Deutsche Geschichte. Ricarda Huch

Deutsche Geschichte - Ricarda Huch


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wird, ver­klei­den sich der Kö­nig und sein al­ter Die­ner als Kauf­leu­te und be­frach­ten ein Schiff mit gol­de­nen Ge­gen­stän­den, die zu die­sem Zweck kunst­fer­tig her­ge­stellt wor­den sind. Der An­blick der zier­li­chen Din­ge ver­lei­tet die Kö­nigs­toch­ter, das Schiff zu be­stei­gen, wor­auf die An­ker ge­lich­tet wer­den und der Kö­nig die Ent­führ­te ge­win­nen kann.

      In bei­den Fäl­len wird dar­auf ge­rech­net, dass der Kauf­mann ein gern ge­se­he­ner, ein er­sehn­ter Gast ist. In der Kö­nigs­burg auf Ir­land wer­den die ver­meint­li­chen Kauf­leu­te vom Stadt­rich­ter und den Bür­gern freu­dig emp­fan­gen, und das Ge­leit, um das sie bit­ten, wird be­reit­wil­lig vom Kö­nig er­teilt. Man hat den Ein­druck, dass sie nicht nur we­gen der Wa­ren, die sie füh­ren, son­dern auch als Brin­ger von Neu­ig­kei­ten will­kom­men sind. Al­ler­dings sagt der alte Wate, ein ganz und gar auf Kampf ein­ge­stell­ter Re­cke, stolz ab­leh­nend, er sei kein Han­dels­mann, wenn er Gut ge­win­ne, pfle­ge er es mit sei­nen Hel­den zu tei­len, und die Her­ren hal­ten auch dar­auf, mehr zu ver­schen­ken als zu ver­kau­fen; im­mer­hin aber hal­ten sie sich nicht zu gut, um bür­ger­li­ches Kauf­manns­kleid an­zu­le­gen und als Kauf­leu­te auf­zu­tre­ten, und als sol­che wer­den sie auch vom Kö­nig Ha­gen freund­lich auf­ge­nom­men und zu Gas­te ge­la­den. Ihr groß­ar­ti­ges Auf­tre­ten, ihre rit­ter­li­chen Küns­te fal­len zwar auf, aber an Be­trug wird nicht ge­dacht; es er­scheint als mög­lich, dass Kauf­leu­te zu­gleich Land­be­sit­zer sind, vie­le Knech­te ha­ben, mit den Waf­fen um­ge­hen kön­nen und mit Ad­li­gen wie mit ih­res­glei­chen ver­keh­ren. Der gute Ger­hard von Köln, eine le­gen­däre Fi­gur des Hoch­mit­tel­al­ters, ein Kauf­herr, der mit sei­nem Schatz an Wa­ren ge­fan­ge­ne Chris­ten ein­ge­löst und des­halb den Bein­amen des Gu­ten be­kom­men hat, er­scheint als des Erz­bi­schofs Freund und wird vom eng­li­schen Adel, der ihm zu Dank ver­pflich­tet ist, zum Kö­nig von Eng­land ge­wählt; er lehnt groß­mü­tig ab. Zum Geist­li­chen, zum Dy­nas­ten, Rit­ter und Bau­ern, dem Per­so­nal des frü­hen Mit­tel­al­ters, tritt der Kauf­mann als ein neu­es, fremd­ar­ti­ges Ele­ment, das ver­eint mit dem Hand­wer­ker eine neue, die bür­ger­li­che Kul­tur be­grün­det.

