Gesammelte Werke von Cicero. Марк Туллий Цицерон

Gesammelte Werke von Cicero - Марк Туллий Цицерон


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Untersuchung nicht durch ihre Schmeicheleien und Lockungen stören. (§ 2.) Es fragt sich also von Neuem, wo das höchste Gut zu suchen ist, nachdem die Lust aus ihm entfernt worden, und die Gründe gegen die Lust auch denen entgegen gestellt werden können, welche die Schmerzlosigkeit zum höchsten Gute erheben. Danach kann als höchstes Gut nichts gelten, was der Tugend entbehrt, welche das Vortrefflichste von Allem bleibt. Wenn ich daher auch in meinem Gespräch mit Torquatus nicht lässig verfahren bin, so habe ich doch jetzt einen schwerem Kampf gegen die Stoiker zu führen. Was die Epikureer für die Lust geltend machen, ist weder scharfsinnig noch tiefsinnig; die Vertheidiger der Lust sind weder gewandt im Erörtern, noch haben ihre Gegner mit einer schweren Aufgabe zu thun. (§ 3.) Epikur sagt ja selbst, man brauche für die Lust keiner Beweise, weil schon die Sinne hierüber entschieden; deshalb genüge es, darauf aufmerksam zu machen, einer Begründung bedürfe es hier nicht. Daher war unsre vorige Besprechung für beide Theile einfach und es waren weder die Ausführungen des Torquatus verwickelt oder gewunden, noch die meinigen dunkel. Dagegen kennst Du ja die spitzfindige und dornige Weise der stoischen Untersuchungen, und wenn dies schon für die Griechen gilt, so noch mehr für uns, die wir Euch die Worte erst schaffen und den neuen Dingen neue Namen geben müssen. Niemand mit nur mässigen Kenntnissen wird sich hierüber wundern, wenn er bedenkt, dass in jeder Kunst, deren Uebung nicht alltäglich und von Allen geschieht, es eine Menge neue Worte geben muss, welche für die ihr eigenthümlichen Gegenstände gebildet werden müssen. (§ 4.) Deshalb gebrauchen auch die Dialektiker und Naturforscher viele Worte, die nicht einmal den Griechen bekannt sind, und ebenso sprechen die Messkünstler und die Musiker und die Sprachlehrer, Jeder in seiner eigenen Weise. Selbst bei dem Unterricht in der Kunst der Volksredner, die nur vor den Gerichten und dem Volke geübt wird, gebraucht man ganz besondere und eigenthümliche Ausdrücke.

