Piv - und die Kapitänskiste. Nina Sahl

Piv - und die Kapitänskiste - Nina Sahl


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lächelt und richtet sich leicht auf. Als er ihr antwortet, sieht er ihr direkt in die Augen.

      „Kann man so sagen“, verkündet er. In seiner Stimme hört man ein kleines bisschen Stolz mitschwingen. „Sie heißen die Schatzbrüder und der Club existiert, seitdem der Käpitän damals gestorben und der Schatz verschwunden ist. Viele hier im Ort glauben, dass die Mitglieder der Schatzbrüder spinnen.“

      „Aber wenn dieser Club so geheim ist, wieso weißt du denn davon?“ Misstrauisch neigt Sabine den Kopf zur Seite.

      Beinahe verschreckt antwortet er ihr: „Das...das hab ich nur so gehört“, murmelt er und errötet bis hinunter zum Hals. „Von meinem Vater, glaube ich. Oder meinem Großvater. Ich weiß nicht mehr so genau.“

      Piv betrachtet die Karte vor ihr auf dem Tresen sehr gründlich.

      „Wer ist denn alles Mitglied in dem Geheimclub?“, fragt sie interessiert. Diese Geschichte imponiert ihr sehr.

      „Keine Ahnung“, antwortet Magne und zuckt erneut mit den Schultern. „Sie kommen durch den Hintereingang, damit niemand sie kommen und gehen sieht. Aber ich habe einmal unseren Bäckermeister an der Hintertür getroffen. Vielleicht ist er dabei.“

      „Oder vielleicht hat der Club auch einfach nur Kuchen bestellt“, meint Sabine munter, bevor sie sich noch tiefer über die alte Karte auf dem Tresen beugt.

      „Man, ist das weit!“, murmelt sie und verfolgt die Namen der Straßen und die Punkte auf den Karten mit den Augen.

      „Oststraße!“, ruft sie plötzlich. „Da liegt unser Sommerhaus! Es ist hier auf der Karte!“

      „Und das Gasthaus“, ergänzt Magne. „Die liegen beide in einer Straße!“

      Piv setzt sich wieder auf einen der hohen Barhocker und schlürft das letzte Schlückchen Cola durch ihren Strohhalm.

      „Wann treffen sich die Schatzbrüder denn das nächste Mal?“, fragt sie und reicht Magne ihre leere Flasche. Wieder zuckt er nur mit den Schultern.

      „Ich weiß nicht“, sagt er und stellt die Flasche in eine leere Kiste unter dem Tresen. „Sie treffen sich sehr unregelmäßig. Sie geben meinem Vater ein Zeichen, wann sie kommen, damit sie sich ungesehen hineinschleichen können. Aber ich weiß nicht, was für ein Zeichen das ist.“

      Plötzlich dringt ein leichtes Knirschen aus dem Korridor in die Gaststube. Alle drei Kinder halten die Luft an. Die Tür zur Bar steht einen Spalt weit offen und ein Schatten bewegt sich auf der anderen Seite.

      Piv erhascht einen flüchtigen Blick auf Sannes feuerrotes Haar.

      „Sollen wir besser hoch in dein Zimmer gehen?“, fragt sie Magne und hüpft von ihrem Stuhl herunter. Sabine steht ebenfalls auf. Sie rollt die Karte wieder zusammen und umschließt sie fest.

      „Pass auf!“, ruft Magne besorgt und streckt die Hand nach der Karte aus. Seine Fingerspitzen streifen Sabines Hand und er läuft hochrot an.

      „Entspann dich!“, sagt Sabine nur und geht bestimmt auf die Tür zu. „Ist ja schließlich nicht aus Glas.“

      Sie geht voran durch den Korridor und steigt die schmale Treppe zu Magnes Zimmer hinauf.

      ***

      „Vielleicht ist das sogar die Karte des Kapitäns?“, fachsimpelt Sabine, als sie oben in Magnes Zimmer angekommen sind. Sie rollt auf Magnes Schreibtischstuhl quer durch das Zimmer zur Tür und schlägt sie mit einem Knall zu.

      „Ich glaube auch, dass er sie gezeichnet hat“, sagt Magne. Etwas unsicher steht er mitten im Zimmer und schaut Sabine an. „Aber er hat nirgendwo ein Kreuz gesetzt.“

      Piv nimmt Sabine die Karte aus der Hand und hält sie gegen das Licht. Gründlich betrachtet sie die Linien und Punkte. Die Karte sieht aus wie ein ganz normaler Stadtplan, den man benutzt, um sich in einem Ort zurechtzufinden. Einzig ihr Alter macht sie besonders sowie die Tatsache, dass sie wahrscheinlich von einem ermordeten Kapitän zur See gezeichnet wurde.

