Gesammelte Werke: Science-Fiction-Romane + Abenteuerromane + Erzählungen. Dominik Hans

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Interesse daran, ihn in seinen Besitz zu bringen?

      Kein europäischer Staat! Das wurde allgemein angenommen.

      Aber wer sonst?… Amerika? Die Vereinigten Staaten von Amerika? Kamen die ernsthaft dafür in Betracht? Man erinnerte sich, daß jenes gewaltige Experiment Jeffersons erst am 18. Juni stattfand, während der englische Apparat schon einen Tag früher entwendet wurde… Da war es wenig wahrscheinlich, daß Amerika seine Hand dabei im Spiele hatte.

      Das japanische Inselreich? Nach früheren Erfahrungen und Vorkommnissen war man geneigt, ihm auf dem Gebiet der Spionage und selbst der Eskamotage mancherlei zuzutrauen. Aber es fehlte jede Spur eines Beweises. Bisher hatte Japan äußerlich wenigstens noch nicht das geringste Interesse an dem großen Problem der Atomenergie gezeigt.

      Blieben drittens und letztens die neuen islamitischen Reiche in Nordafrika und Asien. Das mauretanische Reich Abdurrhamans, das ägyptische Kalifat und das große islamitische Reich in Asien, welches die Länder vom Suez-Kanal bis nach Turkestan umfaßte. Die hätten alle drei wohl Grund gehabt, sich des Apparates zu bemächtigen, um in dessen Besitz desto kräftiger und feindlicher gegen Europa aufzutreten. Aber auch hier führte kein Weg vom Verdacht bis zum Beweis.

      Das Rätselraten ging weiter. Alarmierende Nachrichten durchliefen die Presse der ganzen Welt. Bald hier, bald dort vermutete man den verschwundenen Apparat. Detaillierte Berichte über seine an diesem und jenem Orte der Welt beobachteten Wirkungen schwirrten durch die Spalten der Weltpresse. Besonders findige Berichterstatter wollten Leute gesprochen haben, die den gläsernen Kasten Montgomerys sogar gesehen hatten.

      Aber immer wieder war es blinder Alarm. Die Wirkungen, die man dem Apparat zuschrieb, stellten sich stets als ganz natürliche Vorkommnisse, als Seebeben, Vulkanausbrüche oder Wirbelstürme heraus, die man auch schon vor Montgomerys Erfindung beobachten konnte.

      Die Wochen verstrichen darüber, und immer dichter, immer undurchdringlicher wurde der mysteriöse Schleier, der über dieser Affäre lag. Im Gedächtnis der großen Menge begann das Ereignis zu verblassen, von anderen neuen Geschehnissen verdrängt zu werden.

      Zwei Männer aber lebten in Europa, die es nicht vergaßen. Der Generaldirektor Harder, der jetzt sein Versuchswerk auf der Nordseeinsel Warnum mit Sicherungen spickte und verschanzte, zehnmal so undurchdringlich und zehnmal so todbringend wie die von Montgomery-Hall…

      Und außerdem Friedrich Eisenecker.

      Der 18. Juni… ein Schicksalstag für Europa und für Amerika. Noch fieberte Europa in der Aufregung über das Rätsel von Montgomery-Hall, als die amerikanische Regierung schon eine Armee von Arbeitern an die Fälle warf, um wiederherzustellen, was die entfesselte Energie dort zerstört hatte. Eine schwere und gefährliche Arbeit, da ja die Kraftwerke stillagen, die Energie für den Betrieb der Baumaschinen und die Beleuchtung der Baustelle behelfsmäßig erzeugt werden mußte.

      Aber schon in der Nacht vom 18. auf den 19. Juni begannen sich dort die Trommeln der ersten Betonmischer zu drehen und den Baustoff zu liefern, mit dem man das geborstene Gebirge wieder flicken und verkitten konnte.

      Acht Tage und Nächte heißer, unermüdlicher Arbeit. Acht Tage und acht Nächte, in denen die Presse sich in Vermutungen und Prophezeiungen überbot.

      Europa… das altersschwache Europa, was hatte es denn geleistet. Nichts!… Wenigstens nichts Greifbares. Montgomerys Apparat verschwunden! Die Riggers-Werke immer noch im Stadium der Vorversuche.

      Von Amerika mußte das Heil kommen. Nur hier war es zu erwarten. Im Stollen Jeffersons dort in der Felswand an den Fällen, da würde man die Lösung des Problems finden.

      Und nun war es soweit. Jetzt endlich waren die zerklüfteten Felsen geflickt und gestützt. Jetzt konnte man es wagen, in den Stollen einzudrängen. Eine kleine, sorgfältig von Washington zusammengestellte Kommission. Regierungsbeamte und Physiker. Sie alle eidlich zur absoluten Verschwiegenheit verpflichtet.

