Im Schatten der Verschwörung. Sabine Dittrich

Im Schatten der Verschwörung - Sabine Dittrich


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dunkelhaarig, feuriger Blick, vollendete Ritterlichkeit. So sah der Gemahl ihrer Träume aus.

      Matthias freute sich, seine Familie und Freunde nach so langer Zeit wieder zu sehen. Drei Jahre hatte er an der berühmten Heidelberger Universität studiert.

      Kathrinchen und Susanna waren von staksenden Füllen zu wohlansehnlichen jungen Frauen gereift. Seine Eltern hatten sich nicht so sehr verändert, nur Mutters Gesicht war von feinen Fältchen durchzogen und Vaters Haar zeigte erste graue Strähnen.

      Nach der Ansprache bildeten sich kleine, munter schwatzende Grüppchen. Matthias zog Michel heimlich am Ärmel und ging auf die Runde zu, die sich um Katharina und Susanna gebildet hatte. Veit Gesslein gab gerade eine Anekdote zum Besten. Alle lachten laut, nur Katharina nicht. Sie hatte ein unverbindliches Lächeln aufgesetzt und Veit gar nicht zugehört. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt Michel de Cormont. Veit starrte Katharina erwartungsvoll an – eine peinliche Stille entstand.

      »Ach, Veit, Ihr wisst so drollige Geschichten«, schob sich Susanna beherzt vor Katharina, hängte sich bei Veit ein und zog ihn ein Stück weiter, »kommt, erzählt uns noch mal, wie das mit dem Lehrbuben war, der in das Farbbecken gefallen ist.« Ein wenig irritiert, aber dennoch geschmeichelt von Susannas Interesse, erzählte Veit mit hochrotem Gesicht weiter.

      »Mein Schwesterlein verdreht den Regensburger Mannsbildern den Kopf. Daran war noch nicht zu denken, als ich vor drei Jahren nach Heidelberg gezogen bin«, neckte Matthias seine Schwester liebevoll.

      »Ich bin so froh, dass du wieder da bist, Mias, jetzt kannst du diesen balzenden Gockeln Bescheid stoßen. Von mir wollen sie es ja nicht annehmen.«

      Matthias lachte. »Was sagst du dazu, Michel, andere junge Frauen wären hoch erfreut über viele Verehrer, nur mein Kathrinchen hat, wie immer, ihren eigenen Kopf.«

      »Vielleicht muss nur der Richtige kommen und Catherine ändert ihre Meinung«, lächelte Michel und zwinkerte der jungen Frau verstohlen zu. Wie er »Catherine« gesagt hatte! So melodiös und zart.

      Nun begann das Festmahl, danach vergnügte man sich beim Tanz. Katharinas Hand bebte, als Michel sie beim Reigen fest und zärtlich fasste.

      Veit Gesslein wunderte sich, dass ihm Katharinas Base vorher noch nie aufgefallen war. Susanna war zwar nicht von blendender Schönheit, aber ihr lustiges freundliches Wesen hatte ihn im Sturm erobert. Außerdem schien sie handfest und tüchtig. Auch war sie aus gutem Hause – genau wie die Ehefrau eines einflussreichen Tuchmachermeisters sein sollte.

      In all dem fröhlichen Trubel merkte niemand, dass Agnes und Peter Kerner sich immer wieder ernst und wissend anblickten. Eine unsichtbare Last schien auf ihren Schultern zu liegen.

      Matthias Kerner wusste nicht, dass er sich in dieser Nacht das letzte Mal vergnügt zu Bett legte als die Person, die er zu sein glaubte.

      Am nächsten Tag nach dem Mittagsmahl hatten Matthias’ Eltern nach ihm schicken lassen. Sie wollten ihn sprechen. Als er in die Wohnstube trat, blickte er sich wehmütig um. Hier schien die Zeit seit seiner Kindheit still zu stehen. Wie hatte er es geliebt, mit seinen Schreibübungen hier an diesem rohen Holztisch zu sitzen, während Mutter am Fenster in eine Stickerei versunken war und Katharina mit ihren Puppen spielte. Mutter sah gerade aus dem kleinen Fenster. Unten im Garten spazierte Katharina an Michels Arm, tief ins Gespräch versunken. »Dein Freund Michel de Cormont scheint mir ein aufrechter Mann zu sein?«

      »Ja, Mutter, ich habe in ihm einen wahren Freund – ja fast einen Bruder – gefunden. Michel stammt aus einer angesehenen Familie. Sein Vater leitet die Bauhütte der großen Kathedrale von Amiens. Michel will sehen, ob er hier in der Regensburger Dombauhütte etwas dazulernen kann.«

      »Ist seine Familie lutherisch eingestellt?«, wollte Vater Kerner wissen.