      Die äl­tes­ten Städ­te Deutsch­lands wa­ren die Rö­mer­städ­te am Rhein und an der Do­nau, Köln, Mainz, Ba­sel, Straß­burg, Re­gens­burg und an­de­re. In man­chen von ih­nen gab es noch be­deu­ten­de rö­mi­sche Bau­ten, wie zum Bei­spiel in Tri­er, das kai­ser­li­che Re­si­denz ge­we­sen war; all­mäh­lich aber ver­fie­len sie, be­son­ders wenn Nor­man­nen oder Un­garn zer­stö­rend ein­bra­chen, dann auch, weil sie als Stein­brü­che beim Her­stel­len neu­er Ge­bäu­de be­nützt wur­den. Dass in die Städ­te kö­nig­li­che Pfal­zen und Bi­schofs­sit­ze ge­legt wur­den, gab ih­nen eine neue Be­deu­tung und Blü­te. Das ei­gent­li­che We­sen der Stadt je­doch, ih­ren ei­gen­tüm­li­chen Cha­rak­ter im Ge­gen­satz zum Lan­de, was sie zu Stät­ten des Frie­dens, des Rech­tes und der Frei­heit, zu selbst­stän­di­gen, hoch­wich­ti­gen Glie­dern des Rei­ches mach­te, das war der Markt, die Nie­der­las­sung von Kauf­leu­ten und Ge­wer­be­trei­ben­den. Man sieht das bei den Grün­dun­gen neu­er Städ­te, die seit dem 12. Jahr­hun­dert von vie­len Fürs­ten vor­ge­nom­men wur­den, und die dar­in be­stan­den, dass der be­tref­fen­de Fürst eine An­zahl von Kauf­leu­ten zur An­sie­de­lung ver­an­lass­te, in­dem er ih­nen Vor­tei­le in Aus­sicht stell­te.

      Si­cher­lich gab es im­mer da, wo Pfal­zen oder Bi­schofs­sit­ze wa­ren, Händ­ler; denn die zahl­rei­chen Per­so­nen, die mit ei­ner Hof­hal­tung ver­bun­den wa­ren, hat­ten Be­dürf­nis­se an Le­bens­mit­teln und an­de­ren Din­gen, die nicht nur durch bäu­er­li­che und hand­werk­li­che Hö­ri­ge be­frie­digt wer­den konn­ten. Im Ori­ent, der Wie­ge ur­al­ter Kul­tu­ren, dem Schoß mär­chen­haf­ter Schät­ze, gab es edle Pro­duk­te und Er­zeug­nis­se höchst ver­fei­ner­ter In­dus­tri­en, die aus Chi­na, Per­si­en, Klein­asi­en, In­di­en erst in By­zanz, dann auch an den ara­bi­schen Han­del­splät­zen Bag­dad, Da­mas­kus, Bas­ra, Tra­pe­zunt und Sa­mar­kand zu­sam­men­ström­ten. Aus Chi­na und By­zanz ka­men Sei­de und an­de­re kost­ba­re Ge­we­be, na­ment­lich Pur­pur­stof­fe, die im Wes­ten zur Be­klei­dung und zu kirch­li­chen Ge­wän­dern und kirch­li­chem Schmuck dienten. Der Ru­bin von Cey­lon, der Tür­kis und La­pis­la­zu­li von Per­si­en, Sma­ragd und Sa­phir aus Ägyp­ten, Be­ryll und Kar­neol und an­de­re Halbe­del­stei­ne wur­den im Wes­ten von Män­nern und Frau­en ge­tra­gen und im Kunst­ge­wer­be, na­ment­lich an Re­li­qui­en­bil­dern, ver­wen­det. Edle Höl­zer ge­brauch­te man beim Fär­ben, zum Auf­tra­gen der Far­ben, um den Far­ben grö­ße­re Leucht­kraft zu ge­ben, wie auch zu fei­ner Schrei­ner­ar­beit, so das Aloe­holz, das Bra­sil- und San­del­holz. Per­len ka­men aus dem In­di­schen Ozean, El­fen­bein aus Afri­ka und In­di­en. Die Kunst des Glas­ma­chens, die von Ju­den be­trie­ben wur­de, brach­ten die­se nach Ve­ne­dig; aber das Glas aus dem Ori­ent, na­ment­lich das aus Da­mas­kus, galt als das bes­se­re. Mo­schus, Am­bra und Weih­rauch wa­ren be­gehr­te Wohl­ge­rü­che, den Bal­sam ge­brauch­te man zur Her­stel­lung von Salb­öl und zum Er­hal­ten der Lei­chen. Lan­ge glaub­te man, dass die Bal­sam­sträu­cher, die nicht weit von Kai­ro am Ran­de der Wüs­te wuch­sen, wo der Über­lie­fe­rung nach Ma­ria mit dem Kin­de auf der Flucht nach Ägyp­ten ge­ras­tet hat­te, die ein­zi­gen auf der Welt wä­ren. Pfef­fer, Ing­wer und Zim­met wa­ren als Ge­wür­ze hoch­ge­schätzt. Als Süß­stoff ver­wen­de­te man in Deutsch­land im All­ge­mei­nen noch lan­ge den Ho­nig, wäh­rend der Zu­cker, den die Kreuz­fah­rer in Klein­asi­en ken­nen­lern­ten, weil er sehr teu­er war, nur als Heil­mit­tel bei Brust­lei­den in die Spi­tä­ler kam. Fried­rich II. sorg­te für Neu­be­le­bung der Kul­tur des Zucker­rohrs, das durch die Ara­ber nach Si­zi­li­en ver­pflanzt war.