      Die schimmernde Juninacht lag über dem Strom. Meilenweit dröhnte der Donner der frei herabstürzenden Wassermassen durch das Land, als die Kommission beim Licht der Scheinwerfer in den Stollen eindrang. Ein schmaler, gewundener Felsgang, so niedrig, daß sie sich bücken mußten, als sie ihn durchschritten. Rauh und rissig die Felswände. Und dann nach einem Weg von 100 Metern, am Ende des Ganges die eigentliche Arbeitskammer, in der die riesige Energie gewütet hatte. Glasig waren die Felswände hier zusammengeschmolzen. Gelblich goldig schimmerte das Gestein unter den Strahlen der kräftigen Scheinwerfer. Es blendete und verwirrte die Augen und Sinne derer, die es betrachteten.

      Was war das?… Gold?… War es doch geglückt? War es Jefferson doch gelungen, wenigstens das Quecksilber in Gold zu zerschlagen? Hatte der unter dem Überschwang der Energie entweichende Golddampf sich hier auf den schmelzenden Felswänden niedergeschlagen und diese Märchengrotte geschaffen? Mit Gewalt rissen die Männer der Wissenschaft sich von dem zauberhaften Eindruck dieses Bildes los. Mit den unbestechlichen Mitteln ihrer Wissenschaft prüften sie das schimmernde Mineral.

      Das Gold war Truggold. Unter der übermächtigen Gewalt der entströmenden Energie erglühend und verdampfend, hatte sich das Kupfer des Apparates mit dem Schwefel des Felsens zu jenem goldgleißenden Mineral verbunden, das schon so manche Goldgräber narrte und trog.

      Das stand nun fest. Aber wo war das Quecksilber geblieben? Wie hatte die Riesenkraft der Fälle darauf gewirkt? Sie forschten und suchten weiter, und ein Zufall war ihnen günstig. Dort, in einem Winkel der Felskammer, wo der Boden eine Tasche bildete, fanden sich Überreste des flüssigen Silbers. Wenig nur. Aber das wenige unverändertes reines Quecksilber. In der Gluthitze, die der Strom hier erzeugte, war es verdampft. Als der Fels zerriß, als die Wasser hier einbrachen und Kühlung brachten, hatte der Quecksilberdampf sich wieder niedergeschlagen. Unverändert, unverwandelt trotz der Höllenenergie, die hier tobte.

      Aber es war kaum der zehnte Teil jener Quecksilbermengen, die Jefferson in den Stollen gebracht hatte. Wo war der Rest geblieben? War er dampfförmig durch die Risse des aufgespaltenen Gebirges entwichen? Hatten die einbrechenden Wassermassen ihn mit hinweggespült?… Oder war der Versuch hier doch gelungen? Waren etwa doch die Atome dieser fehlenden Quecksilbermenge in leichtere Metalle zerschlagen worden? Steckten sie doch vielleicht dort in dem Truggold der Wände?

      Die Kommission konnte die Antwort auf diese Fragen nicht geben. Sie mußte sich pflichtgemäß an das halten, was erweisbar vorhanden war. Und so lautet ihr Urteil: Der Versuch Jeffersons hat keinen Erfolg gehabt. Auf dem Wege, den er vorschlug, ist die Atomenergie nicht zu gewinnen.

      Eine Woche noch gelang es der amerikanischen Regierung, dies Gutachten geheimzuhalten. Dann gelangte es auf unkontrollierbaren Wegen zur Kenntnis der Öffentlichkeit und wirkte sich an den Börsen der ganzen Welt aus. Die Kurse der Kohlenwerte, der Kraftwerte, seit Wochen wankend und nachgebend, wurden plötzlich fest und gingen sprunghaft in die Höhe. Nur noch ein kurzes Zwischenspiel schien vielen jetzt das große Problem der Atomenergie zu sein. Ein Intermezzo freilich, bei dem an den Börsen Milliarden verloren und gewonnen worden waren.

      Eine bescheidene Wohnung in der Calle del Prado in Madrid, in der Antonio Gonzales, pensionierter Oberst der ehemaligen spanischen Armee, seine Tage verbrachte. Heute war Friedrich Eisenecker bei ihm, war plötzlich und überraschend aufgetaucht, war als alter Freund herzlich empfangen worden. Der dunkle Wein von Alicante stand zwischen ihnen und ließ alte Erinnerungen lebendig werden. Don Antonio sprach.

      »Da lagen wir unter den zerschossenen Kanonen, dezimiert von dem feindlichen Feuer, das großenteils aus europäischen Geschützen kam. Oh, die Toren, die nie die Stunde begreifen. Wie hat unsere Regierung gewarnt, gebeten und immer wieder gewarnt.

      Beim Stab der dritten Division der Hauptarmee lagen wir bei Cordova. Der Donner der weittragenden Geschütze, die fürchterlichen Luftkämpfe, bis endlich unsere eigene Luftflotte vernichtet, wir wehrlos den feindlichen Fliegergeschwadern ausgesetzt waren, die Tod und Verderben auf uns niedersandten.

      Und während das alles geschah, berieten sie noch in den europäischen Kabinetten, wer den Oberbefehl über die Truppen führen sollte, die sich in Frankreich zu versammeln begannen. Während sie noch debattierten und feilschten, da kam,


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