      »Nein, die Cormonts sind rechtgläubige Leute.«

      »Nun gut, Mias, Michel soll uns als dein Freund willkommen sein. Wir sehen, dass Katharina für ihn entflammt ist – er wird wohl kein böses Spiel mit ihr treiben?«

      »Seid unbesorgt, Michel ist ein Ehrenmann. Er ist vermögend und jederzeit in der Lage, eine Familie zu gründen.«

      Peter Kerner lachte leise. »Dachte ich mir schon, dass der Veit Gesslein vergeblich hoffte. Mir scheint jedoch, gestern hat er die Kelheimer Wollweberzunft entdeckt. Da wird wohl bald ein Freier bei meinem Bruder um Susanna anhalten.«

      Alle drei lachten. Dann war Stille im Raum. Seine Eltern blickten sich an. Agnes nickte ihrem Gemahl ernst zu.

      »Mias, ich habe vor vielen Jahren einen Schwur getan. Mutter und ich haben lange nachgedacht, wann die rechte Zeit ist, ihn einzulösen. Du bist nun ein Mann und bereit dafür. Du weißt, dass Mutter dich nicht geboren und ich dich nicht gezeugt habe. Trotzdem bist du unser Sohn, und wir lieben dich, als wären wir deine leiblichen Eltern.«

      Peter Kerner, dem sonst nie die Sprache abhanden kam, sei es in Verhandlungen oder als Schlichter bei Zunftstreitigkeiten, rang sichtlich nach den richtigen Worten. Er stand auf, öffnete die schwere Holztür, blickte auf den Gang und überzeugte sich, dass dort niemand lauschen konnte. Dann setzte er sich wieder gegenüber von Mias an den Tisch, beugte sich vor und sprach leise weiter.

      »Es stimmt auch, dass ich dich als heimatlosen Waisen von einer Reise mitgebracht habe.

      Eine Sache haben wir dir aber verschwiegen: Wir wissen nämlich doch, wer deine Eltern waren. Ich habe deiner leiblichen Mutter am Sterbebett geschworen, es dir zu eröffnen, wenn die Zeit dafür reif ist. Du sollst erfahren, dass sie dich von Herzen lieb hatte und nicht alles wahr ist, was man über sie erzählt. Als ich dir im Gasthaus ›Weiße Lilie‹ in Erfurt das erste Mal begegnete, nannten sie dich ›Mias‹. Dein voller Name war ›Jeremias Müntzer‹.«

      Alle Farbe wich aus Mias’ Antlitz, fassungslos blickte er zwischen den Eltern hin und her.

      »Der … der Satan von Allstedt, der Bauernschlächter … mein – Vater?«

      »Behalt es für dich, Mias, niemand darf es wissen. Schon damals wollten die Fürsten dich lieber tot sehen. Deshalb haben wir dich hier in Regensburg nochmals auf den Namen ›Jeremias Matthias Kerner‹ taufen lassen. So gab es keine Spur zurück.«

      »Mein lieber, lieber Bub.« Agnes fasste seine Hände. »Wir haben gerungen, den Schwur nicht einzulösen, und dir die Wahrheit zu ersparen. Doch das Gewissen erlaubt es uns nicht.«

      Peter Kerner erzählte nun die ganze Geschichte, wie er Mias in der Schänke getroffen, ihn mit Einverständnis Ottilie Müntzers mitgenommen und in Regensburg als Findelkind ausgegeben hatte. Der Pfarrer hatte vorgeschlagen, Mias sicherheitshalber zu taufen, denn man konnte bei einem Balg aus den ketzerischen Gebieten ja nie wissen, ob er das Sakrament in ordentlicher Weise erhalten hatte.

      Mias standen Tränen in den Augen. »Aber was soll ich nun mit der Wahrheit anfangen? Was für eine Bürde, einen Ketzer und tausendfachen Mörder als Erzeuger zu haben!«

      Peter Kerner räusperte sich. »Sohn, was dich deine Professoren in Heidelberg gelehrt haben über die Reformatoren zu Wittenberg und Thomas Müntzer, ist einzig deren Blick auf die Welt. Ich bin zwar nur Tuchmacher, aber viel herumgekommen. Ich rate dir, nicht gleich alles zu glauben, was geredet wird. Schau lieber selber hin, höre verschiedenen Menschen zu und sinne darüber nach, bevor du etwas für wahr hältst.

      In zwei Wochen breche ich zu einer Reise nach Erfurt auf. Wir brauchen Waid. Willst du mich nicht begleiten? Es wäre sowieso an der Zeit, als mein Erbe in der Tuchmacherei den Waidhandel kennenzulernen. Die Reise ins Thüringische wird deinen Blick weiten.«

      Mias schaute schweigend vor sich auf die Tischplatte. Dann hob er entschlossen den Kopf. »Ja, Vater, ich begleite Euch. Ich danke Euch für Eure Offenheit und dafür, dass Ihr den Mut hattet, mich als Euer eigen Kind aufzunehmen.«

      »Ach Mias, du hast uns so viel Freude in dieses Haus gebracht. Uns war nur bang vor


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