      Kap. II. Aber auch abgesehn von den feinem und freien Künsten, können selbst die Handwerker ihr Gewerbe nicht betreiben, wenn sie sich nicht der ihnen geläufigen, aber uns unbekannten Worte bedienen; ja selbst der Ackerbau, der aller Feinheit und Bildung entbehrt, hat doch den Gegenständen, mit denen er zu thun hat, besondere Namen gegeben. Um wie viel mehr hat also der Philosoph so zu verfahren, da die Philosophie die Kunst des Lebens ist und man bei ihren Untersuchungen die Worte nicht vom Markte holen kann. (§ 5.) Wenn auch die Stoiker von allen Philosophen die meisten Neuerungen eingeführt haben, so war doch Zeno, ihr Stifter, weniger ein Erfinder neuer Dinge, als neuer Worte. Wenn es nun in jener Sprache, die meist für die reichste gehalten wird, den gelehrtesten Leuten erlaubt ist, über die nicht alltäglichen Dinge sich ungebräuchlicher Worte zu bedienen, so wird dies um so mehr uns Römern gestattet sein, die wir erst jetzt diesen Gegenstand in unserer Sprache zu behandeln wagen. Auch habe ich oft gesagt und zwar zu eigenem Verdrusse nicht blos der Griechen, sondern auch Derer, die lieber für Griechen, als für Unsrige gelten wollen, dass die Griechen uns nicht im Wortreichthum übertreffen, sondern dass wir vielmehr ihnen darin überlegen seien. Wir haben daher zu sorgen, dass wir dies nicht blos in unsern eigenen Künsten, sondern auch in den ihrigen bewähren. Wenn ich trotzdem einzelne griechische Worte, weil es einmal so hergebracht ist, statt der lateinischen gebrauche, z.B. die Worte Philosophie, Rhetorik, Dialektik, Grammatik, Geometrie, Musik, so meine ich, dass sie, obgleich auch lateinische Worte dafür gesetzt werden könnten, doch in Folge des langen Gebrauchs, auch als uns angehörig gelten können. So viel über die Namen der Dinge. (§ 6.) Aber bei den Dingen selbst kommt mir, mein Brutus, dafür die Sorge, ich möchte getadelt werden, dass ich Dir dies schreibe, der Du in der Philosophie überhaupt und in der bessern Gattung derselben so weit vorgeschritten bist. Allerdings würde ich deshalb mit Recht getadelt werden können, wenn ich es thäte, um Dich zu belehren; allein davon bin ich weit entfernt; ich sende Dir diese Schrift nicht, damit Du daraus lernst, was Dir bereits wohl bekannt ist, sondern weil ich am liebsten bei Deinem Namen verweile und weil ich an Dir den billigsten Beurtheiler und Richter für die Bestrebungen habe, welche uns Beiden gemeinsam sind. Du wirst mir also hoffentlich Deine gewohnte Aufmerksamkeit schenken und den Streit entscheiden, welchen ich mit Deinem Oheime, jenem göttlichen und ausgezeichneten Manne, gehabt habe. (§ 7.) Ich war nämlich auf meinem Landgute bei Tusculum und wollte einige Bücher aus der Bibliothek des jungen Lucull benutzen; ich ging deshalb nach seinem Landhause, um sie mir, wie ich gewöhnt war, selbst zu holen. Dort angekommen, traf ich wider Erwartenden M. Cato, er sass in der Bibliothek, umgeben von einer Menge Schriften der Stoiker. Denn Du weist ja, von welcher unverwüstlichen Begierde nach Büchern er beseelt war; er konnte sich so wenig daran sättigen, dass er, ohne Scheu vor dem leeren Gerede der Menge, selbst in der Halle des Senats während der Zeit zu lesen pflegte, wo die Senatoren sich versammelten und er den öffentlichen Geschäften damit nichts entzog, um so mehr schien er mir damals bei voller Musse und mitten in einem reichen Bücherschatz in den Büchern zu schwelgen, wenn ich dieses Wort für eine so edle Sache gebrauchen darf. (§ 8.) Als wir uns so unvermuthet trafen, erhob er sich sofort und begann mit dem, was man bei solchem Begegnen zunächst zu sagen pflegt. – Was machst Du hier? sprach er; denn ich glaube, Du kommst von Deinem Landhause, und hätte ich gewusst, dass Du dort seiest, so wäre ich selbst zu Dir gekommen. – Ich habe gestern, antwortete ich, beim Beginn der Spiele die Stadt verlassen und bin Abends angelangt. Jetzt komme ich hierher, um mir einige Bücher zu holen. Und dieser Bücherschatz, mein Cato, muss wohl unserm Lucull schon bekannt sein; denn es wäre mir lieber, wenn er sich an diesen Büchern mehr als an dem übrigen Schmuck dieses Landhauses ergötzte. Es liegt mir gar viel daran, dass er, obgleich es eigentlich Dein Amt ist, sich unterrichte und damit seinem Vater und unserm Cäpio und Dir, seinem nahen Anverwandten, Ehre mache. Ich sorge mich nicht ohne Grund, da ich auch seines Grossvaters mit Rührung gedenke. (Du weist ja, wie hoch ich den Cäpio gehalten habe, der, wenn er noch lebte, meiner Ansicht nach jetzt zu den Ersten des Staates gehören würde.) Ebenso steht mir Lucull vor Augen, ein Mann, der sich in Allem auszeichnete und mit dem mich eine innige Freundschaft und gleiche Ansichten verbanden. – (§ 9.) Es ist edel von Dir, sagte er, dass Du Derer gedenkst, die Beide in ihrem letzten Willen Dir ihre Kinder empfohlen haben, und dass Du den Knaben liebst. Wenn Du aber meinst, dies sei mein Amt, so lehne ich es zwar nicht ab, aber nehme Dich zum Gehülfen. Dazu kommt, dass der Knabe mit Rücksicht auf sein noch jugendliches Alter schon viele Anzeichen von Sitte und Verstand hat blicken lassen. – Ich bin dazu bereit, erwiderte ich, allein trotz dem muss er doch schon in jene Wissenschaften eingeführt werden, und wenn er damit in seiner zartem Jugend getränkt worden, so wird er am so vorbereiteter an das Grössere herantreten. – Du hast Recht, sagte Cato, wir wollen dies fleissig und häufig mit einander besprechen und gemeinsam handeln. Aber lass uns niedersetzen. – Dies geschah.

      Kap. III. (§ 10.) Er begann dann: Du hast doch selbst so viele Bücher; welche suchst Du denn hier? – Ich wollte einige Commentare zu Aristoteles, sagte ich, von denen ich wusste, dass sie hier sind, holen und in der Mussezeit lesen, die uns, wie Du weisst, nicht oft zu Theil wird. – Wie gern, sagte er, hätte ich es gesehn, dass Du zu den Stoikern Dich gehalten hättest; denn wenn irgend Einem, so war es Dir gegeben, nur die Tugend als höchstes Gut anzusehn. – Bedenke, sagte ich, ob es nicht mehr noch Dir zukam, da wir in der Sache einig sind, ihr keinen neuen Namen zu geben; denn unsre Vernunft ist einstimmig, nur unsre Reden bekämpfen sich. – Keineswegs, sagte er, ist jene einstimmige, denn wenn Du neben dem Sittlich-Guten noch etwas Weiteres hinstellst und zu den Gütern rechnest, so löschest Du das Sittliche selbst, das Licht der Tugend, gleichsam aus und zerstörst die Tugend von, Grund aus. – (§ 11.) Dies klingt, mein Cato, sehr erhaben; aber siehst Du nicht, dass der Glanz der Worte mit Pyrrho und Aristo, die Alles gleich machen, theilst? Ich möchte wohl wissen, was Du über diese denkst? – Was ich über sie denke, fragst Du? Ich meine, sie sind wie viele Andre gute, tapfre, gerechte und mässige Männer im Staate gewesen, wie wir dies theils gehört, theils selbst bei solchen gesehn haben. Ohne allen Unterricht, nur der Natur folgend, haben sie viel Lobenswerthes gethan. Die Natur hat sie besser unterrichtet, als die Philosophie es vermocht hätte, wenn sie einer andern als der sich zugewendet hätten, welche das Sittliche allein für ein Gut erklärt und das Schlechte allein für ein Uebel. Alle übrigen philosophischen Systeme rechnen, das eine mehr, das andere weniger, noch Anderes ausserhalb der Tugend zu den Gütern und zu den Uebeln; und damit fördern und befestigen sie nach meiner Meinung unsre sittliche Besserung nicht, sondern verderben nur unsre Natur. Denn wenn man nicht festhält, dass nur das Sittliche ein Gut sei, so kann man in keiner


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