Gebrauch machst, aber die zu bekennen und offen auszusprechen Du nicht wagst? Vielmehr führst Du jene Aussprüche der Peripatetiker und Stoiker immer im Munde, sowohl bei den Gerichtsverhandlungen wie im Senate, und wenn Du von Deinen Pflichten sprichst, von der Billigkeit, der Ehre, der Treue, von den Rechten, dem Sittlichen, von dem, was dem Feldherrn und was dem römischen Volke ziemt, wenn Du sagst, dass man für das so allgemeine Wohl allen Gefahren trotzen, für das Vaterland sterben müsse (§ 77.), sind wir Dummköpfe erschüttert, während Du uns innerlich auslachst. Denn zwischen jenen erhabenen und herrlichen Worten hat keine Lust Platz, weder die, welche nach Euch in Bewegung ist und die bei Allen in der Stadt und auf dem Lande, bei Allen sage ich, die unsre Sprache reden, Lust heisst, noch selbst jene in Ruhe, die Niemand ausser Euch Lust nennt.

      Kap. XXIV. Sieh also zu, ob Du unsre Worte gebrauchen und dabei doch Deine Gedanken festhalten darfst. Wenn Du Deine Mienen, Deinen Gang so einrichtetest, dass Du gesetzter schienest, als Du bist, so würdest Du Dir nicht ähnlich sein, aber Worte erheuchelst Du und redest Anderes, als Du denkst? Oder willst Du wie mit der Kleidung, so mit der Gesinnung eine für das Haus, eine andere für den Markt bereit halten, damit Du äusserlich prahlest, während Du innerlich die Wahrheit verbirgst? Bedenke, ich bitte Dich, ob dies recht ist! Ich wenigstens kann nur das für wahr halten, was sittlich, lobenswerth und ehrenvoll im Senate wie vor dem Volke und in jedweder Versammlung und jedem Vereine offen ausgesprochen werden kann, und was zu denken man sich so wenig scheut wie auszusprechen. (§ 78.) Wie kann ferner für die Freundschaft Raum oder Jemand der Freund eines Andern sein, wenn er ihn nicht seiner selbst wegen liebt? Was heisst aber: Jemand lieben woher die Freundschaft ihren Namen hat, anders, als ihn mit den möglichst grössten Gütern versehn wünschen, wenn auch für uns selbst nichts davon abfällt? – Aber sagt Epikur, es nützt mir, wenn ich so gesinnt bin! Also vielleicht auch der blosse Schein solcher Gesinnung, denn sein kannst Du nicht so, wenn Du es nicht wirklich bist. Was kannst Du aber sein, so lange die Liebe selbst Dich nicht erfasst hat? Sie entsteht nicht aus einer Berechnung des Nutzens, sondern von freien Stücken aus ihr selbst. Aber, sagst Du, der Nutzen ist mein Ziel. – Dann wird also die Freundschaft so lange vorhalten, als sie nützlich ist, und wenn der Nutzen die Freundschaft zu Stande bringt, so wird er sie auch wieder aufheben. (§ 79.) Was wirst Du aber dann thun wenn der Nutzen aus der Freundschaft, wie es oft sich trifft, ausbleibt? Wirst Du sie aufgeben? Aber was wäre dies für eine Freundschaft? Wirst Du sie festhalten? Aber wie passt dies zu einander? Du weisst ja, was Du über die Freundschaft aufgestellt


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