      „Guckt mal!“, ruft sie plötzlich. „Hier steht was unter der Zeichnung des Gasthauses. Vielleicht ist das eine Spur!“ Aufgeregt deutet sie auf das vergilbte Papier. Am Ende der Oststraße ist ein Gebäude eingezeichnet, das dem Gasthaus von Magnes Familie sehr ähnlich sieht. Darunter schlängelt sich in schmalen Linien eine fast mikroskopisch kleine Schrift.

      „Was steht denn da?“, fragt Magne. Er beugt sich vor, um besser sehen zu können. Sabine ist auch dichter herangerückt. Sie kneift die Augen zusammen und versucht, die winzigen Buchstaben zu entziffern.

      „Wenn die Weh zur Wissheit kommt, gilt sein Kissen reiter“, liest sie und runzelt die Stirn.

      „Nee, was für ein Unsinn! Was ist das denn für ein schwachsinniger Hinweis!?“

      Piv lässt die Karte sinken und reicht sie Magne. Doch er kann auch nicht lesen, was dort steht.

      „Es ist einfach viel zu klein“, murmelt er. „Wartet mal.“ Er eilt zu seinem Schreibtisch und zieht eilig eine der Schubladen auf. Darin findet er eine Lupe, die er zur Vergrößerung über die Karte hält. Als er die Lupe und die Karte anhebt, scheint das Sonnenlicht von draußen durch das spröde Papier und Magne liest laut:

      „Wer den Weg zur Weisheit kennt, gibt sein Wissen weiter.“

      „Aha!“, sagt Sabine und wippt leicht mit dem Fuß. „Das macht wenigstens ein bisschen Sinn, obwohl es immer noch eine sonderbare Spur ist. Was ist so verkehrt daran, einfach ein dickes Kreuz und Pfeile einzuzeichnen und hier graben draufzuschreiben?“

      Magne lässt die Lupe und die Karte wieder sinken und schaut zu Piv. Sie kaut gedankenversunken an einem ihrer Fingernägel, dass es nur so knackt.

      „Wer den Weg zur Weisheit kennt...“, schmatzt sie. „Was auch immer das bedeuten soll.“

      Plötzlich hören sie erneut einen knirschenden Laut vom Korridor. Diesmal ist das Knarren lauter und bewegt sich deutlich auf Magnes Zimmer zu.

      Jemand drückt den Türgriff hinunter. Die Tür schwingt auf und ein großer, dunkelhaariger Mann steckt den Kopf ins Zimmer hinein.

      „Hallo Magne“, begrüßt ihn der Mann lächelnd und wirkt sehr verblüfft, die beiden Mädchen bei Magne zu sehen. „Oh, hallo ihr zwei!“ Nun betritt er das Zimmer und geht zu Sabine, um ihr die Hand zu geben. „Ich heiße Kim“, sagt er, während Magne die Karte blitzschnell hinter seinem Rücken Piv zusteckt. Unbemerkt legt sie die Karte auf Magnes Bett und schiebt verstohlen ein Kopfkissen darüber, bevor Kim sich zu ihr umdrehen kann. „Ich bin Magnes Papa. Willkommen!“

      Sabine stellt sich ihm höflich vor und Piv tut es ihr nach. Dann legt sich eine jähe Stille in Magnes Zimmer, durch die hindurch sich Piv, Sabine und Magne unruhige Blicke zuwerfen.

      „Also, ich bin ja eigentlich nur hochgekommen, um ein bisschen Wäsche zu holen“, erklärt Kim und sieht sich in dem blitzblanken Zimmer seines Sohnes um. Der Wäschekorb steht in einer Ecke; er klemmt ihn sich unter den Arm und geht auf die Tür zu. „Ich wünsch’ euch viel Spaß, Kinder. Und wenn ihr auf irgendwas Bestimmtes Lust habt, nehmt euch einfach, ja? Alles klar? Ich werde nur schnell eine Maschine Wäsche anstellen und bin dann unten in der Bar, wenn ihr etwas braucht. Und Sanne läuft hier auch irgendwo herum. In der Küche, glaube ich.“

      Lächelnd packt er den Wäschekorb mit beiden Händen und verlässt das Zimmer.

      Als er die Tür schließt, greift Piv unter das Kopfkissen und zieht die Karte hervor.

      „Der Weg zur Weisheit...“, murmelt sie nachdenklich. Und plötzlich trifft es sie wie der Blitz.

      „Wer den Weg zur Weisheit kennt... Magne! Wo liegt eure Schule?“

      Kapitel 3

      „Ja, ja, Mama. Wir kommen ja schon“, stöhnt Sabine in ihr Telefon, bevor sie auflegt und es wieder in die Hosentasche schiebt. Sie erhebt sich von


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