      Die Völ­ker­wan­de­rung hat­te den Han­del in Deutsch­land nicht ganz be­en­digt: im­mer wan­der­ten klu­ge und küh­ne Män­ner, al­len Ge­fah­ren trot­zend, vom Wes­ten nach dem Os­ten, nach Nor­den und Sü­den, wo sie Wa­ren ein­tau­schen und ab­set­zen konn­ten. Ju­den und Frie­sen er­schei­nen zu­erst als Kauf­leu­te. Von By­zanz aus ging der Strom des Han­dels eher nach Nor­den und Os­ten als nach dem Wes­ten, Wi­kin­ger, Ara­ber und Sla­wen wa­ren Ver­mitt­ler. Schles­wig und das sa­gen­be­rühm­te Jum­ne an der Mün­dung der Ost­see wa­ren Han­del­splät­ze, die auch die Fran­ken­rei­che ver­sorg­ten, in der Nähe von El­bing soll sich ein Han­dels­mit­tel­punkt der sla­wi­schen Preu­ßen be­fun­den ha­ben, in Russ­land wa­ren Kiew und Now­go­rod Märk­te. Im zehn­ten Jahr­hun­dert tau­chen in Deutsch­land die Na­men von Kauf­leu­ten auf, die sich au­gen­schein­lich Reich­tum und An­se­hen er­wor­ben hat­ten. Als Otto I. mit dem by­zan­ti­ni­schen Kai­ser Kon­stan­tin Por­phy­ro­ge­ne­tos freund­schaft­li­che Be­zie­hun­gen an­knüp­fen woll­te, wähl­te er zum Über­brin­ger von Ge­schen­ken einen rei­chen Kauf­mann Luit­fred, der in Mainz wohn­te. Zum Füh­rer ei­ner Ge­sandt­schaft nach Spa­ni­en an den Ka­li­fen Ab­der­rah­man III. be­stimm­te er einen Kauf­mann von Ver­dun, na­mens Er­man­hard, weil der in Spa­ni­en gut be­kannt war, und ließ ihm spä­ter noch einen an­de­ren fol­gen. Es scheint aber, dass von Deutsch­land aus nur ver­ein­zelt ein un­mit­tel­ba­rer Ver­kehr mit By­zanz ge­pflegt wur­de; re­gel­mä­ßig be­zo­gen die deut­schen Kauf­leu­te, nach­dem Jum­ne und Schles­wig ver­fal­len wa­ren, die Er­zeug­nis­se des Ori­ents aus Ita­li­en. Erst wa­ren es Amal­fi, Sa­ler­no, Nea­pel und Gae­ta, die mit By­zanz han­del­ten,


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